@borabora Der Titel des Threads ist irreführend, denn so etwas kann selbstverständlich genausogut in Deutschland passieren. Mit den USA hat der Fall spezifisch erst mal nichts zu tun.
Dann muss man einmal Abstand nehmen und nach den Opfern in diesem Fall schauen: freilich, der erste Blick geht zu dem Kind. Und da sieht man eben kein missbrauchtes, kein misshandeltes, kein eingesperrtes Kind, kein Kellerloch, keine Kette an den Beinen usw. Man sieht ein Kind, dass seine ganze Kindheit über dachte, ein ganz normales Kind zu sein.
Das ist gut - im Sinne von, es hätte schlimmer sein können. Keine Frage.
Aber: Ist jetzt wirklich Friede, Freude, Eierkuchen?
Nein!
@Kältezeit hat es doch hier ganz hervorragend auf den Punkt gebracht: es gibt noch mehr Opfer in diesem Fall:
Kältezeit schrieb:Ihre Tat war von purem Egoismus geleitet. Ich frage mich, wie eine Frau eine gute Mutter sein kann, wenn sie nicht mal genug Empathie besitzt, um nachvollzuziehen zu können, wie sehr die Eltern unter dieser Entführung leiden mussten.
Da sind Eltern, denen das Wertvollste, sage ich mal aus meiner Sicht, genommen wurde: ihr Kind. Ich bin Vater, wenn mir das passiert wäre, meine Welt wäre zusammengebrochen.
Freilich, auch ich wäre froh, dann zu erfahren, dass es dem Kind nicht schlecht ging - aber das ändert nichts an dem, was ich verloren habe, was mir nie jemand zurückgeben kann: die Zeit mit meinem Kind, das Verhältnis zu meinem Kind.
Und nun tritt die Strafjustiz ins Geschehen: deren Aufgabe ist es, Verhalten, das anderen und der Gesellschaft als Ganzem Schaden zufügt, zu bestrafen.
Schaden ist hier entstanden, erheblicher Schaden, nicht wieder gut zu machender Schaden. Es gibt hier Opfer, die ganz erheblich gelitten haben, Jahre und Jahrzehnte lang.
Und: wer sagt denn, dass das Kind es nicht vielleicht "besser" bei den leiblichen Eltern gehabt hätte? Es hätte zumindest nicht das Trauma erleben müssen, nicht diejenige zu sein, die sie dachte zu sein. Es hätte nicht erleben müssen, dass die eigene "Mutter" als infame Lügnerin entlarvt wird.
Also, noch mal die Frage: ist das Kind "Opfer" oder nicht überdenken.
Die Gesellschaft als Ganzes ist ebenfalls Opfer: ich vermute jede Mutter und jeder Vater hat irgendwann einmal Angst, dass ihr oder ihm das gleiche passieren kann. Warum soll so eine Angst über jeder Geburt liegen?
Der Gesetzgeber sagt: dieses Verhalten wird bestraft. Und ich denke, der Gesetzgeber hat Recht. Strafe soll Sühne sein für begangenes Unrecht, soll abschrecken, soll auch eine Möglichkeit der Reue und Rehabilitation bieten. Das eine in den USA mehr, das andere in Deutschland mehr, aber all das steckt in dem Strafgesetz.
Die Entführerin wird sich auf eine lange Freiheitsstrafe einrichten müssen. Ob das "gerecht" ist wird am Ende Gott entscheiden, aber dem Geist des Gesetzes nach ist es das wohl. Dabei kann dann die Länge der Freiheitsstrafe durchaus verkürzt werden in Anbetracht, wie sie das Kind behandelt hat. Dazu gibt es ja immer einen Strafrahmen. Aber umgehen wird sie diese Strafe nicht können. Und sollte sie wohl auch nicht.