Hier wie versprochen die abgetippten Zeitungsartikel. Unleserliches oder im Scan Abgeschnittenes habe ich - soweit erschließbar - ergänzt und in eckige Klammern gesetzt, bei gewissen Unsicherheiten steht ein Fragezeichen hinter der Ergänzung.
Quelle: BILD [Jahrgang unbekannt, wohl so ums Jahr 2000]
https://www.allmystery.de/static/upics/0ca2ee_Screenshot_2016-02-10-18-10-22.png
Chesterfield-Fall: Wer ist der geheimnisvolle Mann im schwarzen Mantel? (von Marcus Jauer)
Als am 4.Dezember 1985 die Schulklingel der POS "Hermann Duncker" am Floßplatz zur ersten Stunde läutet, bleiben die Bänke leer. Die Kinder stehen dichtgedrängt auf dem Schulhof.
Neben einer umgeworfenen Mülltonne liegt ein Mann in einer Blutlache. Er ist schon mehrere Stunden tot. Erschlagen.
Im Verlauf der Ermittlungen wird in der ganzen DDR nach einem Schäfer gesucht, der "Chesterfield"-Zigaretten raucht. Der Mörder müsste heute knapp 40 Jahre alt sein.
Rückblick: Der Nachmittag des 3. Dezember 1985. Eine Konservenfabrik in der Merseburger Straße. Gerd Walter (45, Name geändert) bekommt seinen Monatslohn. Es sind etwa 500 Mark.
Er verabredet sich mit Freunden. Gemeinsam fahren sie noch am Abend in die Innenstadt. Später geben seine Freunde zu Protokoll: "Gerd wollte die Sau rauslassen." Er ist "ein Angeber-Typ. Einer, der sich gern bewundern lässt."
Die Männer ziehen durch mehrere Lokale. Schließlich landen sie in der Dufour-Straße, gehen in die Carola-Bar. Die Stimmung ist ausgelassen, Gerd angetrunken. Zu diesem Zeitpunkt ist es bereits kurz nach Mitternacht.
***
Hauptbahnhof, zur gleichen Zeit. Ein junger Mann verlässt das Mitropa-Restaurant. Nach Aussage der Angestellten hatte der Mann einen Sanyo-Recorder bei sich. Ständig wechselte er die Kassetten - "Beatles", "Rolling Stones", "Udo Lindenberg".
Seine ungewöhnliche Kleidung fällt auf. Ein knöchellanger dunkler Mantel, ein schwarzer Hut mit breiter Krempe. Der Mann ist ca. 20 bis 30 Jahre alt, etwa 1,70 bis 1,80 Meter groß und schlank. Wenige Minuten danach taucht der Fremde in der Dufour Straße auf.
***
Die Garderobenfrau der "Carola-Bar" erinnert sich später an den jungen Mann, der ihr den langen dunklen Mantel gab. Den schwarzen Hut behält er auf. Vorerst bleibt der Fremde im Hintergrund. Er kennt niemanden. Ununterbrochen raucht er "Chesterfield"-Zigaretten.
Gerd kommt an die Bar. Er bestellt ein Bier. Dabei fällt ihm der Fremde mit dem eigentümlichen Hut auf, beide kommen ins Gespräch. Sie unterhalten sich angeregt. Prahlt Gerd mit seine[m Mo]natslohn?
Als seine Freunde [nach] Hause wollen geht [Gerd] nicht mit. Er will noch [einen] draufmachen - mit s[einem] neuen Freund, sagt er.
Am frühen Morgen [des 4.] Dezember 1985 verl[ässt er] die Bar mit dem Unb[ekann]ten. Nur einige St[unden] später werden Kind[er im] Schulhof der POS "He[rmann-]Duncker seine Leic[he fin]den. Keine 300 Met[er von] der "Carola Bar" entfernt...
***
Ergebnis der gerichts[medizi]nischen Untersuchung[en:] Walter wurde mit de[r Müll]tonne erschlagen. De[m Opfer] fehlen die Brieftasche mit 500 Mark und sein[e Arm]banduhr Marke "Anke[r"].
Der einzige Verd[ächtige] ist der Fremde mit H[ut. Die] Polizei vernimmt die [Gäste] der Bar. Zeugen [sagen:] "Der Mann war w[ie ein] Schäfer gekleidet. [Sein] Vorname war H[eiko]. Nach dem Dialekt [könne?] er kein Leipziger sei[n.]
Einige meinten, er [käme] aus Mecklenburg. An[dere sa]gen, er hat mehrfa[ch das] Wort "gelle" verwend[et. Eine?] Spur nach Thüringen?
In einer DDR-weite[n Fahn]dung werden alle S[chäfer?] überprüft. Wochenlan[g prü]fen die Ermittler von [nun jede?] LPG. Eine heiße Spur[: Fehl]anzeige.
Der Mörder ist noch [immer] unter uns...
Beigefügte Bilder:
- Phantombilder des Täters mit und ohne Hut mit der Bildunterschrift:
Der einzige Verdächtige - ein Phantom. Er soll einen Mann mit einer Mülltonne erschlagen haben. Auffällig ein Hut, wie ihn sonst Schäfer tragen: schwarz mit breiter Krempe.
- Bild der Carola-Bar. Unterschrift:
Die "Carola Bar" in der Dufour Straße. Dort lernte das Opfer seinen Mörder kennen - den Mann mit dem schwarzen Hut.
Aus Zeitung 2 (Jahrgang unbekannt, wohl so frühe 90er):
Quelle:
https://www.allmystery.de/static/upics/82ae0d_collage_20160214183627660_20160214183746.jpgEr tat nichts, um unerkannt zu bleiben, dennoch blieb er spurlos verschwundenLeipzig. (wil) - Dieser Mord gehört zu den besonders grausamen. Der mutmaßliche Täter wurde von vielen Leipzigern vor und unmittelbar nach dem Verbrechen gesehen. Trotzdem: Seit über fünf Jahren fehlt von dem "Schäfer" jede Spur.
Der 4. Dezember 1985 ist ein Mittwoch wie jeder andere. Ahnungslos kommt Michael W. gegen 7.45 Uhr auf Dienst, betritt den Schulhof der 5. POS am Leipziger Floßplatz. Plötzlich lähmendes Entsetzen: In einer großen Blutlache liegt ein Mann auf dem Hof. Die grausige Situation läßt dem Lehrer nur einen Schluss zu: In der vergangenen Nacht wurde auf dem Schulgelände ein Mord verübt.
Die Gerichtsmediziner bestätigen die Vermutung. Alles deutet darauf hin, daß der stark Betrunkene am Boden liegend erschlagen wurde...
Vier Tage dauert es, bis die Identität des Erschlagenen feststeht: Wilfried Rehfeld, beboren in Naumburg und wohnhaft in der Leipziger Guths-Muths-Straße. Die Ermittlungen der Kripo laufen auf Hochtouren, der Fall scheint sich schnell zu entwirren. Fast minutiös läßt sich die unheilvolle Nacht rekapitulieren. Selbst der potentielle Mörder scheint festzustehen, Zeugen über Zeugen tragen mosaiksteinartih das Geschehen zusammen. Die Aussagen widersprechen sich kaum, detaillierte Beschreibungen des Unbekannten lassen das Aufklären des Mordes nur als Frage der Zeit erscheinen. Haben die Kriminalisten deswegen zu oberflächlich gearbeitet? Haben die strengen Befugnisgrenzen zwischen den Ämtern in den Bezirken der ehemaligen DDR den Erfolg verhindert? Nach fünf Jahren sind diese Fragen nicht mehr wesentlich. Jedoch bieten sich unter den jetzigen Verhältnissen wesentlich bessere Möglichkeiten, daß verschiedene Kriminalämter effektiv zusammenarbeiten.
Was spielte sich in der Nacht vom 3. zum 4. Dezember 1985 in der Leipziger Innenstadt ab?
Mit seinem Monatsverdienst in der Tasche machte sich am Dienstag der damals 49jährige Rehfeld auf Zechtour. Als er gegen 22 Uhr die Tanzgaststätte "Ringcafe" verließ, schwankte er bereits dermaßen, daß ihm eine Stunde später der "Altdeutsche Hof" gar nicht erst die Tür öffnete. Auch seine Lebensgefährtin in [...]
Von derart vielen Mißerfolgen gebeutelt, findet Wilfried Rehfeld in der Zeit um Mitternacht am Leipziger Hauptbahnhof jemanden, der Verständnis für ihn zeigt. Gemeinsam mit dem Unbekannten entert Rehfeld gegen 1:30 Uhr am 4. Dezember 1985 ein Taxi, um gen Tanzbar "Carola" zu ziehen. Hier zeigte sich das spätere Opfer in ausgesprochenen Spendierhosen. Nach gut einer Stunde verlassen die beiden Männer die Bar, doch die traute Einigkeit scheint vorüber: An der Garderobe kommt es zu einem heftigen, zum Teil handgreiflichen Streit zwischen Rehfeld und dem Unbekannten. Erst der Einlaßdienst kann schlichtend eingreifen. Vor der Carola-Bar belästigt Rehfeld zwei Passanten. Ein dritter Passant macht der unschönen Szene ein Ende. Das letzte Mal wird Wilfried Rehfeld gemeinsam mit dem Unbekannten zirka 100 Meter vom späteren Tatort gesehen. Nicht mal eine Stunde ist vergangen, als der Unbekannte wieder auftaucht. Dann jedoch ohne seinen bisherigen Begleiter Rehfeld. Kurz nach vier Uhr versucht der Unbekannte von einem Toilettenwart eine Flasche Alkohol zu ergatten.
Die Uhr zeigte 4.30 Uhr, als der mysteriöse, wegen seines schäfertypischen Aufzuges auffallende Fremde im Bahnhofsrestaurant auftaucht. Ungefragt erzählt er seinen Tischpartnern von einer Schlägerei, die er gerade überstanden hätte und macht keine Anstalten, eine sichtbare Verletzung an der rechten Hand zu verbergen. Auch die Blutflecken am Saum seiner Kutte und auf einem seiner Schuhe erklärt der mit morddeutschem Dialekt sprechende Unbekannte mit der Prügelei. Mit einem Kassettenrekorder unterm Arm verläßt er gegen 5 Uhr gemeinsam mit dem späteren Zeugen K. den Hauptbahnhof, um eine Stunde später wieder zurückzukommen.
Auch jetzt unternimmt der Gesuchte nichts, um nicht aufzufallen: Nachdem der Recorder [sic!] im Gepäck Gepäckschließautomaten der Westhalle verstaut ist, macht er in einer Ecke des Bahnhofs seiner Blase Luft. Die durch eine Bahnhofsangestellte eingeforderten 5 Mark berappt er ohne Widerspruch. Der Bahnerin erzählt er etwas später, dass er Schäfer sei und zurück zu seinen Schafen müßte. Die Zeugin erinnert sich später daran, daß der Schäfer, der auf den Vornamen "Heiko" oder "Uwe" hören könnte und vermutlich einen längeren Nachnamen trägt, in diesem Zusammenhang einen Ort bei Schwerin nannte. Da kurze Zeit später, um 6.51 Uhr, an diesem 4.Dezember 1985 ein Zug nach Schwerin fuhr, geht die Eisenbahnerin davon aus, daß der unbekannte Mann mit dem großen Schäferhut diesen Zug nahm.
[-Ist der Unbekannte am 4. ?] Dezember 1985 nochmals auf dem Hauptbahnhof Leipzig oder in einem Zug von Leipzig aus gesehen worden?
- Ist der Mann mit dem Schäfer-Outfit beim Einlösen eines Schecks aufgefallen?
- Kennt jemand eine der Beschreibung entsprechende Person aus der gemeinsamen Schul- oder Lehrzeit?
- Wer kann über einen eventuellen Verkauf oder eine Reparatur der nicht aufgefundenen Herrenarmbanduhr Angaben machen?
- Wer hat den auffälligen Unbekannten im beschriebenen Zeitraum wahrgenommen?
Für solche und weitere auf dieses Verbrechen bezogenen Hinweise stehen WiL sowie alle Polizeidienststellen zur Verfügung. Nachfragen beantwortet die Mordkommission Leipzig, Telefon 7250. (Heinz Richter)
Beigefügt sind dem Artikel folgende Abbildungen:
- Phantombild des Täters mit und ohne Hut mit der Bildunterschrift:
Die vielen Zeugen konnten ein recht detailliertes Bild von dem unbekannten Schäfer zeichnen. Danach ist der schlanke Mann zwischen 178 und 185 groß und war zu dieser Zeit zwischen 20 und 25 Jahren alt. Sein Äußeres wurde von den Zeugen als gepflegt und sein Haar als dunkelblond, kurz und gescheitelt beschrieben.
- Bild der Uhr mit folgender Bildunterschrift:
Verschollen ist seit dem Mord die Armbanduhr des Opfers, eine Herrenarmbanduhr, Doublé, mit 17 Steinen, Made in West-Germany, rundes Uhrwerk vom Typ "Anker", helles Zifferblatt, Reparaturzeichen "ww20693L", gold[farben (?) ...]