Armani (8) 2014 bei Freiburg getötet aufgefunden
21.07.2015 um 10:57Und noch ein Bericht der Badischen Zeitung vom 20.07.2015, der auch die Gerüchte behandelt:
"20. Juli 2015 12:05 Uhr
Toter Junge
Ein Jahr ist vorbei: Bleibt der Fall Armani ungelöst?
Ein Jahr nach der Tat weiß die Polizei noch immer nicht, wer Armani erwürgt hat. Ein Stadtteil sehnt sich nach Alltag, eine Minderheit nach Respekt, eine Ermittlungsgruppe nach Erfolgen.
Die Sonne scheint, als sei nichts gewesen. Der Spielplatz im Freiburger Viertel Brühl-Beurbarung liegt verlassen in der Nachmittagshitze. Nur vier Halbstarke sitzen auf einer Bank und rauchen. Liegt es an den Temperaturen, dass hier keine Kinder spielen? Ist es die Uhrzeit? Oder die Vergangenheit des Ortes?
Vor genau einem Jahr ist ein Junge von hier verschwunden. Als man ihn findet, ist er tot. Erwürgt. Noch immer gibt es keinen Hinweis darauf, wer den achtjährigen Armani getötet hat. Die Polizei stochert in trübem Wasser umher.
An der Südseite des Spielplatzes regt sich etwas. Dort, wo die Spielfläche endet und der Katholische Kindergarten St. Konrad beginnt, hängt eine Frau ein Poster auf. "Spielaktionen für die ganze Familie", steht darauf. Es ist eine Einladung des Familienzentrums zu kostenlosen Nachmittagen auf dem Spielplatz, Armanis Spielplatz. Spricht man die Frau auf den toten Jungen an, verdunkeln sich ihre Augen. Armanis Geschichte kennt sie gut. "Es macht mich immer noch traurig", sagt sie. Eltern und Kinder beschäftige der mysteriöse Tod des Jungen. Sie kenne eine Mutter, die den Spielplatz deshalb meide.
Warum wurde der Täter noch nicht gefasst?
Dabei weiß niemand, was auf dem Spielplatz passiert ist. Um 18:20 Uhr am 20. Juli 2014 wird Armani dort das letzte Mal gesehen. Dann ist er weg. Seine Familie verständigt die Polizei. Beamte und Spürhunde suchen nach dem Kind. Die Familie durchkämmt die Straßen ihres Viertels und ruft den verlorenen Sohn, Enkel, Bruder, Neffen, Cousin. Bis spät in die Nacht hören Anwohner in Brühl-Beurbarung den Namen eines Kindes, den die Stadt so bald nicht vergessen wird.
Vor dem Kindergarten St. Konrad betrachtet die Frau zufrieden ihr Werk. Das Poster mit der Einladung schmückt sie mit zwei roten Luftballons. Mit Namen in der Zeitung auftauchen, das möchte sie nicht. Armani ist in Brühl-Beurbarung noch immer ein delikates Thema. Die Rückkehr zum Alltag schreite langsam voran, so die Frau. "Aber viele im Viertel fragen sich, warum die Sonderkommission aufgelöst wurde. Wie kann es sein, dass sie den Täter immer noch nicht haben?"
Am 21. Juli 2014 biegt ein Polizeiauto in die Eichstetter Straße in Brühl-Beurbarung. Lautes Wehklagen weckt das Viertel. Zwölf Stunden nach seinem Verschwinden ist Armani aufgetaucht. Tot. Ein Spaziergänger hat ihn in einem Bach gefunden, dreieinhalb Kilometer vom Spielplatz und seinem Zuhause entfernt.
Hinter dem Kindergarten St. Konrad spaziert ein älterer Herr in einem Muskelshirt dem Spielplatz entgegen. Er führt einen kleinen Hund an der Leine und einen französischen Akzent im Mund. "Die Leute im Viertel reden. Manche sagen, es war die Mafia, andere sagen, es war die Familie selbst, wieder andere sagen, der Sinti-Hintergrund habe irgendwas damit zu tun. Ich finde: Die sollen einfach die Polizei ihre Arbeit machen lassen." Ein Passant hört das – und schaltet sich ein: "Aber die haben doch die Ermittlungen eingestellt."
Zu Spitzenzeiten fahndet die Sonderkommission Bach mit 70 Beamten nach Armanis Mörder. Ohne Ergebnis. Nach und nach wird die Soko verkleinert. Ihr Leiter geht, ein neuer kommt, als die Soko im April schließlich einer Ermittlungsgruppe weicht. Derzeit widmen sich noch 12 Beamte diesem Fall, nur diesem Fall. Ihr Leiter, Thomas Schönefeld, sagt: "Wir sind noch lange nicht am Ende der Ermittlungen angelangt."
Armanis Familie verdoppelt die Belohnung
Im Auggener Weg in Weingarten herrscht Leben auf der Straße. In der Sinti-Siedlung spielen Kinder Fangen, junge Männer schrauben an ihren Autos herum, Mütter sitzen gemeinsam im Schatten und schwatzen. Die meisten Familien, die hier wohnen, tragen den Nachnamen von Armani. "Wir sind fast alle irgendwie miteinander verwandt", erklärt eine Frau, die mit zwei Freundinnen auf einer Bank sitzt. "Aber nur eine Familie hier aus der Siedlung ist direkt mit Armanis Familie verwandt." Den Jungen habe man hier kaum gekannt. Ihre Sitznachbarin schaltet sich ein: "Aber sein Tod hat uns sehr getroffen. Wir sind eine so kleine Minderheit, da kennt man sich schon. Und passt aufeinander auf."
Die Familie, wer auch immer sich genau dazuzählt, hält zusammen. Und legt zusammen. Die erweiterte Verwandtschaft von Armani hat die Belohnung von 10.000 Euro kürzlich verdoppelt. Wer der Polizei Hinweise liefert, die zur Ergreifung des Menschen führen, der Armani getötet hat, soll 20.000 Euro erhalten. 6000 Euro hat die Staatsanwaltschaft kurz nach der Tat ausgesetzt, 4000 ein Privatmann. Die Familie setzt ihre Hoffnungen nun in 10.000 Euro.
Im Auggener Weg dreht sich das Gespräch weiter um den ganz entfernt verwandten getöteten Jungen. Einer Frau mittleren Alters wird das zu viel. "Ich kriege Gänsehaut, sagt sie", erhebt sich von der Parkbank und geht, sich selbst umarmend, als sei ihr kalt. Die anderen zwei Mütter sind nun bei m Thema Gerüchte angekommen. "Es kann kein Sinti gewesen sein", sagt eine. "Kinder sind uns doch das Teuerste." Die andere differenziert: "Selbst wenn herauskommen sollte, dass ein Sinti Armani getötet hat, Gott bewahre, dann ist das kein Mord im Milieu. Wir sind brave Leute hier. Das ist so, als würde man sagen, ein Schwabe hat einen anderen Schwaben umgebracht", sagt die Frau in breitestem Badisch.
"Ich bin angetreten, um diesen Fall zu lösen. Aber ich bin Realist genug, um zu wissen, dass es auch ungeklärte Fälle gibt" Thomas Schönefeld, Leiter der Ermittlungsgruppe
Ein Kind wird getötet – und die Polizei kann keinen Täter finden: Das ist fruchtbarer Nährboden für Spekulationen. Auch ein Jahr nach dem Tod von Armani kursieren immer wieder neue Gerüchte in der Stadt. Der Vater soll es gewesen sein. Ein rivalisierender Sinti-Clan. Die russische Drogenmafia, mit der Verwandte des Jungen im Gefängnis aneinander geraten sein sollen. Viele Gerüchte drehen sich um die Herkunft des Kindes und seiner Familie.
Im Auggener Weg fühlt man sich diskriminiert. "Das ist verletzend, wenn erzählt wird, wir töten unsere eigenen Kinder", sagt ein junger Vater empört, der die Fremde in der Siedlung bemerkt und ihr seine Hilfe angeboten hat. Er sitzt auf einem verdellten Moped. Ein Freund kommt hinzu. "Seit dem Tod von Armani passen wir noch besser auf unsere Kinder auf. Ein Erwachsener ist immer am Gucken." Vielleicht sei der Mord ja auch rassistisch motiviert gewesen. Ein paar Kinder kommen neugierig dazu. Die Männer schicken sie weg. Sie sollen keine Alpträume kriegen. Der Todesfall habe die Kinder sehr erschüttert. "Und wir sind auch noch beunruhigt. Zumal der Mörder ja immer noch frei herumläuft."
Sucht die Polizei einen Täter – oder eine Täterin?
Die Polizei ist 1440 Spuren nachgegangen, über 5000 Menschen hat sie befragt, 100.000 Seiten Papier und 150 Aktenordner hat sie gefüllt. Sie hat DNA-Spuren auswerten lassen und den Rat von Spezialisten des Landeskriminalamtes eingeholt – und weiß noch nicht mal, ob sie einen Mann oder eine Frau sucht. Die Nacht, in der Armani getötet wurde, war die nasseste des Jahres. Starker Regen und das Wasser des Baches haben viele Spuren zerstört.
Nur wenige hundert Meter von eben diesem Bach entfernt, im Polizeipräsidium in der Bissierstraße, sitzt der Leiter des Teams, das sich seit einem Jahr an dem Fall die Zähne ausbeißt. Thomas Schönefeld trägt eine schwarze Brille, ein gewagtes Hemd und die Verantwortung. "Ich bin angetreten, um diesen Fall zu lösen. Aber ich bin Realist genug, um zu wissen, dass es auch ungeklärte Fälle gibt", sagt der Familienvater. Dann setzt er nach: "Wir wollen nicht, dass dieser dazu gehört."
Fall soll zum zweiten Mal bei "Aktenzeichen XY" laufen
So klammert sich die Polizei an jeden Strohhalm. Aktuell sucht sie nach dem Fahrer eines hellen Kleinwagens – bundesweit, denn das Kennzeichen soll mit "M" beginnen und zwei weitere Buchstaben vor dem Strich haben. Auch deshalb möchten die Beamten den Fall in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY – ungelöst" vorstellen. Bereits zwei Wochen nach dem Tod von Armani hatte das Programm den Fall aufgegriffen. In Freiburg war man davon nicht begeistert. Zu früh in den Ermittlungen wähnte man sich. Ein Jahr nach dem Tod sieht das anders aus. Der Fall soll in den Köpfen der Menschen bleiben. Aber einen Sendetermin gibt es wohl erst Ende des Jahres.
Zwei Kilometer südlich vom Polizeipräsidium liegt das tote Kind. Sein Grab auf dem Friedhof Haslach ist zu klein für die vielen Engel-Figürchen und Kerzen. Sie breiten sich auf den Kiesweg davor aus. Ein altes Ehepaar spaziert vorbei und wirft einen Seitenblick auf das Kindergrab. Die Frau fragt ihren Mann: "Glaubst du, die finden den Täter noch?"
Chronik: Der Fall Armani
Am Abend des 20. Juli melden seine Eltern den acht Jahre alten Armani im Stadtteil Brühl als vermisst; die Polizei leitet noch am gleichen Abend eine groß angelegte Suche ein – erfolglos. Am Montag, 21. Juli, findet ein Spaziergänger gegen 6.45 Uhr den leblosen Körper des Jungen im Mühlbach im Stadtteil Betzenhausen beim Kleingartengelände Vogelnest. Die Obduktion ergibt, dass er einem Gewaltverbrechen zum Opfer fiel. Konkrete Hinweise auf sexuellen Missbrauch gibt es nicht, definitiv ausschließen will die Polizei einen solchen aber nicht.
Die Kriminalpolizeidirektion Freiburg richtet die Sonderkommission Bach ein. Sie bearbeitet Hinweise aus der Bevölkerung, vernimmt Personen, verteilt Flyer und Plakate.
Zeugen hatten den Jungen am Sonntag mit seinem O2-Fußball auf einem Spielplatz bei der Kirche St. Konrad an der Ecke Eichstetter und Komturstraße zuletzt gegen 18.20 Uhr gesehen. Wie der Junge zum mehr als drei Kilometer entfernten Mühlbach in Betzenhausen gekommen war, ist unklar. Über Facebook und WhatsApp kursierten Falschmeldungen und Gerüchte.
Am Freitag, 25. Juli, wird Armani im Kreise von Angehörigen und Trauergästen auf dem Friedhof im Stadtteil Haslach beerdigt. An einem Trauermarsch im Seepark nehmen rund 2000 Freiburgerinnen und Freiburger Teil. Am 5. August wird der Fall in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY – ungelöst" behandelt. Ohne brauchbares Ergebnis.
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http://www.badische-zeitung.de/freiburg/ein-jahr-ist-vorbei-bleibt-der-fall-armani-ungeloest--108034189.html
"20. Juli 2015 12:05 Uhr
Toter Junge
Ein Jahr ist vorbei: Bleibt der Fall Armani ungelöst?
Ein Jahr nach der Tat weiß die Polizei noch immer nicht, wer Armani erwürgt hat. Ein Stadtteil sehnt sich nach Alltag, eine Minderheit nach Respekt, eine Ermittlungsgruppe nach Erfolgen.
Die Sonne scheint, als sei nichts gewesen. Der Spielplatz im Freiburger Viertel Brühl-Beurbarung liegt verlassen in der Nachmittagshitze. Nur vier Halbstarke sitzen auf einer Bank und rauchen. Liegt es an den Temperaturen, dass hier keine Kinder spielen? Ist es die Uhrzeit? Oder die Vergangenheit des Ortes?
Vor genau einem Jahr ist ein Junge von hier verschwunden. Als man ihn findet, ist er tot. Erwürgt. Noch immer gibt es keinen Hinweis darauf, wer den achtjährigen Armani getötet hat. Die Polizei stochert in trübem Wasser umher.
An der Südseite des Spielplatzes regt sich etwas. Dort, wo die Spielfläche endet und der Katholische Kindergarten St. Konrad beginnt, hängt eine Frau ein Poster auf. "Spielaktionen für die ganze Familie", steht darauf. Es ist eine Einladung des Familienzentrums zu kostenlosen Nachmittagen auf dem Spielplatz, Armanis Spielplatz. Spricht man die Frau auf den toten Jungen an, verdunkeln sich ihre Augen. Armanis Geschichte kennt sie gut. "Es macht mich immer noch traurig", sagt sie. Eltern und Kinder beschäftige der mysteriöse Tod des Jungen. Sie kenne eine Mutter, die den Spielplatz deshalb meide.
Warum wurde der Täter noch nicht gefasst?
Dabei weiß niemand, was auf dem Spielplatz passiert ist. Um 18:20 Uhr am 20. Juli 2014 wird Armani dort das letzte Mal gesehen. Dann ist er weg. Seine Familie verständigt die Polizei. Beamte und Spürhunde suchen nach dem Kind. Die Familie durchkämmt die Straßen ihres Viertels und ruft den verlorenen Sohn, Enkel, Bruder, Neffen, Cousin. Bis spät in die Nacht hören Anwohner in Brühl-Beurbarung den Namen eines Kindes, den die Stadt so bald nicht vergessen wird.
Vor dem Kindergarten St. Konrad betrachtet die Frau zufrieden ihr Werk. Das Poster mit der Einladung schmückt sie mit zwei roten Luftballons. Mit Namen in der Zeitung auftauchen, das möchte sie nicht. Armani ist in Brühl-Beurbarung noch immer ein delikates Thema. Die Rückkehr zum Alltag schreite langsam voran, so die Frau. "Aber viele im Viertel fragen sich, warum die Sonderkommission aufgelöst wurde. Wie kann es sein, dass sie den Täter immer noch nicht haben?"
Am 21. Juli 2014 biegt ein Polizeiauto in die Eichstetter Straße in Brühl-Beurbarung. Lautes Wehklagen weckt das Viertel. Zwölf Stunden nach seinem Verschwinden ist Armani aufgetaucht. Tot. Ein Spaziergänger hat ihn in einem Bach gefunden, dreieinhalb Kilometer vom Spielplatz und seinem Zuhause entfernt.
Hinter dem Kindergarten St. Konrad spaziert ein älterer Herr in einem Muskelshirt dem Spielplatz entgegen. Er führt einen kleinen Hund an der Leine und einen französischen Akzent im Mund. "Die Leute im Viertel reden. Manche sagen, es war die Mafia, andere sagen, es war die Familie selbst, wieder andere sagen, der Sinti-Hintergrund habe irgendwas damit zu tun. Ich finde: Die sollen einfach die Polizei ihre Arbeit machen lassen." Ein Passant hört das – und schaltet sich ein: "Aber die haben doch die Ermittlungen eingestellt."
Zu Spitzenzeiten fahndet die Sonderkommission Bach mit 70 Beamten nach Armanis Mörder. Ohne Ergebnis. Nach und nach wird die Soko verkleinert. Ihr Leiter geht, ein neuer kommt, als die Soko im April schließlich einer Ermittlungsgruppe weicht. Derzeit widmen sich noch 12 Beamte diesem Fall, nur diesem Fall. Ihr Leiter, Thomas Schönefeld, sagt: "Wir sind noch lange nicht am Ende der Ermittlungen angelangt."
Armanis Familie verdoppelt die Belohnung
Im Auggener Weg in Weingarten herrscht Leben auf der Straße. In der Sinti-Siedlung spielen Kinder Fangen, junge Männer schrauben an ihren Autos herum, Mütter sitzen gemeinsam im Schatten und schwatzen. Die meisten Familien, die hier wohnen, tragen den Nachnamen von Armani. "Wir sind fast alle irgendwie miteinander verwandt", erklärt eine Frau, die mit zwei Freundinnen auf einer Bank sitzt. "Aber nur eine Familie hier aus der Siedlung ist direkt mit Armanis Familie verwandt." Den Jungen habe man hier kaum gekannt. Ihre Sitznachbarin schaltet sich ein: "Aber sein Tod hat uns sehr getroffen. Wir sind eine so kleine Minderheit, da kennt man sich schon. Und passt aufeinander auf."
Die Familie, wer auch immer sich genau dazuzählt, hält zusammen. Und legt zusammen. Die erweiterte Verwandtschaft von Armani hat die Belohnung von 10.000 Euro kürzlich verdoppelt. Wer der Polizei Hinweise liefert, die zur Ergreifung des Menschen führen, der Armani getötet hat, soll 20.000 Euro erhalten. 6000 Euro hat die Staatsanwaltschaft kurz nach der Tat ausgesetzt, 4000 ein Privatmann. Die Familie setzt ihre Hoffnungen nun in 10.000 Euro.
Im Auggener Weg dreht sich das Gespräch weiter um den ganz entfernt verwandten getöteten Jungen. Einer Frau mittleren Alters wird das zu viel. "Ich kriege Gänsehaut, sagt sie", erhebt sich von der Parkbank und geht, sich selbst umarmend, als sei ihr kalt. Die anderen zwei Mütter sind nun bei m Thema Gerüchte angekommen. "Es kann kein Sinti gewesen sein", sagt eine. "Kinder sind uns doch das Teuerste." Die andere differenziert: "Selbst wenn herauskommen sollte, dass ein Sinti Armani getötet hat, Gott bewahre, dann ist das kein Mord im Milieu. Wir sind brave Leute hier. Das ist so, als würde man sagen, ein Schwabe hat einen anderen Schwaben umgebracht", sagt die Frau in breitestem Badisch.
"Ich bin angetreten, um diesen Fall zu lösen. Aber ich bin Realist genug, um zu wissen, dass es auch ungeklärte Fälle gibt" Thomas Schönefeld, Leiter der Ermittlungsgruppe
Ein Kind wird getötet – und die Polizei kann keinen Täter finden: Das ist fruchtbarer Nährboden für Spekulationen. Auch ein Jahr nach dem Tod von Armani kursieren immer wieder neue Gerüchte in der Stadt. Der Vater soll es gewesen sein. Ein rivalisierender Sinti-Clan. Die russische Drogenmafia, mit der Verwandte des Jungen im Gefängnis aneinander geraten sein sollen. Viele Gerüchte drehen sich um die Herkunft des Kindes und seiner Familie.
Im Auggener Weg fühlt man sich diskriminiert. "Das ist verletzend, wenn erzählt wird, wir töten unsere eigenen Kinder", sagt ein junger Vater empört, der die Fremde in der Siedlung bemerkt und ihr seine Hilfe angeboten hat. Er sitzt auf einem verdellten Moped. Ein Freund kommt hinzu. "Seit dem Tod von Armani passen wir noch besser auf unsere Kinder auf. Ein Erwachsener ist immer am Gucken." Vielleicht sei der Mord ja auch rassistisch motiviert gewesen. Ein paar Kinder kommen neugierig dazu. Die Männer schicken sie weg. Sie sollen keine Alpträume kriegen. Der Todesfall habe die Kinder sehr erschüttert. "Und wir sind auch noch beunruhigt. Zumal der Mörder ja immer noch frei herumläuft."
Sucht die Polizei einen Täter – oder eine Täterin?
Die Polizei ist 1440 Spuren nachgegangen, über 5000 Menschen hat sie befragt, 100.000 Seiten Papier und 150 Aktenordner hat sie gefüllt. Sie hat DNA-Spuren auswerten lassen und den Rat von Spezialisten des Landeskriminalamtes eingeholt – und weiß noch nicht mal, ob sie einen Mann oder eine Frau sucht. Die Nacht, in der Armani getötet wurde, war die nasseste des Jahres. Starker Regen und das Wasser des Baches haben viele Spuren zerstört.
Nur wenige hundert Meter von eben diesem Bach entfernt, im Polizeipräsidium in der Bissierstraße, sitzt der Leiter des Teams, das sich seit einem Jahr an dem Fall die Zähne ausbeißt. Thomas Schönefeld trägt eine schwarze Brille, ein gewagtes Hemd und die Verantwortung. "Ich bin angetreten, um diesen Fall zu lösen. Aber ich bin Realist genug, um zu wissen, dass es auch ungeklärte Fälle gibt", sagt der Familienvater. Dann setzt er nach: "Wir wollen nicht, dass dieser dazu gehört."
Fall soll zum zweiten Mal bei "Aktenzeichen XY" laufen
So klammert sich die Polizei an jeden Strohhalm. Aktuell sucht sie nach dem Fahrer eines hellen Kleinwagens – bundesweit, denn das Kennzeichen soll mit "M" beginnen und zwei weitere Buchstaben vor dem Strich haben. Auch deshalb möchten die Beamten den Fall in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY – ungelöst" vorstellen. Bereits zwei Wochen nach dem Tod von Armani hatte das Programm den Fall aufgegriffen. In Freiburg war man davon nicht begeistert. Zu früh in den Ermittlungen wähnte man sich. Ein Jahr nach dem Tod sieht das anders aus. Der Fall soll in den Köpfen der Menschen bleiben. Aber einen Sendetermin gibt es wohl erst Ende des Jahres.
Zwei Kilometer südlich vom Polizeipräsidium liegt das tote Kind. Sein Grab auf dem Friedhof Haslach ist zu klein für die vielen Engel-Figürchen und Kerzen. Sie breiten sich auf den Kiesweg davor aus. Ein altes Ehepaar spaziert vorbei und wirft einen Seitenblick auf das Kindergrab. Die Frau fragt ihren Mann: "Glaubst du, die finden den Täter noch?"
Chronik: Der Fall Armani
Am Abend des 20. Juli melden seine Eltern den acht Jahre alten Armani im Stadtteil Brühl als vermisst; die Polizei leitet noch am gleichen Abend eine groß angelegte Suche ein – erfolglos. Am Montag, 21. Juli, findet ein Spaziergänger gegen 6.45 Uhr den leblosen Körper des Jungen im Mühlbach im Stadtteil Betzenhausen beim Kleingartengelände Vogelnest. Die Obduktion ergibt, dass er einem Gewaltverbrechen zum Opfer fiel. Konkrete Hinweise auf sexuellen Missbrauch gibt es nicht, definitiv ausschließen will die Polizei einen solchen aber nicht.
Die Kriminalpolizeidirektion Freiburg richtet die Sonderkommission Bach ein. Sie bearbeitet Hinweise aus der Bevölkerung, vernimmt Personen, verteilt Flyer und Plakate.
Zeugen hatten den Jungen am Sonntag mit seinem O2-Fußball auf einem Spielplatz bei der Kirche St. Konrad an der Ecke Eichstetter und Komturstraße zuletzt gegen 18.20 Uhr gesehen. Wie der Junge zum mehr als drei Kilometer entfernten Mühlbach in Betzenhausen gekommen war, ist unklar. Über Facebook und WhatsApp kursierten Falschmeldungen und Gerüchte.
Am Freitag, 25. Juli, wird Armani im Kreise von Angehörigen und Trauergästen auf dem Friedhof im Stadtteil Haslach beerdigt. An einem Trauermarsch im Seepark nehmen rund 2000 Freiburgerinnen und Freiburger Teil. Am 5. August wird der Fall in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY – ungelöst" behandelt. Ohne brauchbares Ergebnis.
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http://www.badische-zeitung.de/freiburg/ein-jahr-ist-vorbei-bleibt-der-fall-armani-ungeloest--108034189.html