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Der mysteriöse Mord an der Verleger-Witwe Helga Eckensberger

292 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Eckensberger Mord Braunschweig ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Lara1973 Diskussionsleiter
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Der mysteriöse Mord an der Verleger-Witwe Helga Eckensberger

13.03.2015 um 09:16
Hier mal ein suuuuuper spannder Mordfall aus den 70er Jahren.
Da ich aus der Region komme und die Braunschweiger-Zeitung zu meiner Tageslektüre gehört..
möchte ich diesen Fall mal hier einbringen. Es existieren sehr viele, interessante Artikel, die sich allesamt wie ein Krimi lesen lassen und viel Raum für Spekulationen lassen...
Vielleicht mag ja jemand miträtseln...


Mordfall Eckensberger: Ein Teil im dunkeln

Der mysteriöse Tod der Verleger-Witwe vor dem Braunschweiger Schwurgericht

Nach dem Abendessen, gegen 20 Uhr, bestieg Volkmar Weilguny im Taunusort Falkenstein, wo er gelegentlich beschäftigt war, seinen Mercedes 220 SE, Kennzeichen MB-Y 199, und fuhr rund 600 Kilometer weit nach Trappenkamp bei Bad Segeberg in Schleswig-Holstein, um seine Freundin Ursula Winkler zu besuchen.

Als er dort nachts um 1.30 Uhr klingelte, hatte er auch etwas mitgebracht: 5000 Mark, die er dem Mädchen als Darlehen versprochen hatte, und eine Flasche "Black and White". Das Paar trank, tanzte nach Dixielandmusik und schlief miteinander. Doch nur kurz: Vor sechs schon mußte Weilguny wieder aus dem Bett, "etwas auskundschaften", in Braunschweig. Und weil er dabei "nicht gesehen werden" wollte, stellte ihm die Freundin ihren VW-Käfer SE-H 849 zur Verfügung.

Es war Sonnabend, der 27. Oktober 1973, als Weilguny kurz vor neun in Braunschweig eintraf. Er parkte den Wagen am Ritterbrunnen nahe dem Zentrum, marschierte den Steinweg entlang, am Staatstheater vorbei, stand dann in der Bismarckstraße vor der Nummer 14, beobachtete das Haus eine Weile und kam zu dem Ergebnis, da oben im dritten Stock sei niemand in der Wohnung. "Daß da niemand sei", war ihm schließlich auch gesagt worden, wie er, so Ursula Winkler, hinterher erzählte.

Weilguny stieg die Treppe hoch, schloß die Flurtür auf, ging durch den Korridor ins Wohnzimmer und war gerade vor einem Sofa angelangt, als er hinter sich Schritte hörte. Da drehte er sich einfach um und "wischte der Person eine

Die Person war eine ältere Dame, die von dem Schlag einen schiefen Mund bekam und umzufallen drohte; Weilguny konnte sie gerade noch schräg auf das Sofa legen. Im ersten Moment war Ruhe, bald aber hatte die Dame sich wieder "berappelt" und schrie. Weilguny nahm ein Kissen, legte es auf ihr Gesicht und drückte zu.

Nachmittags um halb vier war Weilguny bereits zurück in Trappenkamp, 2000 Mark aus einer Handtasche und drei Ringe vom Sofatisch hatte er in Braunschweig mitgehen lassen. "Abwesend, ja fast apathisch" berichtete er, daß "einiges schiefgelaufen" sei, alles habe sich "ganz anders abgewickelt" als geplant. Immerhin, das sein Trost, nun sei "mit einem Rutsch alles erledigt".

Was erledigt war, wurde 48 Stunden später entdeckt: Leute von der "Braunschweiger Zeitung" fanden Helga Eckensberger, 57, die Herausgeberin des Blattes, tot und noch immer gegen das Sofa gelehnt in ihrer Wohnung, mit Würgemalen am Hals, Quetschungen an den Armen und im Gesicht; Zungenbein und Kehlkopf waren durchbrochen.

Da war für Ursula Winkler, die davon las, "dieser Fall sonnenklar". Was sie der Polizei über ihr Weekend mit Weilguny berichtete, erzählte schließlich, "erregt und Tränen in den Augen", Weilguny, als er in Untersuchungshaft genommen war, ebenfalls. Und im Hofoldinger Forst, südlich von München, führte er Kriminalbeamte an die Stelle, wo er unter einer Buche die drei Ringe der Helga Eckensberger vergraben hatte, Wert: 659 000 Mark.

Des Mordes angeklagt, wird Volkmar Weilguny, 30, von Montag kommender Woche an vor dem Braunschweiger Schwurgericht der Prozeß gemacht. Zwar stehen für Generalstaatsanwalt Heinrich Kintzi die "Beweise für die Tat außer Zweifel", aber so sonnenklar ist der Fall für ihn deshalb noch keineswegs: "Das zu sagen, wäre anmaßend."

Denn daß Weilguny quer durch Deutschland gereist ist, nur um -- ohne erkennbares Motiv, aber mit offenbar passendem Schlüssel -- schnurstracks in die ihm unbekannte Wohnung einer ihm fremden Frau zu spazieren, "das wäre", so findet der Generalstaatsanwalt, "zu simpel". Kintzi: "Mir behagt diese einfache Lösung nicht so ganz. Von sich aus hat er das wohl nicht gemacht." Und: "Zu 51 Prozent gab es einen Auftraggeber."

Aber wen, und warum? "Ein Teil des Geschehens", gibt Kintzi zu, "liegt nach wie vor im dunkeln." Und zur Erhellung hat weder einer der 72 Zeugen, die im Prozeß gehört werden sollen, noch die Kleinarbeit der Polizei, die nicht weniger als 68 Spurenakten anlegte, bislang Wesentliches beigetragen. Auch Weilguny selber nicht: Es sei, beklagte er sich vor Polizeibeamten, "alles so problematisch", und "Angaben zur Vorgeschichte" werde er nie und nimmer machen.

Problematisch erscheint in der Tat manches am Tode der rotblonden Helga Eckensberger, deren persönliche Hinterlassenschaft auf 15 Millionen Mark geschätzt wird, die außer ihrer Braunschweiger Wohnung ein Appartement in Paris und das Chateau d'Eternes nebst Weinberg an der Loire besaß, die Stippvisiten mal in Casablanca, mal in Florenz machte, die perfekt Französisch sprach und ihren Diener Ernst in Frankreich sogleich Ernest zu rufen pflegte, die einerseits so zurückhaltend war, daß sie sich überwinden mußte, zu den Redakteuren ihrer Zeitung wenigstens die notwendigsten Kontakte zu halten, aber auch so aufgeräumt sein konnte, daß sie den Korn wie ein Kutscher kippte.

Problematisch für manche Eingeweihte vor allem: Mit dem Tod von Helga Eckensberger, die als Herausgeberin der "Braunschweiger Zeitung" (Auflage: 153 634; Jahresgewinn knapp zehn Millionen Mark) und Geschäftsführerin des Zeitungsverlags Eckensberger & Co. fungiert hatte, fiel der 60-Prozent-Anteil, den sie an dem Unternehmen gehalten hatte, an eine Familie namens Voigt -- Mutter Isolde Voigt, 77, Söhne Arndt, 50, und Henning, 46.

Laut Arndt Voigt hat die Familie dafür zwar "gemäß eines vereinbarten Bewertungsmodus" eine, auf steuerlichen Bewertungssätzen basierende "Auseinandersetzungsschuld" an eine Stiftung zu zahlen, dies jedoch, so Henning Voigt, zu einem "Vorzugskurs", der firmenhistorische Gründe hat: Die Voigts betrieben vor dem Kriege in Braunschweig drei Zeitungen, mit denen sie ihre Druckereien dort auslasten konnten. Nach dem Krieg erhielt der ehemalige Voigt-Journalist Hans Eckensberger, NS-Gegner und damals mit einer Jüdin verheiratet, die Lizenz Nr. 2 der britischen Besatzungsmacht und gründete die "Braunschweiger Zeitung".

Eckensberger, der 1966 starb, ließ sein Blatt in der Voigt-Druckerei Limbach drucken, an der er mit 20 Prozent beteiligt wurde, während er den Voigts, die seinerzeit ihren Zeitungstitel in die Gesellschaft eingebracht hatten, 20 Prozent an seinem eigenen Verlag einräumte -- dies mit der Maßgabe, daß seine und seiner (zweiten) Frau Anteile nach ihrem Tod an Voigts fallen sollten. Henning Voigt: "Das war ein fairer Ausgleich."

Jedenfalls sprach der Branchen-Dienst "Kress-Report" von einer für die Familie Voigt "goldenen Klausel" im Gesellschaftsvertrag, und: "Die bekommen das praktisch für "n Butterbrot", findet auch der Braunschweiger Unternehmer Bodo Schintzel, 49, langjähriger persönlicher und Geschäftsfreund der Eckensbergers. Generalstaatsanwalt Kintzi meint, der Preis, den Voigts zu entrichten haben, sei jedenfalls "nicht so hoch, daß sie davon Nachteile hätten".

Daß sich der Staatsanwalt zu dieser Frage äußert, hat seinen Grund: Die Voigts wohnen in jenem Taunusort Falkenstein, von wo Volkmar Weilguny an jenem Abend im Oktober aufbrach, und Voigts sind auch die Leute, bei denen er aushilfsweise beschäftigt war, mal als Fahrer von Frau Isolde, mal in Geschäften von Sohn Henning.

Den Kontakt hatte einst, im Mai 1966, Arndt Voigt geknüpft, als er bei einem Besuch seiner sächsischen Heimat zufällig mit Weilguny zusammentraf. "Hören Sie mal, ich habe alte Autos", gab Weilguny an, und Arndt Voigt gab ihm die Adresse seines Bruders Henning, Liebhaber von Oldtimern, von denen er mittlerweile zwei auch besitzt -- allerdings keinen von Weilguny.

Immerhin fand Weilguny, gelernter Chemiearbeiter, der in Dresden den mütterlichen Betrieb leitete, ehe er im November 1972 mit Inventar die DDR verlassen durfte, hin und wieder Zeit, bei den Voigts in Falkenstein vorbeizukommen, und alle fanden, daß er ein junger Mann aus gutem Hause war, mit dem sich reden ließ.

So kam es auch dazu, daß sich Isolde und Henning Voigt -- Arndt lebt in Hamburg und fabriziert Jagdwaffen -- des Volkmar Weilguny hilfsbereit annahmen, als der vor zwei Jahren mit seiner Frau Ingrid ins oberbayrische Otterfing zog. Erst arbeitete er als Handelsvertreter der Firma Voigt Büromaschinen KG in München, dann, durch Voigt-Vermittlung, bei der Allgäuer Müllcontainer-Firma Altvater" erledigte, so Weilguny vor der Polizei, "für die Familie Voigt gelegentliche Aufträge" und befaßte sich laut Staatsanwaltschaft auch "mit dem An- und Verkauf wertvoller Schmuckgegenstände".

So ging Weilguny etwa mit einem Smaragdcollier auf Reisen, das er mal als Eigentum seiner Mutter für 800 000 Mark, mal als Familienerbstück für 650 000 Mark, mal im Auftrag von Henning Voigt zum Kauf anbot. Auch war er, wie ermittelt wurde, "in Geschäfte um einen sogenannten Deepden-Diamanten eingeschaltet", einen kanariengelben Stein im Wert von mehr als drei Millionen Mark, den eine Prinzessin Margaloff, die in Salzburg einen kleinen Laden betrieb, Ende 1972 der Helga Eckensberger schmackhaft machen wollte. Aber die Verlegerin habe, so laut Zeugen, der Prinzessin nur geantwortet: "Ach, der Weilguny hat mir ja den Deepden schon angeboten."

Wie auch immer: Wegen Weilgunys Kontakte zur Familie Voigt einerseits und wegen, andererseits, der Beziehungen der Familie Voigt zu Helga Eckensberger hielt es die Staatsanwaltschaft für angezeigt, "Ermittlungen auch in diesem Bereich" zu führen und die Voigts, Henning vorübergehend sogar als Beschuldigten, gründlicher einzuvernehmen -- ergebnislos: "Es gibt keinen einzigen konkreten Anhaltspunkt", räumt Generalstaatsanwalt Kintzi ein, "daß sie mit der Tat in irgendeinem Zusammenhang stehen."

Henning Voigt machte den Beamten im Verhör klar, daß er es nicht nötig habe, sich auf so primitive Weise Geld zu verschaffen, er habe schließlich selbst genug. Aber er gesteht der Polizei auch zu: "Natürlich bin ich in einer Scheißsituation. Die haben die Pflicht, mich zu verdächtigen." Arndt Voigt beeilte sich sogar, im Namen der Familie auf Seite eins der "Braunschweiger Zeitung" mitzuteilen: "Wir haben mit dem Tode von Frau Eckensberger nicht das geringste zu tun."

Wer damit außer Weilguny zu tun haben könnte -- die Beantwortung dieser Frage ist in der ehemaligen Residenz Braunschweig unterdes zum Gesellschafts-Spiel geworden. Und nicht nur dort: Freunde der Eckensbergers in aller Welt gingen unter die Privatdetektive und trugen in langen Briefen den Behörden jeweils ihre Version über die denkbaren Hintergründe des Falles vor, mit dem Resultat, daß jeder jedem alles zutraut. "Es wird viel geredet, es gibt viel Kulissenklatsch", klagt die Staatsanwaltschaft, "viele haben sich unsere Köpfe zerbrochen."

Da wird seitenweise aufgezählt, wer alles einen finanziellen Nutzen vom Tod der Verlegerin sich hätte ausrechnen können, und es wird, vor allem, beklagt, daß von der so ergiebigen Hinterlassenschaft bislang gerade 100 000 Mark an die Stiftung und lumpige 8000 Mark an Legaten gezahlt worden seien

und die Staatsanwaltschaft wird mit dem "alten kriminalistischen Lehrsatz" vertraut gemacht: "Wo das Geld ist, da ist auch der Täter."

Das Testament der Helga Eckensberger bestimmt, daß ihr alleiniger Erbe die Stiftung sein soll, die kulturellen, wissenschaftlichen, sozialen und karitativen Zwecken im Verbreitungsgebiet der "Braunschweiger Zeitung", etwa identisch mit dem ehemaligen Land Braunschweig, dienen soll. Mit der Errichtung der Stiftung wurde in dem letzten Willen der Testamentsvollstrecker Dr. Ernest Boas in Lausanne betraut.

Außerdem nennt das Testament etwa 20 Personen, denen monatliche Legate bis zu 500 Mark gezahlt und zwei Personen, denen einmalige Zahlungen geleistet werden sollen, nämlich den Chefredakteur des Eckensberger-Blattes, Hans-Jürgen Heidebrecht, mit 200 000 Mark, und den Vermögensberater Octave de Juniac mit drei Millionen Mark, beide Beträge steuerfrei. Schließlich ist bestimmt, daß Familien- und Geschäftsfreund Bodo Schintzel das Chateau d'Eternes zu einem Freundschaftspreis zum Kauf anzubieten sei.

Wo nun all das Geld steckt, das da verteilt werden soll, wissen freilich nur wenige: Das meiste liegt auf ausländischen Konten (vor allem in Frankreich), die wegen rein rechtlicher Unklarheiten gesperrt sind. In diesem Zusammenhang spielt etwa die Frage eine Rolle, welchen Hauptwohnsitz, Frankreich oder Braunschweig, die Verlegerin denn nun eigentlich hatte -- je nach Auslegung stehen fällige Steuern dem einen oder dem anderen Fiskus zu.

Und weil Helga Eckensberger ahnte, daß es da eines Todestages Schwierigkeiten geben könnte, hatte sie für den 15. Dezember 1973 -- sieben Wochen vorher wurde sie getötet -- einen Termin in Paris anberaumt, bei dem ihr Testament entsprechend geändert werden sollte. Dazu ist es nicht mehr gekommen -- Folge: Der Testamentsvollstrecker kann nur jene Gelder auszahlen, über die er derzeit verfügt, etwa 1,7 Millionen Mark, die der Verkaut von Schmuck (Versicherungswert: knapp vier Millionen Mark) der Toten erbrachte.

Jedoch, was diese Querelen betrifft, zeigt sich die Staatsanwaltschaft desinteressiert: "Das ist für uns wenig aufschlußreich, wir sehen da keinen Zusammenhang mit der Tat." Und genug anderes ist schließlich auch noch ungeklärt, so beispielsweise die Frage, ob Weilguny nicht doch zu Recht der Meinung war, daß niemand in der Wohnung sein konnte, in die er sich Eintritt verschaffte: An jenem Wochenende nämlich hatte Helga Eckensberger eigentlich auf der Antiquitätenmesse in München sein und anschließend zu einer Freundin nach Salzburg fahren wollen, das Schlafwagenabteil war schon reserviert.

Und so wurden, nicht genug des Mysteriösen, auf dem Nachttisch in der Eckensberger-Wohnung aus dem SPIEGEL ausgeschnittene Bilder des Dr. Richard Meier, Abteilungsleiter beim Bundesnachrichtendienst" und eines Bielefelder Amtsrichters gefunden, die niemand dort vorher gesehen hatte -- und keiner der Abgebildeten hat auch je mit Helga Eckensberger etwas zu schaffen gehabt.

So gibt es die Mitteilung des in London lebenden Vermögensberaters de Juniac, die Verlegerin habe ihm bei einem Telephonat am Abend vor ihrem Tod erzählt, sie erwarte am Sonnabend amerikanischen Besuch aus Berlin, den "John" arrangiert habe. Weder aber kam der Besuch, noch ist geklärt, wer John ist, von dem, so Freunde, Helga Eckensberger "egalweg" redete -- die Staatsanwaltschaft hegt unterdes "Zweifel an dessen Existenz" und gruppiert ihn als "Hirngespinst" ein, obschon sie immer noch nach ihm fahndet.

Ungeklärt ist auch, was Helga Eckensberger veranlaßt haben mag, gegen ihre Gewohnheit ausgerechnet an einem Sonnabendmorgen nicht -- wie sonst tagelang und selbst bei geschäftlichen Besprechungen in ihrer Wohnung -- ein Negligé zu tragen, sondern angezogen war, "als wollte sie ins Theater gehen" (Eckensberger-Freund Schintzel).

Daß sie sich so komplett gekleidet hat, nur um vielleicht ihren Yorkshire-Terrier "Moustache" auszuführen, den sie "Püppilinchen" nannte, erscheint gleichfalls ausgeschlossen: " Da hätte sie", so Schintzel, "eher den Verlagsleiter zu sich kommen lassen und ihn gebeten, mal mit dem Hund runterzugehen." Und: "Nein, nein, sie hat jemanden erwartet."

Unwahrscheinlich aber auch das. Denn weil sie mal wieder Schmerzen im Rücken verspürte und deshalb auch eine lederne Halsmanschette angelegt hatte, war sie offenkundig entschlossen, das Wochenende überwiegend im Bett zu verbringen. Wohl zu diesem Zweck hatte sie sich tags zuvor eigens einen Fernseher mi Schlafzimmer installieren lassen.

Und schließlich ließ sie so schnell niemanden in die Wohnung. Wenn es klingelte, versicherte sie sich umständlich, wer denn wirklich draußen stand, ehe sie den zusätzlich angebrachten Sicherheitsriegel an der Wohnungstür öffnete -- was die Staatsanwaltschaft schließen ließ, Weilguny hätte auch mit einem Schlüssel nur eindringen können, wenn sich Helga Eckensberger "außerhalb ihrer Wohnung aufgehalten hätte".

Diese Feststellung freilich vermehrt das Dunkel noch, anstatt es zu vermindern. Aber der Staatsanwaltschaft scheint es ergangen zu sein wie beispielsweise Henning Voigt: "Man kommt bei allen Überlegungen in dieser Sache an einen Punkt, da geht's nicht mehr."

DER SPIEGEL 46/1974
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Mordfall Eckensberger: Ein Teil im dunkeln

Der mysteriöse Tod der Verleger-Witwe vor dem Braunschweiger Schwurgericht

Nach dem Abendessen, gegen 20 Uhr, bestieg Volkmar Weilguny im Taunusort Falkenstein, wo er gelegentlich beschäftigt war, seinen Mercedes 220 SE, Kennzeichen MB-Y 199, und fuhr rund 600 Kilometer weit nach Trappenkamp bei Bad Segeberg in Schleswig-Holstein, um seine Freundin Ursula Winkler zu besuchen.

Als er dort nachts um 1.30 Uhr klingelte, hatte er auch etwas mitgebracht: 5000 Mark, die er dem Mädchen als Darlehen versprochen hatte, und eine Flasche "Black and White". Das Paar trank, tanzte nach Dixielandmusik und schlief miteinander. Doch nur kurz: Vor sechs schon mußte Weilguny wieder aus dem Bett, "etwas auskundschaften", in Braunschweig. Und weil er dabei "nicht gesehen werden" wollte, stellte ihm die Freundin ihren VW-Käfer SE-H 849 zur Verfügung.

Es war Sonnabend, der 27. Oktober 1973, als Weilguny kurz vor neun in Braunschweig eintraf. Er parkte den Wagen am Ritterbrunnen nahe dem Zentrum, marschierte den Steinweg entlang, am Staatstheater vorbei, stand dann in der Bismarckstraße vor der Nummer 14, beobachtete das Haus eine Weile und kam zu dem Ergebnis, da oben im dritten Stock sei niemand in der Wohnung. "Daß da niemand sei", war ihm schließlich auch gesagt worden, wie er, so Ursula Winkler, hinterher erzählte.

Weilguny stieg die Treppe hoch, schloß die Flurtür auf, ging durch den Korridor ins Wohnzimmer und war gerade vor einem Sofa angelangt, als er hinter sich Schritte hörte. Da drehte er sich einfach um und "wischte der Person eine

Die Person war eine ältere Dame, die von dem Schlag einen schiefen Mund bekam und umzufallen drohte; Weilguny konnte sie gerade noch schräg auf das Sofa legen. Im ersten Moment war Ruhe, bald aber hatte die Dame sich wieder "berappelt" und schrie. Weilguny nahm ein Kissen, legte es auf ihr Gesicht und drückte zu.

Nachmittags um halb vier war Weilguny bereits zurück in Trappenkamp, 2000 Mark aus einer Handtasche und drei Ringe vom Sofatisch hatte er in Braunschweig mitgehen lassen. "Abwesend, ja fast apathisch" berichtete er, daß "einiges schiefgelaufen" sei, alles habe sich "ganz anders abgewickelt" als geplant. Immerhin, das sein Trost, nun sei "mit einem Rutsch alles erledigt".

Was erledigt war, wurde 48 Stunden später entdeckt: Leute von der "Braunschweiger Zeitung" fanden Helga Eckensberger, 57, die Herausgeberin des Blattes, tot und noch immer gegen das Sofa gelehnt in ihrer Wohnung, mit Würgemalen am Hals, Quetschungen an den Armen und im Gesicht; Zungenbein und Kehlkopf waren durchbrochen.

Da war für Ursula Winkler, die davon las, "dieser Fall sonnenklar". Was sie der Polizei über ihr Weekend mit Weilguny berichtete, erzählte schließlich, "erregt und Tränen in den Augen", Weilguny, als er in Untersuchungshaft genommen war, ebenfalls. Und im Hofoldinger Forst, südlich von München, führte er Kriminalbeamte an die Stelle, wo er unter einer Buche die drei Ringe der Helga Eckensberger vergraben hatte, Wert: 659 000 Mark.

Des Mordes angeklagt, wird Volkmar Weilguny, 30, von Montag kommender Woche an vor dem Braunschweiger Schwurgericht der Prozeß gemacht. Zwar stehen für Generalstaatsanwalt Heinrich Kintzi die "Beweise für die Tat außer Zweifel", aber so sonnenklar ist der Fall für ihn deshalb noch keineswegs: "Das zu sagen, wäre anmaßend."

Denn daß Weilguny quer durch Deutschland gereist ist, nur um -- ohne erkennbares Motiv, aber mit offenbar passendem Schlüssel -- schnurstracks in die ihm unbekannte Wohnung einer ihm fremden Frau zu spazieren, "das wäre", so findet der Generalstaatsanwalt, "zu simpel". Kintzi: "Mir behagt diese einfache Lösung nicht so ganz. Von sich aus hat er das wohl nicht gemacht." Und: "Zu 51 Prozent gab es einen Auftraggeber."

Aber wen, und warum? "Ein Teil des Geschehens", gibt Kintzi zu, "liegt nach wie vor im dunkeln." Und zur Erhellung hat weder einer der 72 Zeugen, die im Prozeß gehört werden sollen, noch die Kleinarbeit der Polizei, die nicht weniger als 68 Spurenakten anlegte, bislang Wesentliches beigetragen. Auch Weilguny selber nicht: Es sei, beklagte er sich vor Polizeibeamten, "alles so problematisch", und "Angaben zur Vorgeschichte" werde er nie und nimmer machen.

Problematisch erscheint in der Tat manches am Tode der rotblonden Helga Eckensberger, deren persönliche Hinterlassenschaft auf 15 Millionen Mark geschätzt wird, die außer ihrer Braunschweiger Wohnung ein Appartement in Paris und das Chateau d'Eternes nebst Weinberg an der Loire besaß, die Stippvisiten mal in Casablanca, mal in Florenz machte, die perfekt Französisch sprach und ihren Diener Ernst in Frankreich sogleich Ernest zu rufen pflegte, die einerseits so zurückhaltend war, daß sie sich überwinden mußte, zu den Redakteuren ihrer Zeitung wenigstens die notwendigsten Kontakte zu halten, aber auch so aufgeräumt sein konnte, daß sie den Korn wie ein Kutscher kippte.

Problematisch für manche Eingeweihte vor allem: Mit dem Tod von Helga Eckensberger, die als Herausgeberin der "Braunschweiger Zeitung" (Auflage: 153 634; Jahresgewinn knapp zehn Millionen Mark) und Geschäftsführerin des Zeitungsverlags Eckensberger & Co. fungiert hatte, fiel der 60-Prozent-Anteil, den sie an dem Unternehmen gehalten hatte, an eine Familie namens Voigt -- Mutter Isolde Voigt, 77, Söhne Arndt, 50, und Henning, 46.

Laut Arndt Voigt hat die Familie dafür zwar "gemäß eines vereinbarten Bewertungsmodus" eine, auf steuerlichen Bewertungssätzen basierende "Auseinandersetzungsschuld" an eine Stiftung zu zahlen, dies jedoch, so Henning Voigt, zu einem "Vorzugskurs", der firmenhistorische Gründe hat: Die Voigts betrieben vor dem Kriege in Braunschweig drei Zeitungen, mit denen sie ihre Druckereien dort auslasten konnten. Nach dem Krieg erhielt der ehemalige Voigt-Journalist Hans Eckensberger, NS-Gegner und damals mit einer Jüdin verheiratet, die Lizenz Nr. 2 der britischen Besatzungsmacht und gründete die "Braunschweiger Zeitung".

Eckensberger, der 1966 starb, ließ sein Blatt in der Voigt-Druckerei Limbach drucken, an der er mit 20 Prozent beteiligt wurde, während er den Voigts, die seinerzeit ihren Zeitungstitel in die Gesellschaft eingebracht hatten, 20 Prozent an seinem eigenen Verlag einräumte -- dies mit der Maßgabe, daß seine und seiner (zweiten) Frau Anteile nach ihrem Tod an Voigts fallen sollten. Henning Voigt: "Das war ein fairer Ausgleich."

Jedenfalls sprach der Branchen-Dienst "Kress-Report" von einer für die Familie Voigt "goldenen Klausel" im Gesellschaftsvertrag, und: "Die bekommen das praktisch für "n Butterbrot", findet auch der Braunschweiger Unternehmer Bodo Schintzel, 49, langjähriger persönlicher und Geschäftsfreund der Eckensbergers. Generalstaatsanwalt Kintzi meint, der Preis, den Voigts zu entrichten haben, sei jedenfalls "nicht so hoch, daß sie davon Nachteile hätten".

Daß sich der Staatsanwalt zu dieser Frage äußert, hat seinen Grund: Die Voigts wohnen in jenem Taunusort Falkenstein, von wo Volkmar Weilguny an jenem Abend im Oktober aufbrach, und Voigts sind auch die Leute, bei denen er aushilfsweise beschäftigt war, mal als Fahrer von Frau Isolde, mal in Geschäften von Sohn Henning.

Den Kontakt hatte einst, im Mai 1966, Arndt Voigt geknüpft, als er bei einem Besuch seiner sächsischen Heimat zufällig mit Weilguny zusammentraf. "Hören Sie mal, ich habe alte Autos", gab Weilguny an, und Arndt Voigt gab ihm die Adresse seines Bruders Henning, Liebhaber von Oldtimern, von denen er mittlerweile zwei auch besitzt -- allerdings keinen von Weilguny.

Immerhin fand Weilguny, gelernter Chemiearbeiter, der in Dresden den mütterlichen Betrieb leitete, ehe er im November 1972 mit Inventar die DDR verlassen durfte, hin und wieder Zeit, bei den Voigts in Falkenstein vorbeizukommen, und alle fanden, daß er ein junger Mann aus gutem Hause war, mit dem sich reden ließ.

So kam es auch dazu, daß sich Isolde und Henning Voigt -- Arndt lebt in Hamburg und fabriziert Jagdwaffen -- des Volkmar Weilguny hilfsbereit annahmen, als der vor zwei Jahren mit seiner Frau Ingrid ins oberbayrische Otterfing zog. Erst arbeitete er als Handelsvertreter der Firma Voigt Büromaschinen KG in München, dann, durch Voigt-Vermittlung, bei der Allgäuer Müllcontainer-Firma Altvater" erledigte, so Weilguny vor der Polizei, "für die Familie Voigt gelegentliche Aufträge" und befaßte sich laut Staatsanwaltschaft auch "mit dem An- und Verkauf wertvoller Schmuckgegenstände".

So ging Weilguny etwa mit einem Smaragdcollier auf Reisen, das er mal als Eigentum seiner Mutter für 800 000 Mark, mal als Familienerbstück für 650 000 Mark, mal im Auftrag von Henning Voigt zum Kauf anbot. Auch war er, wie ermittelt wurde, "in Geschäfte um einen sogenannten Deepden-Diamanten eingeschaltet", einen kanariengelben Stein im Wert von mehr als drei Millionen Mark, den eine Prinzessin Margaloff, die in Salzburg einen kleinen Laden betrieb, Ende 1972 der Helga Eckensberger schmackhaft machen wollte. Aber die Verlegerin habe, so laut Zeugen, der Prinzessin nur geantwortet: "Ach, der Weilguny hat mir ja den Deepden schon angeboten."

Wie auch immer: Wegen Weilgunys Kontakte zur Familie Voigt einerseits und wegen, andererseits, der Beziehungen der Familie Voigt zu Helga Eckensberger hielt es die Staatsanwaltschaft für angezeigt, "Ermittlungen auch in diesem Bereich" zu führen und die Voigts, Henning vorübergehend sogar als Beschuldigten, gründlicher einzuvernehmen -- ergebnislos: "Es gibt keinen einzigen konkreten Anhaltspunkt", räumt Generalstaatsanwalt Kintzi ein, "daß sie mit der Tat in irgendeinem Zusammenhang stehen."

Henning Voigt machte den Beamten im Verhör klar, daß er es nicht nötig habe, sich auf so primitive Weise Geld zu verschaffen, er habe schließlich selbst genug. Aber er gesteht der Polizei auch zu: "Natürlich bin ich in einer Scheißsituation. Die haben die Pflicht, mich zu verdächtigen." Arndt Voigt beeilte sich sogar, im Namen der Familie auf Seite eins der "Braunschweiger Zeitung" mitzuteilen: "Wir haben mit dem Tode von Frau Eckensberger nicht das geringste zu tun."

Wer damit außer Weilguny zu tun haben könnte -- die Beantwortung dieser Frage ist in der ehemaligen Residenz Braunschweig unterdes zum Gesellschafts-Spiel geworden. Und nicht nur dort: Freunde der Eckensbergers in aller Welt gingen unter die Privatdetektive und trugen in langen Briefen den Behörden jeweils ihre Version über die denkbaren Hintergründe des Falles vor, mit dem Resultat, daß jeder jedem alles zutraut. "Es wird viel geredet, es gibt viel Kulissenklatsch", klagt die Staatsanwaltschaft, "viele haben sich unsere Köpfe zerbrochen."

Da wird seitenweise aufgezählt, wer alles einen finanziellen Nutzen vom Tod der Verlegerin sich hätte ausrechnen können, und es wird, vor allem, beklagt, daß von der so ergiebigen Hinterlassenschaft bislang gerade 100 000 Mark an die Stiftung und lumpige 8000 Mark an Legaten gezahlt worden seien

und die Staatsanwaltschaft wird mit dem "alten kriminalistischen Lehrsatz" vertraut gemacht: "Wo das Geld ist, da ist auch der Täter."

Das Testament der Helga Eckensberger bestimmt, daß ihr alleiniger Erbe die Stiftung sein soll, die kulturellen, wissenschaftlichen, sozialen und karitativen Zwecken im Verbreitungsgebiet der "Braunschweiger Zeitung", etwa identisch mit dem ehemaligen Land Braunschweig, dienen soll. Mit der Errichtung der Stiftung wurde in dem letzten Willen der Testamentsvollstrecker Dr. Ernest Boas in Lausanne betraut.

Außerdem nennt das Testament etwa 20 Personen, denen monatliche Legate bis zu 500 Mark gezahlt und zwei Personen, denen einmalige Zahlungen geleistet werden sollen, nämlich den Chefredakteur des Eckensberger-Blattes, Hans-Jürgen Heidebrecht, mit 200 000 Mark, und den Vermögensberater Octave de Juniac mit drei Millionen Mark, beide Beträge steuerfrei. Schließlich ist bestimmt, daß Familien- und Geschäftsfreund Bodo Schintzel das Chateau d'Eternes zu einem Freundschaftspreis zum Kauf anzubieten sei.

Wo nun all das Geld steckt, das da verteilt werden soll, wissen freilich nur wenige: Das meiste liegt auf ausländischen Konten (vor allem in Frankreich), die wegen rein rechtlicher Unklarheiten gesperrt sind. In diesem Zusammenhang spielt etwa die Frage eine Rolle, welchen Hauptwohnsitz, Frankreich oder Braunschweig, die Verlegerin denn nun eigentlich hatte -- je nach Auslegung stehen fällige Steuern dem einen oder dem anderen Fiskus zu.

Und weil Helga Eckensberger ahnte, daß es da eines Todestages Schwierigkeiten geben könnte, hatte sie für den 15. Dezember 1973 -- sieben Wochen vorher wurde sie getötet -- einen Termin in Paris anberaumt, bei dem ihr Testament entsprechend geändert werden sollte. Dazu ist es nicht mehr gekommen -- Folge: Der Testamentsvollstrecker kann nur jene Gelder auszahlen, über die er derzeit verfügt, etwa 1,7 Millionen Mark, die der Verkaut von Schmuck (Versicherungswert: knapp vier Millionen Mark) der Toten erbrachte.

Jedoch, was diese Querelen betrifft, zeigt sich die Staatsanwaltschaft desinteressiert: "Das ist für uns wenig aufschlußreich, wir sehen da keinen Zusammenhang mit der Tat." Und genug anderes ist schließlich auch noch ungeklärt, so beispielsweise die Frage, ob Weilguny nicht doch zu Recht der Meinung war, daß niemand in der Wohnung sein konnte, in die er sich Eintritt verschaffte: An jenem Wochenende nämlich hatte Helga Eckensberger eigentlich auf der Antiquitätenmesse in München sein und anschließend zu einer Freundin nach Salzburg fahren wollen, das Schlafwagenabteil war schon reserviert.

Und so wurden, nicht genug des Mysteriösen, auf dem Nachttisch in der Eckensberger-Wohnung aus dem SPIEGEL ausgeschnittene Bilder des Dr. Richard Meier, Abteilungsleiter beim Bundesnachrichtendienst" und eines Bielefelder Amtsrichters gefunden, die niemand dort vorher gesehen hatte -- und keiner der Abgebildeten hat auch je mit Helga Eckensberger etwas zu schaffen gehabt.

So gibt es die Mitteilung des in London lebenden Vermögensberaters de Juniac, die Verlegerin habe ihm bei einem Telephonat am Abend vor ihrem Tod erzählt, sie erwarte am Sonnabend amerikanischen Besuch aus Berlin, den "John" arrangiert habe. Weder aber kam der Besuch, noch ist geklärt, wer John ist, von dem, so Freunde, Helga Eckensberger "egalweg" redete -- die Staatsanwaltschaft hegt unterdes "Zweifel an dessen Existenz" und gruppiert ihn als "Hirngespinst" ein, obschon sie immer noch nach ihm fahndet.

Ungeklärt ist auch, was Helga Eckensberger veranlaßt haben mag, gegen ihre Gewohnheit ausgerechnet an einem Sonnabendmorgen nicht -- wie sonst tagelang und selbst bei geschäftlichen Besprechungen in ihrer Wohnung -- ein Negligé zu tragen, sondern angezogen war, "als wollte sie ins Theater gehen" (Eckensberger-Freund Schintzel).

Daß sie sich so komplett gekleidet hat, nur um vielleicht ihren Yorkshire-Terrier "Moustache" auszuführen, den sie "Püppilinchen" nannte, erscheint gleichfalls ausgeschlossen: " Da hätte sie", so Schintzel, "eher den Verlagsleiter zu sich kommen lassen und ihn gebeten, mal mit dem Hund runterzugehen." Und: "Nein, nein, sie hat jemanden erwartet."

Unwahrscheinlich aber auch das. Denn weil sie mal wieder Schmerzen im Rücken verspürte und deshalb auch eine lederne Halsmanschette angelegt hatte, war sie offenkundig entschlossen, das Wochenende überwiegend im Bett zu verbringen. Wohl zu diesem Zweck hatte sie sich tags zuvor eigens einen Fernseher mi Schlafzimmer installieren lassen.

Und schließlich ließ sie so schnell niemanden in die Wohnung. Wenn es klingelte, versicherte sie sich umständlich, wer denn wirklich draußen stand, ehe sie den zusätzlich angebrachten Sicherheitsriegel an der Wohnungstür öffnete -- was die Staatsanwaltschaft schließen ließ, Weilguny hätte auch mit einem Schlüssel nur eindringen können, wenn sich Helga Eckensberger "außerhalb ihrer Wohnung aufgehalten hätte".

Diese Feststellung freilich vermehrt das Dunkel noch, anstatt es zu vermindern. Aber der Staatsanwaltschaft scheint es ergangen zu sein wie beispielsweise Henning Voigt: "Man kommt bei allen Überlegungen in dieser Sache an einen Punkt, da geht's nicht mehr."

DER SPIEGEL 46/1974
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Der mysteriöse Mord an der Verleger-Witwe Helga Eckensberger

13.03.2015 um 09:18
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41599398.html

Eine goldfarbene Kette ohne Quittung

SPIEGEL-Reporter Gerhard Mauz im Prozeß über den Tod der Verlegerin Helga Eckensberger
Von Mauz, Gerhard


Der Prozeß beginnt wie erwartet. Volkmar Weilguny, 30, der am 27. Oktober 1973 gegen 10 Uhr die Verlegerin Helga Eckensberger, 57, in ihrer Braunschweiger Wohnung ermordet haben soll (SPIEGEL 46/1974), schweigt zum Vorwurf der Anklage. Doch der Prozeß beginnt auch ganz anders als erwartet.

Erster Zeuge vor dem Schwurgericht ist Ulrich Voelkel, 44, der Verlagsleiter der "Braunschweiger Zeitung". Am 26. Oktober 1973, einem Freitag, hat er sich gegen 18.30 Uhr telephonisch mit Frau Eckensberger, seiner Verlegerin, für Montag. den 29. Oktober, verabredet.

Eigentlich hat Frau Eckensberger über das Wochenende nach München fahren wollen, doch diesen Plan hat sie aufgegeben, weil sie sich schlecht fühlt. Sie leidet an einem Bandscheibenschaden, hat immer wieder starke Schmerzen und ist besonders empfindlich für Wetterumschwünge. Sie will an diesem Wochenende lieber in ihrer Wohnung im dritten Stock des Hauses Bismarckstraße 14 bleiben und sich pflegen. Sie hat ein Fernsehgerät an ihrem Bett installieren lassen.

Am nächsten Tag, am Samstag, dem 27. Oktober, ruft bei Verlagsleiter Voelkel der Mitgesellschafter der "Braunschweiger Zeitung", Henning Voigt, 46, an. Herr Voigt lebt in Falkenstein im Taunus. Er könne Frau Eckensberger in der Bismarckstraße telephonisch nicht erreichen, sagt Herr Voigt. Er bittet Verlagsleiter Voelkel, Frau Eckensberger auszurichten, daß er eine Verabredung, die er mit ihr für Montag, den 29. Oktober, in Braunschweig getroffen hat, leider nicht einhalten kann,

Am Samstag ruft Herr Voigt noch ein zweites Mal bei Verlagsleiter Voelkel an, doch auch der hat Frau Eckensberger nicht erreichen und ihr die Absage von Herrn Voigt nicht übermitteln können. Als dann endlich Herr Voigt am Sonntag ein drittes Mal anruft da ist es gar nicht mehr schlimm, daß Verlagsleiter Voelkel Frau Eckensberger noch immer nicht Herrn Voigts Verhinderung am Montag übermitteln konnte. Denn jetzt teilt Herr Voigt mit, daß er seine Verabredung mit Frau Eckensberger am Montag doch wird wahrnehmen können.

Am Montag, dem 29. Oktober, indessen kommt Herr Voigt nicht nach Braunschweig, um die Verabredung mit Frau Eckensberger einzuhalten. von der er gesprochen hat.

Erst am Dienstag, dem 30. Oktober. kommt Herr Voigt nach Braunschweig, nachdem er in der Nacht von Montag auf Dienstag telephonisch erfahren hat. daß Frau Eckensberger tot in ihrer Wohnung aufgefunden worden ist. Nun, nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ist Frau Eckensberger am Samstag, dem 27. Oktober, um 10 Uhr früh ermordet worden -- von Volkmar Weilguny, der noch am Abend des 26. Oktober in Falkenstein bei der Familie Voigt zu Besuch war.

Die Aussage, die Verlagsleiter Voelkel als erster Zeuge im Prozeß gegen Volkmar Weilguny macht, ist hinsichtlich des Telephonverkehrs, den er am 27. und 28. Oktober 1973 mit Henning Voigt hatte, die dritte Version. Sie unterscheidet sich in einigen Punkten von Aussagen, die er am 3. und 20. November 1973 gemacht hat. Doch auf diese dritte Version leistet der Zeuge Voelkel den Eid.

Am Mittwoch dieser Woche wird in Braunschweig Henning Voigt als Zeuge gehört werden. Am 29. November 1973 hat er -- um frühere Aussagen richtigzustellen -- erklärt, es habe überhaupt keine feste Verabredung zwischen Frau Eckensberger und ihm für Montag, dem 29. Oktober 1973, gegeben. Nach der Aussage, die der Verlagsleiter Voelkel beschworen hat, könnte eine solche Einlassung von Henning Voigt als nicht mehr ausreichend angesehen werden.

Am 14. November 1973 erging ein Haftbefehl gegen Volkmar Weilguny, nachdem er hinreichend verdächtig war, Frau Eckensberger getötet zu haben. Und schon einen Tag später richtete sich die Aufmerksamkeit der Kriminalpolizei auf die Familie Voigt, wurden Isolde Voigt und ihre Söhne Arndt und Henning ("letzterer auch als Beschuldigter") gleichzeitig und einzeln vernommen, denn es war bekanntgeworden, daß zwischen Volkmar Weilguny und der Familie Voigt Beziehungen bestanden.

Diese Beziehungen schienen bemerkenswert, denn nach dem Gesellschaftsvertrag der Firma Eckensberger & Co. vom 17. Juni 1961 fielen die Anteile Frau Eckensbergers im Falle ihres Todes an die Familie Voigt. Es fanden sich indessen keine konkreten Anhaltspunkte dafür. daß Volkmar Weilguny einen Auftrag -- etwa Henning Voigts -- ausgeführt hat, als er in Frau Eckensbergers Wohnung eindrang. Henning Voigt, von der Kripo mit ganz direkten Fragen bedrängt. wies als "absurd" von sich. ein Interesse am Tod Frau Eckensbergers gehabt zu haben, er sei selbst wohlhabend und vermögend, er müsse sich nicht durch andere zu Geld verhelfen lassen. Im Schwurgerichtsprozeß in Braunschweig jedoch fragt man sich jetzt, ob nicht weitaus bedeutsamer als ein Interesse am Tod von Frau Eckensberger -- ein Interesse an gewissen Papieren von Frau Eckensberger gewesen sein könnte.

Als Frau Eckensberger tot in ihrer Wohnung gefunden wird, sieht es zunächst so aus, als sei sie zwar eines jähen, aber doch natürlichen Todes gestorben. Dazu paßt dann aber nicht die Entdeckung, daß drei Platinringe im Werte von über 600 000 Mark nicht zu finden sind. Diese Ringe trug Frau Eckensberger so regelmäßig, daß der Vorsitzende Richter Linke, 62, in Braunschweig bemerkt: "Die gehörten also zum täglichen Dienstanzug."

Die Kripo findet bei der toten Verlegerin angesehene, bekannte und wohlhabende Mitbürger vor, auch beeindrucken sie wohl die Räume, die vom Reichtum ihrer verstorbenen Bewohnerin künden. Der Kriminalobermeister Schütte ruft einen erfahreneren Kollegen zu Hilfe, denn hier hat er es erst mit seiner "fünften oder sechsten Leiche" zu tun. Doch auch dieser Kollege, der Kriminalhauptmeister Heuer, läßt sich offenbar irritieren. Denn nicht von Befragungen, sondern von "Rundgesprächen" an der Leiche hat er dem Schwurgericht zu erzählen.

Daß Herr Heuer später sogar mit einem Freund der toten Verlegerin die Wohnung aufsucht und diesem Photos von ihm, die sich dort finden, sowie -- ohne Quittung -- eine "goldfarbene Kette" aushändigt, die der Freund Frau Eckensberger geschenkt haben will, rundet das Bild einer doch erstaunlichen Verwirrung ab. Richter Linke bemerkt zu dieser Heimholung von Photos und "goldfarbener Kette" durch den Freund. der ein Baron ist. ärgerlich, es müsse jeder gleich behandelt werden, denn "ob jemand katholisch ist oder Straßenkehrer" ist ja ganz egal".

Erst vom 2. November 1973 an wird die Wohnung in der Bismarckstraße als Tatort behandelt. Denn erst jetzt ergibt sich aus dem Obduktionsbefund, daß Frau Eckensberger gewaltsam oder jedenfalls nicht ohne Mitwirkung von Gewalt zu Tode kam. Der Fall ist ein Rätsel, als man in Braunschweig am 11. November 1973 telephonisch aus Trappenkamp, Kreis Segeberg, erfährt, eine Frau Winkler habe einen Hinweis gegeben.

Ursula Winkler, 29, wohnhaft in Trappenkamp, Studentin. ein Kind. sagt vor dem Schwurgericht aus. Sie ist nicht nur ein Anblick, sie mag auch, daß man sie ansieht. Sie lernte Weilguny 1962 in Dresden kennen. Sie kam 1971 in die Bundesrepublik, Weilguny, inzwischen verheiratet, 1973. Weilguny hat sie öfter in Trappenkamp besucht.

Am Freitag, dem 26. Oktober 1973, ruft Weilguny gegen 22 Uhr bei ihr an. Er komme, er habe 5000 Mark für sie. Gegen 1.30 Uhr trifft er ein. Man trinkt, tanzt, geht nicht zum Schlafen ins Bett. Um 6 Uhr früh bricht Weilguny auf, nicht mit seinem Wagen, sondern mit dem Ursula Winklers. Er müsse in Braunschweig "etwas auskundschaften", hat er gesagt: "Ja, und da habe ich ihm meinen Wagen angeboten." Gegen 15.30 Uhr kommt Weilguny zurück, völlig verändert, fast ein "fremder Mensch",

Da, wo man ihn hingeschickt habe, sei etwas schiefgegangen. Man habe ihm gesagt, da sei niemand. Doch plötzlich habe er hinter sich Schritte gehört und blind zugeschlagen ("Ich habe mich extra nicht umgedreht, damit man mich nicht erkennt"). Er habe eine ältere, ihm unbekannte Frau getroffen. Die sei umgefallen, habe sich aber schnell wieder "berappelt" und zu schreien begonnen. Darauf habe er ein Kissen oder eine Polsterrolle auf ihr Gesicht gedrückt, damit sie nicht mehr schreien konnte. Dann habe er sich davongemacht.

Ob die Frau denn nicht erstickt sei oder einen Herzschlag erlitten habe, will Ursula Winkler wissen. Weilguny gerät darauf völlig außer Fassung, bis dahin hat ihn gequält, ob die Frau ihn wiedererkennen könne. Ursula Winkler bestätigt Verteidiger Schramm, nach ihrem Eindruck habe Weilguny damals wirklich gemeint, "die von ihm niedergeschlagene Frau lebe noch", Weilguny soll auch gesagt haben, nun sei immerhin "mit einem Rutsch alles erledigt". Gegen 16.30 Uhr fährt Weilguny wieder ab. Vorher hat er noch mit seiner Frau und mit Falkenstein. mit Gerda Garcia, der Sekretärin Henning Voigts, telephoniert.

Volkmar Weilguny, am 25. November 1973 festgenommen, gibt am 3. Dezember 1973 mündlich eine Darstellung, deren Protokollierung er verweigert. Er schildert unter anderem, daß er eine Tür zur Wohnung "mit einem Schlüssel geöffnet hat". Die Ringe und 2000 Mark, die aus einer Tasche herausguckten, habe er mitgenommen, "um einen Einbruch oder Raub anzudeuten". Weilguny betont, "einen Tötungsvorsatz oder die Absicht der Bereicherung habe er zu keiner Zeit gehabt". Er hat die Kripo zum Versteck der Ringe geführt. Woher hatte er den Schlüssel zur Wohnung, woher die Information, Frau Eckensberger sei nicht in Braunschweig?

Wenn Weilguny etwas "auskundschaften" sollte, worum könnte es sich gehandelt haben? Am nächsten stand Frau Eckensberger seit dem Tod ihres Mannes ein Außenstehender, der in London lebende Baron Octave de Juniac. Frau Eckensbergers Testament bedenkt ihn -- steuerfrei -- mit drei Millionen Mark. 1969 hatte die Verlegerin ein -- heute umstrittenes -- Papier unterzeichnet, in dem sie dem Baron de Juniac beträchtliche Vollmachten für einen großen Zeitraum nach ihrem Tod übertrug.

Der Baron de Juniac war ein sehr enger Freund und auch der einflußreichste Finanzberater der Verlegerin. Die stand im Oktober 1973 im Begriff, ihr Testament neu zu ordnen. Hat irgendwen die Frage geplagt, wieweit sie dabei gehen könne; die Sorge, sie könne versuchen, bestehende Verträge, wenn diese schon nicht aufzuheben waren, wenigstens anzutasten? Wer eine solche Sorge hatte, könnte an den Papieren der Verlegerin interessiert gewesen sein. Er könnte Weilguny einen Schlüssel gegeben und ihn an einem Wochenende vorgeschickt haben, an dem die Verlegerin eigentlich verreist sein wollte.

Volkmar Weilguny, seit 1966 mit den Voigts bekannt, ist in Firmen der Familie Voigt beschäftigt gewesen. Gelegentlich erledigte er Aufträge für Isolde Voigt oder ihren Sohn Henning, mitunter stand er als Fahrer zur Verfügung. Der Kriminalbeamte, dem er am 3. Dezember 1973 schilderte, was er nicht zu Protokoll geben wollte, hat ihm geglaubt, als er beteuerte, weder einen Tötungsvorsatz noch eine Bereicherungsabsicht gehabt zu haben.

Der Beamte hat Weilguny darauf hingewiesen, sein Schweigen könne ihm Lebenslang einbringen. Weilguny soll erwidert haben, das sei ja das Problem -- was das Schlimmere sei. Das Schwurgericht wird auch den Oberregierungsrat Schrepfer vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Gutachter hören. Wer war Weilgunys Auftraggeher, wenn er beauftragt gewesen ist, etwas "auszukundschaften"?

DER SPIEGEL 48/1974
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Der mysteriöse Mord an der Verleger-Witwe Helga Eckensberger

13.03.2015 um 09:33
Ich weiß, sehr viel Lektüre... aber vielleicht mag sich jemand ja einlesen...
Leider finde ich das Urteil nicht!!???
Wäre ja interessant zu wissen, wer jetzt verurteilt wurde!?

MORDFALL ECKENSBERGER IN BRAUNSCHWEIG
Wer steht hinter dem Angeklagten Weilguny?
Aktualisiert 29. November 1974 07:00 Uhr
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Braunschweig

Seit zehn Tagen versuchen Richter und Schöffen, den Schleier um den mysteriösen Mord an der Braunschweiger Verlegerin Helga Eckensberger (57) zu lüften. Jeder Prozeßtag jedoch fördertauf Grund der bohrenden Fragen nach Motiv, möglichen Auftraggebern oder Helfern statt der erhofften konkreten Antworten hauptsächlich neue Fragen zutage.

Der Mann, der dem Schwurgericht in Braunschweig die Rätsel aufgibt, schweigt eisern: Volkmar Weilguny, dreißigjähriger Chemiefacharbeiter und österreichischer Staatsbürger. Ihm wird zur Last gelegt, am 27. Oktober 1973 die Verlegerin und Herausgeberin der Braunschweiger Zeitung in ihrer Wohnung geschlagen, gewürgt und schließlich, als sie zu schreien begann, mit einem Kissen erstickt und wertvollen Schmuck und Bargeld entwendet zu haben. Bei Halbzeit des auf elf Verhandlungstage angesetzten Schwurgerichtsprozesses meint Friedrich Linke, Vorsitzender Richter und Vizepräsident des Braunschweiger Landgerichts, achselzuckend: „Wir wissen nicht, was die Wahrheit ist. Wir versuchen nur, sie zu erforschen.“

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Über mögliche Kontakte der Verlagsinhaberin zu Geheimdiensten wußten die Zeugen bislang wenig zu sagen. Fest steht, daß das Opfer in einem Bilderrahmen auf ihrem Nachttisch das Photo eines Abteilungsleiters des Bundesnachrichtendienstes aufbewahrt hatte. Festzustehen scheint auch, daß Helga Eckensberger im Sommer 1973 für eine oder zwei Wochen eine Amerikanerin in ihrer Wohnung beherbergt hat, die im Zweiten Weltkrieg für die Gestapo gearbeitet haben soll.

Anhaltspunkte dafür, daß Weilguny im Auftrag einer nachrichtendienstlichen Organisation – möglicherweise einer östlichen Zentrale – gehandelt hat, haben sich ebenfalls noch nicht ergeben. Offensichtlich gibt es jedoch etwas, was der Tatverdächtige mehr fürchtet als eine Verurteilung wegen Mordes. Zwar hat der österreicher außerhalb der offiziellen Vernehmung während der Untersuchungshaft Angaben zum Tatgeschehen in Braunschweig gemacht und auch die Wohnung Helga Eckensbergers detailliert beschrieben, Fragen nach der Vorgeschichte des Verbrechens jedoch unbeantwortet gelassen: „Das ist alles so problematisch.“

Selbst der Hinweis eines Kriminalbeamten, er, Weilguny, riskiere eine harte Strafe, wenn er schweige, beeindruckte den Tatverdächtigen nicht: „Es ist eben die Frage, was günstiger ist. Es bleibt abzuwarten, was schlimmere Folgen nach sich zieht.“ Weilguny bittet überdies um Fortsetzung der Untersuchungshaft, was den erfahrenen Vorsitzenden Richter Friedrich Linke erstaunen läßt: „Das habe ich in meiner richterlichen Praxis noch nicht erlebt.“

Ein letztes Lebenszeichen gab die Witwe des im Jahre 1966 verstorbenen Verlegers Hans Eckensberger in einem Telephongespräch am Mordtag mit einem Redaktionsstenographen der Braunschweiger Zeitung. Darin soll sie beiläufig erklärt haben, daß sie Besuch habe und das Wochenende in ihrer Wohnung verbringen wolle....

http://www.zeit.de/1974/49/wer-steht-hinder-dem-angeklagten-weilguny


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Der mysteriöse Mord an der Verleger-Witwe Helga Eckensberger

13.03.2015 um 09:35
http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/41561051


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Der mysteriöse Mord an der Verleger-Witwe Helga Eckensberger

13.03.2015 um 10:11
Zitat von Lara1973Lara1973 schrieb:in langen Briefen den Behörden jeweils ihre Version über die denkbaren Hintergründe des Falles vor, mit dem Resultat, daß jeder jedem alles zutraut. "Es wird viel geredet, es gibt viel Kulissenklatsch", klagt die Staatsanwaltschaft, "viele haben sich unsere Köpfe zerbrochen."
Herrlich. Das beschreibt genau, was auf allmy immer los it. Dieser Fall ist ja wirklich die Krönung für alle Hobbydetektive und Verschwörungstheoretiker.


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13.03.2015 um 10:24
@Rick_Blaine
Ja, ich komme aus der Region und habe jetzt erst durch Zufall davon gelesen.
Spannend finde ich wirklich, dass ja wirklich mehr hinter dem Fall gesteckt haben muss, als ein schlichter Raubmord! Liest sich auf alle Fälle wie ein Krimi "par excellence"....


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Der mysteriöse Mord an der Verleger-Witwe Helga Eckensberger

13.03.2015 um 10:27
Stimmt, das ist Stoff für einen richtigen Krimi. Nicht einmal das edle Schloss in Frankreich und der Butler fehlen :)


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Der mysteriöse Mord an der Verleger-Witwe Helga Eckensberger

13.03.2015 um 10:32
@Lara1973
@Rick_Blaine
Unglaublich :)
Bei einem Krimi würden wir wahrscheinlich alles sagen das es doch sehr weit hergeholt ist :)
Ich finde toll das vom Ernst in Deutschland ein Ernesto in Frankreich wurde. :)


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Der mysteriöse Mord an der Verleger-Witwe Helga Eckensberger

13.03.2015 um 10:39
Und hier in meiner (Löwen) Stadt ... Sind die Spuren der Vergangenheit noch mehr als präsent...
alleine schon durch die Hinterlassenschaft der Stiftung ...
Und ich dachte immer, hier ist nie was groß passiert... Pustekuchen...
auch ein anderer Fall ereignete sich nur einen Steinwurf von mir entfernt. .
Wikipedia: Mord an Familie Kraemer
Wow... Hier werden Krimis gemacht...


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Der mysteriöse Mord an der Verleger-Witwe Helga Eckensberger

13.03.2015 um 10:41
Stimmt, ich war nur ein einziges Mal in meinem Leben in Braunschweig und empfand es als grottenlangweilig. Kein Wunder, dass die Leute dort aus Langeweile ab und zu meucheln, sonst ist da ja nichts los :) :)


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13.03.2015 um 10:53
Langweilig?
@Rick_Blaine neeeeee, die Stadt ist wirklich sehr spannend...
Du hattest mit Sicherheit, nur keinen guten Reiseführer... 😜

Aber was glaubt ihr, verbirgt sich hinter der Geschichte?


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Der mysteriöse Mord an der Verleger-Witwe Helga Eckensberger

13.03.2015 um 10:55
Hm, mein erster Eindruck ist auch, dass die glücklichen Erben, die "ganz zufällig" mit dem Täter sehr enge Beziehungen haben, hier involviert sind.


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Der mysteriöse Mord an der Verleger-Witwe Helga Eckensberger

13.03.2015 um 10:59
Puhhhh... Spannend...
Da hat das Opfer ein Foto von Dr. R. Meier im Nachttischränkchen...
Was hat es mit diesem Typen auf sich... der muss in der Geschichte doch auch irgendwo auftauchen... man (Frau) hat ja nicht mal ebenso einen Typen vom vom Präsidenten des Bindesamtes für Verfassungsschutz am Bettchen stehen? 😜


Richard Meier (* 6. Januar 1928 in München[1]) war vom 15. September 1975 bis zum 22. April 1983 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz.

Seine berufliche Karriere begann Meier 1954 als Staatsanwalt und wurde 1957 als Beamter in das Bundesamt für Verfassungsschutz versetzt. Dort stieg er im Februar 1964 zum Leiter der Abteilung IV (Spionageabwehr) auf. Nachdem er diese Funktion bis April 1970 ausgeübt hatte, wechselte er zum Bundesnachrichtendienst, wo er unter dem Decknamen Manthey die Abteilung I (Beschaffung) leitete. Im Silberstein-Gutachten von 1964 zur Untersuchung der Telefonabhöraffäre wurde er als einziger kompetenter und nicht belasteter leitender Mitarbeiter des BfV genannt.[2]

Im September 1975 wurde er zum Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz ernannt. In seine Amtszeit fiel mit dem Deutschen Herbst der Höhepunkt des RAF-Terrors: Die Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers, die Entführung des Lufthansa-Flugzeugs Landshut und die Selbstmorde von inhaftierten RAF-Mitglieder.

Kurz nach dem Regierungswechsel im Oktober 1982 wurde Meier vom neuen Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) am 22. April 1983 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Die vorzeitige Pensionierung wurde mit den gesundheitlichen Folgen eines von Meier fahrlässig verursachten Autounfalls begründet, bei dem er selbst schwer verletzt und seine Lebensgefährtin getötet wurde. Die Pensionierung sorgte für Verstimmung beim Koalitionspartner FDP, die das Innenressort vor der Bonner Wende geführt hatte. [3]

Meier galt als bis dahin bester Leiter des Bundesamtes. Zum Nachfolger ernannte Zimmermann den damals 45-jährigen Heribert Hellenbroich - dieser wurde in Fachkreisen zwar als zu jung für das Amt abgelehnt, war jedoch Mitglied der CDU.[4]

Wikipedia: Richard Meier (Bundesamt für Verfassungsschutz)/


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13.03.2015 um 11:08
Zitat von Lara1973Lara1973 schrieb:Da hat das Opfer ein Foto von Dr. R. Meier im Nachttischränkchen...
Spätestens jetzt würde ich den Krimi als unrealistisch und übertrieben wegwerfen.

Schloss, Erben, Butler... und noch Spione? Nein, wirklich!


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Lara1973 Diskussionsleiter
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13.03.2015 um 11:10
@Rick_Blaine
Die "Glücklichen Erben" hätte ich auch als erstes verdächtigt...
Mich wundert aber nur, dass der Täter weiterhin geschwiegen hat, die Gefahr die von der Familie Voigt ausging, war so groß?!?
"Selbst der Hinweis eines Kriminalbeamten, er, Weilguny, riskiere eine harte Strafe, wenn er schweige, beeindruckte den Tatverdächtigen nicht: „Es ist eben die Frage, was günstiger ist. Es bleibt abzuwarten, was schlimmere Folgen nach sich zieht.“ Weilguny bittet überdies um Fortsetzung der Untersuchungshaft, was den erfahrenen Vorsitzenden Richter Friedrich Linke erstaunen läßt: „Das habe ich in meiner richterlichen Praxis noch nicht erlebt.“

Und dann noch das:
"Ein letztes Lebenszeichen gab die Witwe des im Jahre 1966 verstorbenen Verlegers Hans Eckensberger in einem Telephongespräch am Mordtag mit einem Redaktionsstenographen der Braunschweiger Zeitung. Darin soll sie beiläufig erklärt haben, daß sie Besuch habe und das Wochenende in ihrer Wohnung verbringen wolle..."

Sie schien ja nicht alleine zu gewesen sein!?!!
Kommt jetzt dieser Hubschrauberfliegende John ins Spiel? 😜


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13.03.2015 um 11:12
@Rick_Blaine
Glaubst du, der Täter hat den Verfassungs-Fuzzi ... ins Nachtschränkchen gelegt?
Der Typ war doch kein Popstar...


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Der mysteriöse Mord an der Verleger-Witwe Helga Eckensberger

13.03.2015 um 11:14
@Lara1973
@Rick_Blaine
meinte sie evtl. diesen John?

Wikipedia: Otto John


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13.03.2015 um 11:15
Kein Popstar, aber doch jemand aus den oberen Zehntausend in Politik und Staat, und in diesen Kreisen verkehrte ja das Opfer. Also ist eine Beziehung zwischen beiden hier durchaus denkbar, welcher Art auch immer.

Warum schweigt der Täter? Nun ja, in Krimis würde jetzt gesagt, dass seine Angst vor den Konsequenzen des Redens grösser ist. Wer reich genug ist, einen Mord in Auftrag zu geben, der kann das auch noch ein zweites Mal mit unliebsamen Zeugen machen.

Ob das im wirklichen Leben so ist, ist fraglich, aber vielleicht las der Täter ja gerne Krimis...


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13.03.2015 um 11:23
Otto John und Hans Eckensberger waren beide im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv, es könnte also durchaus eine Verbindung gegeben haben.


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13.03.2015 um 11:24
Mittlerweile müsste der Täter ja wieder auf freiem Fuß sein...
wenn man mal rechnet, wäre er auch heute um die 70... Wäre interessant zu wissen, was aus ihm geworden ist?!
Ich denke, er hat im Auftrag gehandelt... ob der Mord dabei vorgesehen war, würde ich in Frage stellen?! Aber.... der weite Weg, der Haustürschlüssel und das Motiv... klingt schon alles eigenartig!
Das er seiner Bekannten berichtet hat, lässt für mich darauf schließen, dass irgendwas wirklich aus dem Ruder lief und er ordentlich die Hose voll hatte...
Das er Ringe im Wert von 60.000€ irgendwo im Wald vergraben hat, mutet auch etwas komisch an...
@tenbells
Könnte man ja meinen, oder?!
Irgendwoher muss die Geschichte bezüglich des "Johnes" ja stammen...
Und dann noch die Sache mit der Testament's Änderung ... dieser komische Baron könnte auch gut seine Finger im Spiel gehabt haben...


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