Mehrere Babyleichen in Oberfranken gefunden
13.11.2015 um 21:45In vergleichbaren Fällen gab es dafür 15 Jahre Haft.
Grausiger Fund
Wallenfels trauert um acht tote Babys
Nach dem Fund von acht Babyleichen sitzt der Schock in Wallenfels tief. In einer Kirche der Stadt soll ein Gedenkort eingerichtet werden. Die Vernehmung der festgenommenen mutmaßlichen Mutter der Babys geht unterdessen weiter.
Stand: 14.11.2015
Wallenfels steht unter Schock: In der 2.800-Seelen-Stadt im Landkreis Kronach sind acht Babyleichen gefunden wurden.
Bürgermeister Jens Korn (CSU) erklärte nach einem Gespräch mit dem katholischen und evangelischen Pfarrer der Stadt, dass es in Wallenfels einen Gedenkort für die toten Babys geben wird. Außerdem wollen die Geistlichen eine "Klagewand" in der katholischen Kirche einrichten. Bürger können ihre Gedanken aufschreiben und dort an die Wand heften.
Fundort der Babyleichen von Wallenfels | Bild: picture-alliance/dpa
Passanten haben Engel an dem Fundort der Leichen abgelegt
In Wallenfels sei die Ortsgemeinschaft intakt, so Bürgermeister Korn. Viele Bürger beschäftige deshalb nun die Frage, ob diese Tragödie hätte verhindert werden können – etwa mit Hilfsangeboten. Auf einem Fensterbrett des Wohnhauses, in dem die acht Babyleichen gefunden wurden, zeigen Passanten inzwischen ihre Anteilnahme. Dort sind unter anderem Kerzen und weiße Keramikengel zu sehen.
Wie die Polizei mitteilte, wurde die mutmaßliche Mutter der Babys am Freitagabend in einer Pension in Kronach festgenommen, etwa 15 Kilometer von Wallenfels entfernt. Nach bisherigen Erkenntnissen war die Frau zum Zeitpunkt ihrer Festnahme in Begleitung eines 55-jährigen Mannes. Dieser soll kurz zuvor bereits von einer Polizeistreife am Bahnhof von Kronach aufgegriffen worden sein. In welchem Verhältnis der Mann zu der Festgenommenen steht oder ob er die Beamten zu der Frau geführt hat, ist nicht bekannt.
Fundort der Babyleichen von Wallenfels
In diesem Haus wurden die Babyleichen gefunden
Beide wurden auf eine Dienststelle gebracht und sind mittlerweile von der Coburger Staatsanwaltschaft vernommen worden. Einzelheiten der Befragungen wollte die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen allerdings nicht nennen. Die Vernehmung soll heute allerdings fortgeführt werden. Dann soll auch darüber entschieden wrerden, ob die 45 Jahre alte Frau dem Haftrichter vorgeführt wird.
Auch zu persönlichen Details über die Frau hielt sich die Polizei bedeckt. Sie habe bis vor kurzem in dem Anwesen in Wallenfels gewohnt, in dem die Leichen gefunden worden waren, sagte ein Polizeisprecher. Anwohnern zufolge sei sie dort vor einem Monat ausgezogen. Ihr Ehemann lebt nach wie vor mit drei minderjährigen Mädchen in dem Haus.
Acht tote Babys gefunden
Bei den Leichenfunden dürfte es sich um einen der schlimmsten Fälle dieser Art in den vergangenen Jahren in Deutschland handeln. Erkenntnisse erhoffen sich die Ermittler von rechtsmedizinischen Untersuchungen der gefundenen Körper an der Uni Erlangen. Die Untersuchungen werden aufgrund des teilweise schlechten Zustandes der Babyleichen einige Zeit in Anspruch nehmen. Ein Ergebnis ist nicht vor Anfang kommender Woche zu erwarten.
Eine Obduktion soll nun weitere Fakten liefern und Aufschluss darüber geben, wie lange die Kinder bereits tot sind, welches Geschlecht sie haben und woran sie gestorben sind. Bisher ist noch nicht mal bekannt, ob die Babys lebend zur Welt gekommen waren, sagte eine Polizeisprecherin. Mittlerweile wurde die Ermittlungsgruppe "Schlossberg" gegründet.
"Es sind noch sehr viele Personen zu befragen und es erfolgen auch weitere Durchsuchungsmaßnahmen."
Anne Höfer, Sprecherin Polizeipräsidium Oberfranken
Vor allem das Anwesen selbst soll noch genauer unter die Lupe genommen werden. "Unter Umständen kommen auch noch andere Objekte dazu", so die Sprecherin weiter. Es werde jetzt alles, was möglich ist, so zeitnah wie möglich gemacht.
Notruf einer Anwohnerin
Eine Anwohnerin hatte am Donnerstagnachmittag (12.11.15) den Notruf gewählt, nachdem sie in der Wohnung die sterblichen Überreste eines Säuglings gefunden hatte. Daraufhin entdeckten die alarmierten Polizisten in einem Zimmer weitere Leichen. In welchem Verhältnis die Anruferin zu den Hausbewohnern steht, sagte die Polizei zunächst nicht.
"Ganz normale Familie"
Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks handelt es sich bei der Familie, in deren Haus die Babyleichen entdeckt wurden, um ein Paar, das aus früheren Ehen Kinder in ihre Beziehung mitgebracht hatte. Zumindest der Mann soll in der rund 2.800-Einwohner-Stadt im Frankenwald in Vereinen sehr engagiert gewesen sein. "Eigentlich eine ganz normale Familie", sagte Bürgermeister Korn dem BR.
"Solche Themen kannten wir nur aus dem Fernseher. Es herrscht Trauer in unserer Stadt um die Kinder, die nicht leben durften."
Hintergrund: Verleugnete Schwangerschaften
Nach dem Fund der Babyleichen von Wallenfels geht die Kriminalpsychologin Monika Frommel von einem Fall verleugneter Schwangerschaften aus. Die ehemalige Direktorin des Instituts für Sanktionenrecht und Kriminologie an der Universität Kiel spricht von einem "Symptom, das es gibt, seit es Frauen gibt". Psychiatrisch gestörte Frauen, die ihre Schwangerschaft nicht wahrhaben wollten, gebe es in allen Schichten der Gesellschaft.
"Das Interessante ist, dass die Schwangeren selber darauf hereinfallen", sagte Frommel der Nachrichtenagentur dpa. "Es ist medizinisch erwiesen, dass der Leibesumfang bei verleugneten Schwangerschaften deutlich kleiner ist." Diese Frauen reagierten erschrocken, wenn die Wehen einsetzten und die Geburt beginne. Auch die Männer behaupteten dann oft, nichts mitbekommen zu haben.
Nach Angaben der Psychologin sei so etwas den vergangenen Jahrzehnten allerdings immer seltener vorgekommen. Dass Frauen ihre Neugeborenen sterben lassen oder aktiv töten, sei Folge einer umfassenden Verdrängung: Sie stellten sich nicht dem Geschehen, trauerten nicht und nähmen nicht Abschied. So sei es zu erklären, dass die Leichen – wie bei dem Fall in Wallenfels – auch noch nach Jahren in deren Umfeld liegen.
Ingrid1 schrieb:Aber leider gibt es das ja ab und an, dass jemand sein eigen Fleisch und Blut einfach in der Mülltonne oder in Blumentöpfen entsorgt. Unvorstellbar!!
Lacura schrieb:Da gab es doch schon mal einen Fall,wo eine Frau mehrere Babys in Blumentöpfen auf ihren Balkon hatte. Auch sie hatte noch andere Kinder, die sie liebevoll versorgt hat.In diesem Fall wird ja auch gesagt, dass sie die anderen Kinder liebevoll versorgte.der fall führte zu einer völligen neubewertung der männlichen rolle, europaweit wunderte man sich darüber, dass das gericht dem partner der kindesmutter ein hartes urteil verpasste: er hätte die schwangerschaften bemerken müssen.
vielefragen schrieb:europaweit wunderte man sich darüber, dass das gericht dem partner der kindesmutter ein hartes urteil verpassteNa ja, wenn ich vergleiche, wie man sich auf Allmy das Maul über Leos Mutter zerrissen hat, das man schon fast hätte meinen können, dass nicht der Vater, sondern sie das Kind gequält und getötet hat, wundert mich das eigentlich nicht besonders, wenn man unterstellt, dass (Ehe)Partner mitkriegen, dass eine Schwangerschaft oder Dauermisshandlung vorliegt.
vernon2 schrieb:Es gibt klare Regelungen.Danke dir für den Link. Dann hat sich viel getan. Wir hatten hier vor einigen Jahren den Fall, dass ein voll ausgetragenes Kind eine Woche vor dem Termin im Mutterleib verstarb und tot geboren werden musste. Eine Katastrophe für die Mutter, aber genauso schlimm war, dass das hiesige Kirchenamt sich weigerte, das Kind zu bestatten, weil es bereits tot auf die Welt gekommen ist. Das hat ewig gedauert, bis es endlich eine Genehmigung gab und letztendlich kam diese wohl nur, weil die Lokalpresse sich des Falles annahm. Hier hat sich inzwischen viel getan, aber ich ging davon aus, dass woanders die Zeit vielleicht noch stehen geblieben ist. Schön, dass es nun recht klare Regeln gibt.
Z.B. NRW: Falls ein Kind gelebt hat und sei es nur ein Atemzug, darf/muss es beerdigt werden. Ansonsten Totgeburten über 500 Gramm (oder 1000 Gramm, bin gerade nicht sicher).
Hier kann man das nachlesen:
http://www.kinderwunschhilfe.de/index.php?id=430 (Archiv-Version vom 01.08.2016)