Ich möchte noch mal die gesicherten Fakten ab seinem Verschwinden betrachten und versuchen, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Am Ende ein paar Zusatzbemerkungen.
Liam: Schlank, 1,80 bis 1,85 Meter groß, rötliche, kurz rasierte Haare, Dreitagebart, blaue Jeans, braune Jacke, Strohhut, spricht kein deutsch, feiert Junggesellenabschied in Hamburg
Um 01:30 verlässt er das Lokal Hamborger Veermaster
Um 02:20 wird er von einer Kamera beim Gruner+Jahr-Gebäude gefilmt. Kurz danach nochmals, nachdem er in Richtung Michelwiese gegangen ist und dann ins Portugiesenviertel einbiegt. Das ist die letzte, gesicherte Spur von Liam.
Schlussfolgerungen:
Bei normalem Fußmarsch sind es laut Google Maps vom Veermaster bis zum Verlagsgebäude 21 Minuten. Liam hat 50 Minuten gebraucht. Er hat sich also entweder
a) verlaufen und eher in zufällige Richtungen fortbewegt
b) wusste seinen Weg, war aber sehr langsam
c) bereits auf dem Rückweg von einem anderen Ziel.
Für a) oder b) spricht klar, dass auf den Aufnahmen zu sehen sein soll, dass er gestürzt war und ein Zeuge ihm helfen wollte sowie die Tatsache, dass er betrunken das Veermaster verlassen hat.
Das schließt dann c) ziemlich sicher aus, denn dafür hätte er mit normal schnellem, sicherem Gang unterwegs sein müssen.
Dass auch b) auszuschließen ist, folgt m.E. aus dem Umstand, dass er nach der ersten Kamerasichtung ins Portugiesenviertel einbiegt, denn dieser Weg bringt ihn wieder näher zum Ausgangspunkt, dem Veermaster.
Ich halte den letzten Punkt für wichtig: Denn damit ist ein Plan des "Absetzens" meiner Meinung nach sehr unwahrscheinlich. Man könnte natürlich argumentieren, dass ihn die letzte Richtung wieder zum U/S-Bahnhof Landungsbrücken führt. Aber in einen S- oder Ubahnhof hätte er schon weit vorher einsteigen können, einmal in der Nähe vom Veermaster und einmal auf halber Strecke die Ubahn St. Pauli. Außerdem wäre die nächste Bahn von den Landsbrücken nach Buxtehude erst zwei Stunden später gefahren. Und auf den Kameras der Sbahnstationen ist ja laut Berichten nichts zu sehen.
Wer betrunken und desorientiert vom Gruner+Jahr Gebäude Richtung Michelwiese hochgeht, wird durch das Portugiesenviertel durchaus angezogen. Hier gibt es zahlreiche Restaurants und kleine Bars, es ist bunt und gut beleuchtet. Die Frage ist, was Liam dann gemacht hat.
Wollte er an die Elbe, zum Wasser? Sich Schiffe ansehen? Es spricht ein wenig dafür, dass er schon vorher in Wassernähe war, denn nach der ersten Kamerasichtung bewegte er sich vom Wasser weg Richtung Norden zur Michelwiese. Das ist aber kein Beweis. Denn leider ist nicht ersichtlich, wie nah er dran war an der Straße Vorsetzen, die direkt an der Elbe langführt (übrigens Bauarbeiten dort zur Verstärkung der Schutzmauern, wenn ich nicht täusche). Die Aufnahmen beim Gruner+Jahr-Gebäude zeigen jedenfalls einen Zaun bzw. Geländer, was sehr untypisch für Hamburg ist, ebenso das Pflaster. (Quelle:
https://image.stern.de/7873346/16x9-620-349/2934b745c7a0e7f5dd75e52206f368d7/YH/liam-colgan-kombo.jpg) Mein Eindruck ist, dass er sich dort auf dem Gruner+Jahr-Gelände selbst bewegt bzw. evtl. auf einer der langezogenen Rampen. Hier frage ich mich, ob er nicht doch ein Ziel hatte, was mit dem Gebäude oder einer bestimmten Aussicht von dort selbst zu tun hat. Direkt vor dem Gebäude an der Hauptstraße bzw. an den Seitenstraßen finden sich jedenfalls nicht solche Art Geländer.
Ist Liam danach noch eine längere Zeit durch andere Teile der Stadt geirrt? Ich halte das für eher unwahrscheinlich. Während ein betrunkener Mann mit Strohhut in Kieznähe noch eher unauffällig ist, so dürfte sein Auftreten in ruhigeren Gegenden oder Wohngegenden durchaus mehr Eindruck hinterlassen. Wäre er also noch weitere Strecken zu Fuß durch Hamburg geirrt, müsste es eigentlich längst eindeutige Zeugenmeldungen gegeben haben, so bekannt wie der Fall derzeit ist.
Ist er in einen Fleet gefallen o.Ä.? Im Portugiesenviertel selbst gibt es keine Fleete. Die nächsten sind weiter weg und nicht in die zuletzt bekannte Laufrichtung.
Was ich mich noch frage: Der Junggesellenabschied war in zwei Gruppen aufgeteilt. Weiß evtl. jemand genau, warum? Gab es Streit über die richtige Location?
Und noch ein Hinweis zur Überfallthese:
Was ihn zumindest als Opfer wahrscheinlicher gemacht haben könnte, sind die langgezogenen und gut einsehbaren Fußwege um das Gruner+Jahr-Gebäude herum. Ein langsamer, leicht torkelnder Mann würde dort ggf. schon von Weitem auffallen.