Armani (8) 2014 bei Freiburg getötet aufgefunden
17.02.2015 um 20:38INTERVIEW MIT DEM LEITER DER SONDERKOMMISSION
>>Seit einem halben Jahr jagt Peter Grün den Mörder des kleinen #Armani.
1130 Spuren ist er schon nachgegangen. Fasst er ihn?.
Der Chef der Sonderkommission im Fall Armani sieht überarbeitet aus. Augenringe zeugen davon, dass Peter Grün seit dem Mord an dem achtjährigen Jungen in #Freiburg wenig schläft. Tadellos gekleidet ist der 44-Jährige trotzdem. Er möchte nicht das Gesicht des Mordfalls sein. Er will ihn nur lösen. Dennoch versperrt sich der Kriminalrat persönlichen Fragen nicht. Charlotte Janz sprach mit ihm über große Aufgaben, kleine Erfolge und wahnsinnige Ermittler.
BZ: Herr Grün, wie viele Überstunden zeigt ihr Arbeitskonto gerade an?
Grün: Genau habe ich das nicht im Kopf. Aber es sind viele. Und es werden immer mehr. Circa 380? Bisher hatte ich einen Tag seit dem #Mord an Armani frei.
BZ: Was haben Sie da gemacht?
Grün: Ich musste zum Zahnarzt.
BZ: Wissen Sie überhaupt noch, was Entspannung ist?
Grün: Wenn ich zuhause bei meiner Familie bin, kann ich mich gut entspannen.
BZ: Vergessen Sie da den Mordfall?
Grün: Ich kann ihn ausblenden. Momentweise. Etwa wenn ich mit meinen zwei Jungs spiele. Vergessen werde ich ihn nie.
BZ: Träumen Sie auch von dem Fall?
Grün: Nein. Ich schlafe mit Gedanken daran ein und wache mit Gedanken daran auf. Aber dazwischen schlafe ich einfach.
BZ: Wo waren Sie, als Sie den Anruf mit der Nachricht vom Kindsmord erhalten haben?
Grün: Das weiß ich noch ganz genau. Ich hatte gerade die Kinder in den Kindergarten gebracht und kam zuhause zur Tür herein. Da klingelte das Telefon.
BZ: Was war Ihr erster Gedanke?
Grün: Ich muss packen. Weil klar war, dass ich so schnell nicht wieder nach Hause kommen würde.
BZ: Wieso?
Grün: Ich wohne in Waldshut und pendle nach Freiburg. Dort habe ich ein Zimmer für lange Arbeitstage. Nach Armanis Tod kam ich zwei Wochen nicht nach Hause.
BZ: Mit 44 Jahren die Leitung der Soko zum ersten Kindsmord in Freiburg seit über hundert Jahren zu übernehmen, ist eine Aufgabe, von der man sich übermannt fühlen kann.
Grün: So ging es mir nicht. Ich habe mich eher über das Vertrauen gefreut. Dass man mir die Leitung dieser Sonderkommission übergeben hat, war doch ein indirektes Lob.
BZ: Inwiefern spielt es in Ihre Arbeit rein, dass Sie selbst Vater zweier kleiner Kinder sind?
Grün: Überhaupt nicht.
BZ: Das klingt abgebrüht.
Grün: Wir haben eine professionelle Distanz zu dem Sachverhalt, um das jetzt mal ganz technisch auszudrücken. Aber natürlich bin ich als Vater emotional betroffener und stelle mir vor: Was wäre, wenn das meiner Familie passieren würde? Aber das sind Gedanken, die ich mir abends zuhause mache, im Kreise der Familie. Nicht als Soko-Chef.
BZ: Dennoch: Persönliche Betroffenheit ist da. Wie wirkt sich das auf die Arbeit aus?
Grün: Es treibt mich an. Diesen #Mörder müssen wir kriegen.
BZ: Eine Faustregel der Polizei lautet, eine Soko dauert 6 Tage, 6 Wochen oder 6 Monate. Armanis Tod liegt nun bald ein halbes Jahr zurück. Was kommt dann?
Grün: Wir sind immer noch dabei, den Täter zu ermitteln – in den Strukturen einer Sonderkommission, und dabei wird es auch erstmal bleiben. Wann eine Soko beendet wird, hängt vom Stand der Ermittlungen ab. Irgendwann gelangen wir an einen Punkt, da können wir nichts mehr tun. Alles Denkbare wurde ermittelt. Wenn dann der Täter nicht dabei ist, war’s das. Dann bringt es auch nichts, wenn wir 40 Beamten nur für den Fall abstellen. Mitarbeiter ohne richtigen Auftrag loszuschicken, ist sinnlos. Dann gehen wir wieder in die Alltagsorganisation über. Der Fall wird trotzdem weiterbearbeitet, aber begleitend.
BZ: Wie sieht der Zeitplan der Soko für den Fall Armani aus?
Grün: Bislang haben wir 1130 Spuren bearbeitet. 181 Spuren müssen wir noch abarbeiten.
BZ: Und dann haben Sie den Mörder gefunden oder die Soko wird aufgelöst?
Grün: …oder es haben sich aus den 181 Spuren wieder neue ergeben. Dann ermitteln wir daran weiter. Sonst haben Sie Recht: Dann würden wir die Soko beenden und in einer Ermittlungsgruppe weiterarbeiten. Das sind dann immer noch fünf bis zehn Mann, die den Fall vorantreiben würden.
BZ: Viele Freiburger denken: Wenn die Polizei den Mörder jetzt nicht hat, findet sie ihn nie. Was sagen Sie dazu?
Grün: Wir kriegen den Täter. Wir sind auf gutem Wege. Ich bin sehr zuversichtlich.
BZ: Wieso sind Sie sich da so sicher?
Grün: Weil wir noch 181 Spuren haben.
BZ: Aber 1130 Spuren, denen Sie schon gefolgt sind, haben keinen Erfolg gebracht.
Grün: Sie müssen das so sehen: Die 181 Spuren, die wir jetzt noch haben, sind ja schon das Resultat von kriminalistischer Arbeit. Das sind Folgespuren aus Spuren, die wir zuvor abgearbeitet haben.
BZ: Die sind also heißer als der Rest?
Grün: Wenn Sie so wollen, ja. Wir ziehen die Kreise jetzt immer etwas enger. Ausgangslage war: Wir suchen einen Täter in Freiburg. Da kamen dann vielleicht 40 000 in Frage. Jetzt sind wir viel weiter.
BZ: Es gibt Fälle, die bleiben ungelöst. Maddie zum Beispiel.
Grün: Aber wir haben noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Der ist nicht ungelöst. Wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann können wir uns darüber unterhalten. Aber noch gibt es viel zu ermitteln.
BZ: Die gesamte Befragung von 3100 Anwohnern läuft unter der Spur Nummer 841. Was für andere Spuren haben Sie verfolgt?
Grün: Taxifahrer waren zum Beispiel noch eine Spur. Sie sind in der Regel gute Zeugen. Sie kommen viel herum in der Stadt, sehen viel, haben oft feste Gebiete, in denen sie stehen. Die bemerken Unregelmäßigkeiten. Alle Taxifahrer, die in der Todesnacht von Armani Dienst hatten, wurden ermittelt und befragt. Zu ihren Insassen, den Fahrten, Vorkommnissen in der Nacht. Wo es möglich war, haben wir die Fahrgäste ausfindig gemacht und die wiederum befragt, ob sie auf der Fahrt etwas durchs Fenster beobachtet haben. Das alles war eine Spur.
BZ: Sind Sie dem Täter schon nah auf den Fersen?
Grün: Das kann ich Ihnen nicht sagen.
BZ: Sie können mir vieles nicht sagen. Belastet Sie die Schweigepflicht manchmal?
Grün: Einerseits ist sie Schutz und Befreiung. Im Privaten kann ich so gar nicht über die Arbeit sprechen. Fragt mich meine Frau, was es Neues von der Soko gibt, dann sage ich: Viel, wir sind dran. Und damit ist das Thema dann erledigt.
BZ: Andererseits?
Grün: Manchmal würde ich gerne erzählen, was wir schon alles herausgefunden haben. Aber das darf ich nicht.
BZ: Die Öffentlichkeit misst ihre Arbeit daran, ob Sie den Täter finden oder nicht. Wie kämen Sie damit zurecht, wenn Sie ihn nicht finden würden?
Grün: Ich weiß es nicht. Das müssen Sie mich fragen, wenn es soweit ist. Ich denke, es würde an mir nagen.
BZ: In Friedrich Dürrenmatts Roman "Das Versprechen" wird ein Ermittler verrückt, weil er einen Kindsmord nicht aufklären kann.
Grün (lacht): Da sehe ich keine Gefahr für mich. Ich werde nicht nachts durch Freiburg streifen und eigenhändig nach dem Mörder suchen.<<
http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/interview-mit-dem-leiter-der-sonderkommission--97625031.html
>>Seit einem halben Jahr jagt Peter Grün den Mörder des kleinen #Armani.
1130 Spuren ist er schon nachgegangen. Fasst er ihn?.
Der Chef der Sonderkommission im Fall Armani sieht überarbeitet aus. Augenringe zeugen davon, dass Peter Grün seit dem Mord an dem achtjährigen Jungen in #Freiburg wenig schläft. Tadellos gekleidet ist der 44-Jährige trotzdem. Er möchte nicht das Gesicht des Mordfalls sein. Er will ihn nur lösen. Dennoch versperrt sich der Kriminalrat persönlichen Fragen nicht. Charlotte Janz sprach mit ihm über große Aufgaben, kleine Erfolge und wahnsinnige Ermittler.
BZ: Herr Grün, wie viele Überstunden zeigt ihr Arbeitskonto gerade an?
Grün: Genau habe ich das nicht im Kopf. Aber es sind viele. Und es werden immer mehr. Circa 380? Bisher hatte ich einen Tag seit dem #Mord an Armani frei.
BZ: Was haben Sie da gemacht?
Grün: Ich musste zum Zahnarzt.
BZ: Wissen Sie überhaupt noch, was Entspannung ist?
Grün: Wenn ich zuhause bei meiner Familie bin, kann ich mich gut entspannen.
BZ: Vergessen Sie da den Mordfall?
Grün: Ich kann ihn ausblenden. Momentweise. Etwa wenn ich mit meinen zwei Jungs spiele. Vergessen werde ich ihn nie.
BZ: Träumen Sie auch von dem Fall?
Grün: Nein. Ich schlafe mit Gedanken daran ein und wache mit Gedanken daran auf. Aber dazwischen schlafe ich einfach.
BZ: Wo waren Sie, als Sie den Anruf mit der Nachricht vom Kindsmord erhalten haben?
Grün: Das weiß ich noch ganz genau. Ich hatte gerade die Kinder in den Kindergarten gebracht und kam zuhause zur Tür herein. Da klingelte das Telefon.
BZ: Was war Ihr erster Gedanke?
Grün: Ich muss packen. Weil klar war, dass ich so schnell nicht wieder nach Hause kommen würde.
BZ: Wieso?
Grün: Ich wohne in Waldshut und pendle nach Freiburg. Dort habe ich ein Zimmer für lange Arbeitstage. Nach Armanis Tod kam ich zwei Wochen nicht nach Hause.
BZ: Mit 44 Jahren die Leitung der Soko zum ersten Kindsmord in Freiburg seit über hundert Jahren zu übernehmen, ist eine Aufgabe, von der man sich übermannt fühlen kann.
Grün: So ging es mir nicht. Ich habe mich eher über das Vertrauen gefreut. Dass man mir die Leitung dieser Sonderkommission übergeben hat, war doch ein indirektes Lob.
BZ: Inwiefern spielt es in Ihre Arbeit rein, dass Sie selbst Vater zweier kleiner Kinder sind?
Grün: Überhaupt nicht.
BZ: Das klingt abgebrüht.
Grün: Wir haben eine professionelle Distanz zu dem Sachverhalt, um das jetzt mal ganz technisch auszudrücken. Aber natürlich bin ich als Vater emotional betroffener und stelle mir vor: Was wäre, wenn das meiner Familie passieren würde? Aber das sind Gedanken, die ich mir abends zuhause mache, im Kreise der Familie. Nicht als Soko-Chef.
BZ: Dennoch: Persönliche Betroffenheit ist da. Wie wirkt sich das auf die Arbeit aus?
Grün: Es treibt mich an. Diesen #Mörder müssen wir kriegen.
BZ: Eine Faustregel der Polizei lautet, eine Soko dauert 6 Tage, 6 Wochen oder 6 Monate. Armanis Tod liegt nun bald ein halbes Jahr zurück. Was kommt dann?
Grün: Wir sind immer noch dabei, den Täter zu ermitteln – in den Strukturen einer Sonderkommission, und dabei wird es auch erstmal bleiben. Wann eine Soko beendet wird, hängt vom Stand der Ermittlungen ab. Irgendwann gelangen wir an einen Punkt, da können wir nichts mehr tun. Alles Denkbare wurde ermittelt. Wenn dann der Täter nicht dabei ist, war’s das. Dann bringt es auch nichts, wenn wir 40 Beamten nur für den Fall abstellen. Mitarbeiter ohne richtigen Auftrag loszuschicken, ist sinnlos. Dann gehen wir wieder in die Alltagsorganisation über. Der Fall wird trotzdem weiterbearbeitet, aber begleitend.
BZ: Wie sieht der Zeitplan der Soko für den Fall Armani aus?
Grün: Bislang haben wir 1130 Spuren bearbeitet. 181 Spuren müssen wir noch abarbeiten.
BZ: Und dann haben Sie den Mörder gefunden oder die Soko wird aufgelöst?
Grün: …oder es haben sich aus den 181 Spuren wieder neue ergeben. Dann ermitteln wir daran weiter. Sonst haben Sie Recht: Dann würden wir die Soko beenden und in einer Ermittlungsgruppe weiterarbeiten. Das sind dann immer noch fünf bis zehn Mann, die den Fall vorantreiben würden.
BZ: Viele Freiburger denken: Wenn die Polizei den Mörder jetzt nicht hat, findet sie ihn nie. Was sagen Sie dazu?
Grün: Wir kriegen den Täter. Wir sind auf gutem Wege. Ich bin sehr zuversichtlich.
BZ: Wieso sind Sie sich da so sicher?
Grün: Weil wir noch 181 Spuren haben.
BZ: Aber 1130 Spuren, denen Sie schon gefolgt sind, haben keinen Erfolg gebracht.
Grün: Sie müssen das so sehen: Die 181 Spuren, die wir jetzt noch haben, sind ja schon das Resultat von kriminalistischer Arbeit. Das sind Folgespuren aus Spuren, die wir zuvor abgearbeitet haben.
BZ: Die sind also heißer als der Rest?
Grün: Wenn Sie so wollen, ja. Wir ziehen die Kreise jetzt immer etwas enger. Ausgangslage war: Wir suchen einen Täter in Freiburg. Da kamen dann vielleicht 40 000 in Frage. Jetzt sind wir viel weiter.
BZ: Es gibt Fälle, die bleiben ungelöst. Maddie zum Beispiel.
Grün: Aber wir haben noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Der ist nicht ungelöst. Wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann können wir uns darüber unterhalten. Aber noch gibt es viel zu ermitteln.
BZ: Die gesamte Befragung von 3100 Anwohnern läuft unter der Spur Nummer 841. Was für andere Spuren haben Sie verfolgt?
Grün: Taxifahrer waren zum Beispiel noch eine Spur. Sie sind in der Regel gute Zeugen. Sie kommen viel herum in der Stadt, sehen viel, haben oft feste Gebiete, in denen sie stehen. Die bemerken Unregelmäßigkeiten. Alle Taxifahrer, die in der Todesnacht von Armani Dienst hatten, wurden ermittelt und befragt. Zu ihren Insassen, den Fahrten, Vorkommnissen in der Nacht. Wo es möglich war, haben wir die Fahrgäste ausfindig gemacht und die wiederum befragt, ob sie auf der Fahrt etwas durchs Fenster beobachtet haben. Das alles war eine Spur.
BZ: Sind Sie dem Täter schon nah auf den Fersen?
Grün: Das kann ich Ihnen nicht sagen.
BZ: Sie können mir vieles nicht sagen. Belastet Sie die Schweigepflicht manchmal?
Grün: Einerseits ist sie Schutz und Befreiung. Im Privaten kann ich so gar nicht über die Arbeit sprechen. Fragt mich meine Frau, was es Neues von der Soko gibt, dann sage ich: Viel, wir sind dran. Und damit ist das Thema dann erledigt.
BZ: Andererseits?
Grün: Manchmal würde ich gerne erzählen, was wir schon alles herausgefunden haben. Aber das darf ich nicht.
BZ: Die Öffentlichkeit misst ihre Arbeit daran, ob Sie den Täter finden oder nicht. Wie kämen Sie damit zurecht, wenn Sie ihn nicht finden würden?
Grün: Ich weiß es nicht. Das müssen Sie mich fragen, wenn es soweit ist. Ich denke, es würde an mir nagen.
BZ: In Friedrich Dürrenmatts Roman "Das Versprechen" wird ein Ermittler verrückt, weil er einen Kindsmord nicht aufklären kann.
Grün (lacht): Da sehe ich keine Gefahr für mich. Ich werde nicht nachts durch Freiburg streifen und eigenhändig nach dem Mörder suchen.<<
http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/interview-mit-dem-leiter-der-sonderkommission--97625031.html