Zakia M. (28), 1994 tot in einem Wasserloch bei Gifhorn gefunden
18.01.2021 um 23:25
Da hier sehr oft die Deutschkenntnisse von Zakia und auch die Haltung der Familie angesprochen werden:
Es war in den 90ern für junge Tunesier in touristisch besuchten Regionen, zu denen auch Zakias Heimatort zählt, nicht unüblich, deutsch zu sprechen - und das mitunter recht gut. Wohlgemerkt zu sprechen - dies bezieht sich nicht auf die Schriftsprache.
Es hat mit Sicherheit seinen Grund, weshalb beide Sprachen (arabisch und deutsch) im xy-Beitrag aufgenommen wurden. Eine anderweitige Kennzeichnung ihrer Sprachkenntnisse (z.B. "sprach nur gebrochen Deutsch") wäre zudem sicherlich ein wichtiges Erkennungsmerkmal gewesen, welches die Polizei hätte anführen können.
Dass recht viel Sprechbeitrag auf arabisch war, hat für mich den Anschein erweckt, als würde man dadurch auch gebürtige Tunesier in Deutschland ansprechen, für die Zakia aus ihrem Bekanntenkreis ein Begriff sein könnte.
Ob Verwandt oder nicht - in Sousse und Umgebung kennt man sich (selbst heute noch), dies oftmals über viele Ecken; aber das Netzwerk trägt. Dies gilt auch für die nach Deutschland eingewanderten, so dass es für Zakia sicherlich sehr leicht war, Anschluss zu finden, auch wenn sie dort niemanden persönlich gekannt haben sollte.
Im xy-Beitrag wird die "gescheiterte" Ehe erwähnt. Gescheitert, nicht explizit geschieden. Eine Frau hat in Tunesien bei Fehltritten des Mannes während der Ehe (Ehebruch, Gewalt) immens viele Rechte (heute natürlich noch mehr als früher). Es gilt keinesfalls, - wie hier leider behauptet - dass Zakia dadurch automatisch an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden wäre.
Gleichwohl war Deutschland damals für viele Tunesier "das gelobte Land" und viele Eltern wünschten sich für ihre Kinder (egal ob Sohn oder Tochter) ein Leben dort, weshalb Zakia bei Ihrer Reise wohl auch von ihrer Familie keine Steine in den Weg gelegt wurden.
Meine Theorie (natürlich hauptsächlich spekulativ):
Zakia hat einen deutschen Touristen in Monastir kennengelernt. Für ihn ist es eine Sommerliebe, verknallt erzählt er ihr, wie schön es in Niedersachsen ist und was sie dort alles machen könnten ("Zukunftspläne"). Zum Abschied bittet er sie, immer noch schwerverliebt, ihn zu besuchen. Sie hat Hoffnung auf ein neues Leben für sich und ihren Sohn mit einem Mann, in den sie ebenfalls verliebt ist. Zum Ende der Tourismussaison in Tunesien, im Dezember, macht sie sich auf den Weg nach Deutschland, um zu sehen, mit der Hoffnung, dass aus der Romanze noch mehr wird.
Doch in Deutschland vertröstet sie der Verehrer, von dem sie wahrscheinlich nur den Namen und die Festnetznummer kennt, plötzlich. Er muss arbeiten, kann erst am nächsten oder übernächsten Tag und meldet sich auch evtl. gar nicht mehr, wenn Zakia ihn anruft. Nun ist sie ziemlich gestrandet, hat vielleicht noch ein paar Kontakte zu anderen Bekannten aus Tunesien, bei denen sie unterkommen kann. Als ihr bewusst wird, dass es mit dem Verehrer nicht klappen wird, denkt sie sich, dass sie ja - wo sie nun schon in Deutschland ist - vielleicht noch jemand anderen kennen lernen könnte (wohlgemerkt um sich zu verlieben und hier ein neues Leben zu starten).
Dass sie an einem dieser Abende dann Ganya Thielke getroffen hat, die sie zunächst aufgenommen hat, kann gut möglich sein. Vielleicht hat der Täter aus Zakias Nähe zu Ganya falsche Schlüsse gezogen und die Situation eskalierte am Wasserloch. Als dann von der gefundenen Leiche mit der klar zuzuordnenden Bekleidung berichtet wurde, hat Ganya evtl. Panik bekommen, in den Mord verwickelt zu werden und ist abgehauen.
Zum Verhalten der Familie, nachdem sich Zakia nicht mehr gemeldet hat: ich denke keiner von uns hier weiß, was wirklich passiert ist und deshalb sollte sich auch niemand ein Urteil erlauben. Wir wissen nicht, wie viel Angst und Sorge die Familie in den ersten Monaten umgetrieben hat, wie oft ein Bekannter in Deutschland beauftragt wurde, nach ihr zu suchen und sich bei der Polizei zu erkundigen. Bei der "asiatischen Frauenleiche" hat anscheinend niemand auch nur ansatzweise an Zakia gedacht. Und so war es für die Familie - die von Tunesien aus wenig tun konnte - vielleicht einfacher, an eine glückliche Zakia zu glauben, die ihr Leben in Deutschland genießt als daran, dass etwas fürchterliches passiert sein könnte.