http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.mord-im-kickboxer-milieu-kampfsport-meister-geraet-in-toedlichen-hinterhalt.4340dcf7-43e2-478e-8348-56e7d8d3e56d.html13. April 2016 - 12:34 Uhr
Eine Stunde und 50 Minuten vor seinem 36. Geburtstag wird ein Box-Meister vor seinem Wohnhaus in Bietigheim-Bissingen erschossen. Wohl ein Racheakt – welche Hintergründe jetzt schon bekannt sind.
Tatort Wolf-Hirth-Straße in Bietigheim-Bissingen: Dort passierte ein Mord. Foto: SDMG Der Tatort und der Fluchtweg: Der 35- Jährige wurde erschossen in der Wolf-Hirth-Straße gefunden, ... Foto: Screenshot Google/brb/wdo ... und der Täter flüchtete laut Zeugen in Richtung Panoramaweg. Von ihm fehlt jede Spur. Foto: Screenshot Google/wdo/brb3 Bilder ansehen
Bietigheim-Bissingen/Stuttgart - „Mit uns stark und sicher“ – das ist das Motto seiner Kampfsport-Bars, die er in Stuttgart-Neugereut betrieben hat. Stark war er durchaus, ein einstiger Top-Boxer, mit Badischen und Süddeutschen Meistertiteln in der 64-Kilo-Klasse, Medaillengewinner bei Deutschen Meisterschaften, Kickboxer-Weltmeister 2004 und Trainer. „Ein netter Kerl“, heißt es beim Boxverband Baden-Württemberg, „aber mit dem fatalen Hang zu Kreisen, die man als Normalbürger eher meiden würde.“ Stark ja, aber nicht sicher. Als Sergej N. am Dienstag um 22.10 Uhr vor seinem Wohnhaus in Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg) vorfährt, wartet ein Mörder auf ihn. Eine Stunde und 50 Minuten vor seinem 36. Geburtstag fallen tödliche Schüsse.
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Der Tatort: Wolf-Hirth-Straße im Stadtteil Bissingen. Der gebürtige Kasache wohnte hier in einem schmucklosen, viergeschossigen Wohnblock aus den 1960er oder 1970er Jahren. Eine Chance hat er nicht. Als er aus seinem dunklen Mercedes-Transporter aussteigt, feuert ein Unbekannter auf ihn. Eine Nachbarin sagt, sie habe in der Nacht Geräusche gehört, „als seien Böller losgegangen“. Ihr Sohn habe noch erstaunt bemerkt, dass das aber viele Böller gewesen seien.
Der Täter: dunkel, Jogginghose, Kapuzenpullover
Zeugen sehen, dass der Täter Richtung Maybachstraße davonrennt. In der Panoramastraße verliert sich seine Spur. Die Beschreibung ist dürftig. 1,75 Meter groß, maskiert, dunkel gekleidet mit Jogginghose und Kapuzenpullover. „Die sofort eingeleitete Alarmfahndung mit starken Kräften blieb erfolglos“, sagt Polizeisprecher Peter Widenhorn. Auch am Mittwochvormittag gibt es keine heiße Spur.
Was war der Hintergrund? Streit unter Russlanddeutschen? Seine Rolle als ausgebildeter Personenschützer? Ein Nachbar erinnert sich, dass es vor einigen Jahren in der Straße mal eine Razzia wegen „Anabolika und so Zeugs“ gegeben habe. Doch von Drogendelikten ist bei Sergej N., der sich auch Said nannte, in den Polizeiakten nicht die Rede. „Da war lediglich etwas mit Hehlerei“, sagt Polizeisprecher Widenhorn.
„Mein Freund war überall beliebt“
Das sei hier eine ganz normale Wohngegend mit ganz normalen Menschen, sagt einer, „auf jeden Fall keine Brennpunktgegend“. Ein anderer erinnert sich, dass es vor Jahren in der Straße eine Razzia gegeben habe. Um „Anabolika und so Zeugs“ sei es damals gegangen. Keiner der Passanten will das Opfer näher gekannt haben. Zwei Frauen, in schwarz gekleidet, Verwandte, wie sie sagen, gehen wortlos ins Haus.
Am Mittwoch kurz vor 10 Uhr trifft eine Familie am Tatort ein. Er sei der Geschäftspartner und beste Freund des Opfers, sagt der Vater. Er habe aus dem Radio von der Tat erfahren, auch sei er angerufen worden. Der Mann, ein Baum von einem Kerl, atmet schwer, kämpft mit den Tränen. Er könne sich keinen Reim auf die Tat machen. „Mein Freund war überall beliebt“, sagt er leise und hält dabei sein Söhnchen fest an der Hand. Ob der Täter eher im privaten oder doch beruflichen Umfeld zu suchen sei? Der Freund schaut ratlos. Er fürchte jedenfalls nicht um sein Leben, sagt der Mann noch.
Seit kurzem in Neugereut – „stark und sicher“
Die Spur führt auch Richtung Stuttgart, genauer in den Wildgansweg im Stadtteil Neugereut. Dort hat Sergej N. einen Veranstaltungsort aufgebaut, der sich Kampfsport-Bars nennt. Im Februar dieses Jahres war man aus Bad Cannstatt nach hierher umgezogen, der 35-jährige taufte die Einrichtung auch auf Kampfsport-Akademie. Im März präsentierte er das neue Logo der Bars – ein Tiger mit der Botschaft: „Mit uns stark und sicher.“
Ob es Verbindungen in das Straßenbanden- und Türstehermilieu gibt, ob rockerähnliche Gruppierungen eine Rolle spielen, die Polizei sagt dazu erst einmal nichts. „Wir haben jetzt einen 45-köpfige Sonderkommission gegründet“, sagt Polizeisprecher Widenhorn. Alles sei noch völlig unklar. Bis zum Mittag ist das selbst noch der Name der Soko.