Mysteriöser Vermisstenfall Joachim Szieleit "Der Tote"

raptor83 schrieb:(...) Ich finds immer noch schön, dass man sich da "Berater" nennen darf.

Es wäre treffender, würden sie sich einfach Vertriebsmitarbeiter nennen. Eine sach- und fachgerechte Betreuung/Beratung findet ja nur noch selten statt.

raptor83 schrieb:Ich habs überlesen. Ich gehe aber eh noch von einem C-Netz Gerät aus. Das gabs ja auch noch bis 2000.

Das denke ich auch. Mir fällt bei dieser Gelegenheit auf, dass JS ziemlich vieles über "Strohleute" bzw. mutmaßlich falsche Namen laufen ließ. Natürlich waren die Sicherheitsbestimmungen früher nicht so streng wie heute und vieles ließ sich auch ohne Legitimation regeln. Aber ein C-Netz Autotelefon ? Ich frage mich, ob JS falsche Papiere nutzte. Hat er auch Decknamen benutzt ? Vlt. melden sich auch deshalb keine Zeugen, weil sich JS ihnen gegenüber nie mit seinem richtigen Namen vorgestellt hat. Ist jetzt nur so ein Gedanke...

Slaterator schrieb:Vertriebsmitarbeiter

Früher nannte man es auch Verkäufer.

Slaterator schrieb:Aber ein C-Netz Autotelefon ?

Wie kam man da eigentlich dran bzw. was wollte die Post da eigentlich alles von einem haben? Das war wahrscheinlich wohl alles andere als günstig. Wenn ich mal so überlege, was das Autotelefon im 450 SEL 6.9 seinerzeit gekostet hat, was aber noch länger her ist.

Slaterator schrieb:Ich frage mich, ob JS falsche Papiere nutzte.

Das habe ich mich auch schon gefragt. Andererseits kann ich dir gerade auch nicht sagen, wann ich das letzte Mal nach einem Ausweis gefragt wurde. Und wenn ich mal so an die verschwundene Studentin denke, dann ist die ja auch nur aufgefallen, als die Polizei den Einbruch in ihre Wohnung aufnehmen wollte. Aber für so einiges braucht man ja doch einen. Für ein Autotelefon wohl mit Sicherheit. Heute brauchst du ja schon einen für ne Prepaid-Karte.

raptor83 schrieb:Wie kam man da eigentlich dran bzw. was wollte die Post da eigentlich alles von einem haben? Das war wahrscheinlich wohl alles andere als günstig. Wenn ich mal so überlege, was das Autotelefon im 450 SEL 6.9 seinerzeit gekostet hat, was aber noch länger her ist.

Also normalerweise wurde das Gerät (sofern nicht ab Werk bei einem Neufahrzeug geordert) bei einem Fachhändler (z.B. Bosch-Dienst) erworben und ggf. auch eingebaut. Dann ging man zur Post, um einen Vertrag abzuschließen. Ich denke, es waren ähnliche Daten wie beim Abschluß eines regulären Festnetzvertrages dafür nötig. Dann bekam man eine Karte (Größe gleich einer EC-Karte), mit der das Gerät dann in Betrieb genommen werden konnte. Sündhaft teuer das alles. Da waren schnell mal 5-10000 DM für die Anschaffung weg. Dazu kamen dann noch erhebliche Verbindungspreise. Kein billiges Vergnügen.

raptor83 schrieb:(...) Andererseits kann ich dir gerade auch nicht sagen, wann ich das letzte Mal nach einem Ausweis gefragt wurde. (...) Aber für so einiges braucht man ja doch einen. Für ein Autotelefon wohl mit Sicherheit. Heute brauchst du ja schon einen für ne Prepaid-Karte.

Ich kann mir auch nur vorstellen, dass es über einen Strohmann oder falsche Papiere möglich war.

@Slaterator
https://hrgajek.wordpress.com/2015/01/31/aus-dem-archiv-das-war-das-c-netz-von-2001/

Hier stehen noch einige Informationen zum C-Netz in Deutschland. Kann man heute auch keinem mehr erzählen.

raptor83 schrieb:Hier stehen noch einige Informationen zum C-Netz in Deutschland. Kann man heute auch keinem mehr erzählen.

Das war eben noch die analoge Welt. Mit dem Einzug der Digitaltechnik in großem Stil änderte sich alles. Auch der Wettbewerb kam in Schwung und alles wurde bezahlbar(er). JS hat aber sicherlich noch mehr als 1 DM pro Minute abdrücken müssen. Abhörsicher waren die Geräte auch nicht. Mit einem Scanner konnte man Gespräche mithören, sofern man sich damit ein wenig auskannte. Heute können sich das viele nicht mehr vorstellen. Alledings gibt es einen wichtigen Aspekt. Im C-Netz wurden Verbindungsdaten schon erfasst. Haben die Ermittler je danach gefragt ? Komisch, wenn es nicht so wäre.

@Slaterator
Es gab bei XY mal einen Fall, bei dem ein Mann und seine Freundin erschossen worden sind. Der fuhr interessanterweise einen SL, wie ihn Szieleit kaufen wollte. Der wollte von Berlin nach Bonn und wurde dann irgendwo bei Hamburg auf einem Feld getötet. In der Sendung wurden einige Informationen zu den Telefonaten, die er während der Fahrt getätigt hat, genannt. So wie es aussieht ging das also.

Ich könnte mir schon vorstellen, dass man da nachgeschaut hat. Die Nummer wird ja bekannt gewesen sein.

raptor83 schrieb:Ich könnte mir schon vorstellen, dass man da nachgeschaut hat. Die Nummer wird ja bekannt gewesen sein.

Der Punkt sind die eingehende Gespräche, da ausgehende Gespräche für die Rechnungsstellung ohnehin erfasst werden mußten. Wenn also -mal angenommen- JS den Verkäufer nie selbst anrief, jedoch von ihm auf dem "Mobiltelefon" angerufen wurde, könnte eine Nummer archiviert worden sein. Allerdings nicht zwingend. Damals mußte z.B. noch bei Entführungsfällen eine -recht aufwendige- Rückverfolgung geschaltet werden, da es keine Rufnummernübertragung und Datenerfassung im großen Maßstab gab. Ich bin mir nur nicht sicher, ob das zum Zeitpunkt des Verschwindens immernoch der Fall war oder bei Anrufen in das Mobilnetz schon automatisch erfasst wurde. Klar, hätte der Anrufer eine Telefonzelle (heute ebenfalls bei vielen Menschen schon unbekannt :D ) bemüht, hätte es nichts genutzt. Aber eine kleine Chance besteht. Soweit ich weiß, fuhr JS nicht mit seinem Telefon zum Treffpunkt. Er nutzte ein kurz zuvor erworbenes Fahrzeug dafür. Richtig ?

Slaterator schrieb:Er nutzte ein kurz zuvor erworbenes Fahrzeug dafür. Richtig ?

Ich weiß gar nicht ob das so sicher ist. Der Golf, den er gekauft hat und der wohl immer noch die Kennzeichen vom Vorbesitzer hatte, wurde in Kassel abgestellt. Anscheinend hat der Vorbesitzer sein Fahrzeug angemeldet übergeben, was ich nicht nachvollziehen kann. Ist aber ein anderes Thema. Es ist wahrscheinlich, dass er ihn benutzt hat aber nicht unbedingt sicher.

raptor83 schrieb:Ich weiß gar nicht ob das so sicher ist. Der Golf, den er gekauft hat und der wohl immer noch die Kennzeichen vom Vorbesitzer hatte, wurde in Kassel abgestellt. Anscheinend hat der Vorbesitzer sein Fahrzeug angemeldet übergeben, was ich nicht nachvollziehen kann. Ist aber ein anderes Thema. Es ist wahrscheinlich, dass er ihn benutzt hat aber nicht unbedingt sicher.

Zumindest nutzte er offensichtlich nicht das Fahrzeug mit dem Telefon. Sonst hätte man anhand der Logindaten vlt. bestimmte Wegstrecken nachverfolgen können. Wenn ich mich noch richtig erinnere, loggten sich C-Netz Geräte damals schon automatisch in die verschiedenen Funkzellen ein. Beim A/B-Netz war das noch nicht der Fall. Um einen Teilnehmer zu erreichen, mußte man wissen, wo er sich ungefähr aufhielt, damit er angefunkt werden konnte.

Da die KriPo nichts darüber veröffentlichte, gehe ich mal davon aus, dass die Telefondaten nichts brauchbares ergaben. Ich denke, wenn der Fall noch irgendwie mit Hilfe der Öffentlichkeit gelöst werden soll, sind viel mehr Informationen über die Lebensumstände, Gewohnheiten und das Geschäftsgebaren des JS in der zeit vor seinem Verschwinden nötig. Vlt. gibt es ja auch Erkenntnisse, die aus ermittlungstaktischen Gründen oder zum Schutz der Privatsphäre zurückgehalten wurden. Auch diese könnten heute interesant sein, weil ja auch schon viele Jahre vergangen sind und es eig. keinen Grund mehr gibt, sie vorzuenthalten. Es ist schon eine seltsame Angewohnheit der Behörden, bei einigen cold cases die Öffentlichkeitsfahndung zu wagen und dann nie wieder einen neuen Versuch mit mehr Details zu starten. Mit dem heutigen Informationsstand bleibt dieser Fall sicherlich ungelöst.

@Slaterator
Er muss nicht zwingend ein Autotelefon gehabt haben. Es gab ja Modelle, die man mitnehmen konnte.

Slaterator schrieb:Mit dem heutigen Informationsstand bleibt dieser Fall sicherlich ungelöst.

Das fürchte ich auch.

raptor83 schrieb:Er muss nicht zwingend ein Autotelefon gehabt haben. Es gab ja Modelle, die man mitnehmen konnte.

Richtig. Ungefähre Laptopgröße, jedoch viel dicker, weit schwerer und mit Hörer an der Schnur daran. Er hätte das Ding sicher nicht in der Jackentasche transportiert. Auch hier keine Info der KriPo. Wo wurde das Telefon gefunden ? Wurde es gefunden ? Alles nicht wirklich sicher.

Hier so ein Gerät © Siemens Corporate Archives :



Es gab auch schon Mobilgeräte im C-Netz. Aber sowas hatte JS mutmaßlich nicht. Hier ist das C4, welches zw. 1990 und 94 vertrieben wurde:



© http://www.oebl.de/C-Netz/Geraete/Siemens/C4/C4.html

@Slaterator
Sicher ist wohl nur, dass er eins gehabt hat.

Ich denke, dass der Vermisste verschiedene Fahrzeuge verwendet hat. Da bietet sich eingentlich kein Festeinbau an.

raptor83 schrieb:Ich denke, dass der Vermisst verschiedene Fahrzeuge verwendet hat. Da bietet sich eingentlich kein Festeinbau an.

Das stimmt. Leider kommen wir so aber auch nicht weiter. Seine Wohnung war auf falschem Namen angemeldet, alles bezahlte er bar und im Voraus, Versicherungen (Krankenversicherung etc.) hatte er auch wohl nicht, Kein Konto, nur ein Schließfach. Auch das Telefon führt nicht weiter, die Dokumentation über seine Geschäfte, worüber er in einem Notizheft Aufzeichnungen führte, ist mit ihm verschwunden, er nutzte verschiedene Fahrzeuge, was Zeugenaussagen und Bewegungsprofile quasi unmöglich macht. Über Gewohnheiten, regelmäßig besuchte Orte, sein Umfeld, ggf. seine Liebschaften, seine Freunde, sein Werdegang angeht, ist auch nichts bekannt....Wo soll man da noch ansetzen ? Wir wissen eigentlich nichts. Nichtmal seine Leiche wurde gefunden. Im Grunde könnte er auch abgetaucht sein und sich irgendwo in Costa Rica oder Papua Neuginea die Sonne auf den Pelz scheinen lassen. Auch wenn letzteres unwahrscheinlich ist.

@Slaterator
Alles, was bekannt ist, stammt von Leuten, die mit ihm zu tun gehabt hatten bzw. eventuell auch nur von demjenigen, der ihn vermisst gemeldet hat.

Sein Name ist ja im Endeffekt nirgendwo aufgetaucht. Alles lief über Strohleute. Die Frage ist, ob die alle ausfindig gemacht werden konnten.

raptor83 schrieb:Alles, was bekannt ist, stammt von Leuten, die mit ihm zu tun gehabt hatten bzw. eventuell auch nur von demjenigen, der ihn vermisst gemeldet hat.

Sein Name ist ja im Endeffekt nirgendwo aufgetaucht. Alles lief über Strohleute. Die Frage ist, ob die alle ausfindig gemacht werden konnten.

Das wage ich mal stark zu bezweifeln. Er war umtriebig. Neben seinem Haupterwerb -dem Fahrzeughandel- (natürlich ohne Anmeldung und ohne Firmensitz) vergab er auf eigene Rechnung auch Kredite an Privatleute. Bekanntermaßen sehe ich gerade auch hier ein Tatmotiv. Und gerade dieser Bereich ist schwierig zu ermitteln. Die -mit seinem Verschwinden- schuldenfreien "Kunden" hatten schließlich keinerlei Interesse, irgendetwas zu den Ermittlungen beizutragen. JS Verschwinden kam ihnen schließlich sehr entgegen. Und ohne Notizheft gab es keine Kundendatei und keine Namen. Ähnliches gilt auch für den Fahrzeughandel.

War der Kollege, welcher ihn im XY Beitrag durch die Gegend fuhr eig. ein Mitarbeiter oder Freund ? So genau weiß man es nicht. Gab/gibt es noch irgendwo Familie ? Man weiß es nicht. Oh, oh, oh.... Ich sehe schwarz. So wird das nix.

@Slaterator
Vor allem Mitarbeiter... angeben kann er das ja auch nicht.

Das Grundproblem ist, dass man eigentlich fast gar nichts weiß.

Aus den von dir genannten Gründen werden diese Fälle von Geldverleihern wohl auch nie aufgeklärt. Der Fall Aras ist z.B. auch nicht aufgeklärt.

raptor83 schrieb:Das Grundproblem ist, dass man eigentlich fast gar nichts weiß.

Ja. Mir wird das gerade so richtig bewusst, wo ich versuche, alle verfügbaren Informationen nochmal strukturiert zu durchdenken. Da gibt es fast nichts. Es wird prinzipiell nur vieles angeschnitten. Fakten gibt es so gut wie keine. Zumindest nichts mit Ansatzpotenzial. Auch die Artikel geben nicht viel mehr her als der ohnehin faktenarme Beitrag. Wie gesagt...Ich sehe schwarz. Siehst Du noch irgendwo einen Ansatz ?

Slaterator schrieb:Siehst Du noch irgendwo einen Ansatz ?

Nicht wirklich, da er es ja geschafft hat, kaum Spuren zu hinterlassen. Wenn ihn der Freund oder Mitarbeiter nicht als vermisst gemeldet hätte, wäre nichtmal bekannt, dass er überhaupt verschwunden wäre. Im Endeffekt gibt es nichts.

raptor83 schrieb:Nicht wirklich, da er es ja geschafft hat, kaum Spuren zu hinterlassen. Wenn ihn der Freund oder Mitarbeiter nicht als vermisst gemeldet hätte, wäre nichtmal bekannt, dass er überhaupt verschwunden wäre. Im Endeffekt gibt es nichts.

Das sehe ich derzeit genauso. Der Fall ist wohl noch aussichtsloser als das BAB-Rätsel (YOGT´ZE). Ich wüßte auch nicht, wo man noch weitere Informationen darüber aquirieren könnte. Wenn bei JS eines Programm war, dann seine selbstgegebene Beschreibung (der Tote). Kein Wunder, dass bei den Ermittlungen auch tote Hose ist. Also im Moment habe ich keine weiteren Ideen und nichts weiter hinzuzufügen...

Ich denke, dass man ohne neue Zeugen/Informationen nicht wirklich weiter kommt. Alte „cold cases“ werden meist neu öffentlich aufgerollt, um neue Zeugenaussagen zu bekommen. Nach so langer Zeit werden wohl kaum mehr „klassische“ Zeugen mit neuen Infos wie „ah ja, ich hab im fraglichen Zeitraum zufällig folgende Beobachtung gemacht: ...“ auftauchen.
Leute, welche nach Jahrzehnten noch neue Infos liefern können, müssen daher eher zum Kreis mit Insider/Täterwissen gehören, welche bei den früheren Ermittlungen bewusst geschwiegen haben. Die Gründe dafür: sich selbst nicht belasten und/oder die Zeugen wurden von den Tätern zum schweigen gezwungen.

Die Argumente, um zu schweigen können sich aber im Laufe der Zeit erübrigt haben: Straftat verjährt oder kein „Druckmittel“ um zu schweigen mehr vorhanden.

Lange Rede, kurzer Sinn:
Genau hier liegt die Chance der Ermittler, Zeugen/Insider mit öffentlichem Aufrollen alter Fälle zu motivieren, doch noch auszusagen.
Was bei unserem Fall hier, mit all seinen „Kleinkriminellen Nebenschauplätzen“, sehr gut möglich ist...