Schembri bei Falschaussage unter Eid ertappt? Stolpert Schembri über Kleinigkeiten in seiner Aussage von Vorgestern? Mehrere Behauptungen von ihm, die sich eher auf Nebensächlichkeiten beziehen, stimmen wohl nicht. Hat er sich einfach falsch erinnert oder bewusst gelogen? Und falls letzteres der Fall ist, warum?
Schembri hatte bereits in eine gerichtlichen Anhörung am 18.12.2019 unter Eid, den Nachmittag des 16.10.2017, des Tages an dem Daphne getötet worden war, beschrieben. Vorgestern hatte er diese Aussage wiederholt und noch einige Details ergänzt:
Er, Schembri, habe mit Premierminister Muscat und dem damaligen Regierungssprecher (Kurt Farrugia) zusammengesessen, als der Leiter des Mater Dei Krankenhauses (Ivan Falzon) Muscats Büro informiert hätte, dass es in der Ortschaft Burmarrad eine Explosion gegeben habe. Muscat habe daraufhin versucht seinen Vater zu erreichen, der Burmarrad eine Fabrik zur Herstellung von Feuerwerkskörpern betreibt (das wusste ich bisher auch nicht).
Es wäre dann aber unverzüglich die Berichtigung gekommen, dass sich die Explosion nicht in Burmarrad, sondern in Bidnija ereignet habe. Wenige Minuten später sei dann die Nachricht eingetroffen, dass Daphne Caruana Galizia bei der Explosion zu Tode gekommen sein könnte. Alle wären schockiert gewesen. Schembri habe dann den Geschäftsträger der US-Botschaft auf Malta angerufen und gefragt, ob die USA bei den Ermittlungen helfen könnten. Die Botschaft habe geantwortet, das FBI habe einige Agenten in Rom und man wolle sehen, was man tun könne. Auf Nachfrage des Gerichts gab Schembri an, er habe die US-Botschaft binnen längstens 5 Minuten nach dem Anruf der Polizei verständigt.
Stimmt das? Es gibt drei Quellen, die unabhängig voneinander etwas Gegenteiliges berichten:
1.)
Der Malta Independent hatte unter Berufung auf TV Malta am Abend des Tattages berichtet, die diensthabende Untersuchungsrichterin, Consuelo Scerri Herrera, habe die Polizei angewiesen, ausländische Experten hinzuzuziehen.
2.)
Unter Bezug auf Schembris Aussage im Dezember, berichtete der Nachrichten-blog Lovin Malta bereits am 16.03.2020, nicht Schembri, sondern der Leiter der Terror-Abwehr auf Malta, Superintendent George Cremona, habe sich als erster mit dem FBI in Verbindung gesetzt. Und zwar habe er auf dem ganz kurzen Dienstweg direkt bei ihm persönlich bekannten Kollegen in Rom angerufen. Der Anruf sei etwa zwei Stunden nach der Tat erfolgt (also dann gegen 17 Uhr). Erst als ihm seine Kollegen aus Rom signalisiert hätten, dass sie wohl entsprechende Kapazitäten hätten, habe er sich mit Polizeipräsident Cutajar in Verbindung gesetzt, der dann den offiziellen Dienstweg über die US-Botschaft gegangen sei.
3.)
Cutajar hat diese Version mehr oder weniger in einem Interview am 16.10.2020 - also noch vor Schembris jetziger Aussage – bestätigt, und er macht auch eine Klammer zu der zeitnahen Berichterstattung, nach der eine Untersuchungsrichterin die Hinzuziehung angeordnet habe:
Cutajar sagt, einer der Beamten am Tatort – welcher wisse er nicht mehr – habe ihm vorgeschlagen, das FBI um Hilfe zu bitten. Er habe daraufhin sich mit einem Untersuchungsrichter Verbindung gesetzt und gefragt, ob es Seitens des Gerichts rechtliche Bedenken gebe. Nachdem dies verneint wurde, habe er die Botschaft angerufen.
Untersuchungsrichterin Scerri Herrera am Tatort, ca. zwei Stunden nach dem Anschlag. Foto: Malta IndependentCutajar war am Tattag nicht am Tatort, wohl aber sein Terrorabwehr-Chef George Cremona. Und der dürfte auch einer der ranghöchsten Beamten in den ersten Stunden nach der Tat vor Ort gewesen sein. Die Untersuchungsrichterin Scerri Herrera war auch am Tatort, so etwa zwei Stunden nach dem Anschlag. Es wäre logisch, wenn sie sich einen Lagebericht von Cremona hätte geben lassen. Und der sagt so halblaut vor sich hin – Achtung: pure Spekulation von mir -, dass er ein paar gute Bekannte beim FBI hat. Und Herrera antwortet ihm, dass er sie dann doch herbeiholen möge. Und falls das so war, hätte dieser Superintendent George Cremona (in den weiteren Ermittlungen spielt er keine Rolle, ich kannte bis vorhin seinen Namen nicht), im Alleingang so viel Druck aufgebaut, dass Cutajar nicht mehr zurück konnte. Und auch Schembri und selbst ein Muscat konnten dann Cutajar nicht mehr zurückpfeifen, wie denn auch.
Arbeitshypothese von mir – muss nicht stimmen: Die Einschaltung des FBIs – dessen Funkzellenauswertung ja schließlich den Fall gelöst hat - war für die Drahtzieher des Attentats nicht vorhersehbar. Und falls zu den Drahtziehern auch Regierungsmitglieder gehören, auch nie geplant. Die ganze Bande wurde von einem einzelnen, mittleren Beamten überrumpelt, der ja vielleicht schon in der Stunde Null so ein Bauchgefühl hatte...
So, das ist aber nicht die einzige Unwahrheit, in Schembris obiger Aussage.
Tatsächlich war er nicht in einer Dienstbesprechung mit Muscat und dessen Regierungssprecher, als Muscat von dem Attentat erfuhr. Die Bombe, die Daphne tötete, explodierte ziemlich genau um 14:59. Muscat war – ohne Schembri und ohne Regierungssprecher, wohl aber mit Wirtschaftsminister Cardona – bei einem Presseevent der Softwarefirma Acronis in Sliema, welches er erst gegen 15:15 verlies. Das beweist dieses kleine Video auf Youtube:
Dr. Joseph Muscat, Prime Minister of Malta came to Parallels office
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Bei Sekunde 57, ganz am Schluss, kommt eine Kamera ins Bild, auf der man den Timestamp erkennen kann: „16-10-2017, 15:13:35“:
Original anzeigen (0,8 MB)Original anzeigen (0,6 MB)Selbst, wenn Muscat von Sliema direkt zu seinem Amtssitz in Valletta mit Sonderrechten gefahren ist (meisten war er mit zwei Weißen Mäusen unterwegs), konnte er im Montag-Nachmittags-Verkehr nicht vor 15:35 Uhr, eher 15:40 bis 15:45 Uhr in seinem Büro sein. Der Independent hatte die Story - wenn auch zunächst nur unter „Lokales“ mit der Überschrift „Person bei Fahrzeugbrand getötet“ - bereits um 15:52 Uhr online, wobei da schon völlig klar war, um welche Person es hier ging, und der Independent den Namen nur mit Rücksicht auf die Angehörigen, die ggf. noch nicht verständigt waren, nicht nannte.
Inzwischen hat sich Muscat dazu geäußert und einmal mehr versucht, Schembris Popöchen zu retten: Er, Muscat, habe von der Explosion während der Fahrt zu seinem Amtssitz erfahren. Dass aber Daphne das Opfer war, das habe er erst erfahren, nachdem er sich nach seiner Rückkehr zum Regierungssitz, mit Schembri und seinem Regierungssprecher zu einer Unterredung zurückgezogen habe.
Ob’s von der Sitzung wohl ein Protokoll gibt? Ich frag‘ ja nur...
Quellen:
https://lovinmalta.com/news/keith-schembri-absolutely-did-not-coordinate-fbi-involvement-into-daphne-caruana-galizia-investigation-lawrence-cutajar-says/https://manueldelia.com/2020/06/which-other-bits-was-keith-schembri-lying-about/https://timesofmalta.com/articles/view/watch-muscat-says-he-learnt-of-caruana-galizia-murder-with-schembri.800661