Ende des Internet
21.07.2008 um 16:27
Ich will es hier nicht unbedingt vollkleistern aber:
Hier, ein Auszug aus dem Welt der Wunder-Magazin:
WIRD DAS INTERNET IM JAHR 2010 ZUM SCHWARZEN LOCH?
Experten befürchten, dass das Netz unter riesigen Datenmassen zusammenbricht.
Obwohl es gerade mal ein Teenager ist, hat das Internet mehr Krankheiten als ein Hundertjähriger. Ausgerechnet die Erfolgsgeschichte der letzten Jahre könnte dem Netz den Todesstoß versetzen: YouTube, Goggle Earth, BitTorrent, iTunes - das sind die Namen der Sargnägel des WWW. Diese Webseiten und Services übertragen riesige Datenmengen, und längst ächzt das Internet unter dieser Last. Der Bundesverband Breidbandkommunikation schätzt, das YouTube allein für zehn Prozent aller Daten verantwortlich ist, die durch das Netz fließen. Tauschbörsen für Musik und Filme machen 25 Prozent des Netz-Verkehrs aus. Da fließen gewaltige Mengen an Informationen. "Die an eniem Tag verschobenen Datenmengen summieren sich immerhin auf einen 500 Meter hohen Turm von DVDs, allein in Deutschland", sagt der Netzexperte Gerd Pasch. Und alles wird noch viel schlimmer werden, wenn erst im großen Stil Filme legal über das Internet gehandelt werden. Außerdem wollen hunderte TV-Sender ihr ganzes Programm über das Netz verbreiten, und auch ein Großteil der Telefongespräche soll über das Internet laufen.
Doch schon 2010 könnte die Info-Last so groß werden, dass das Internet zusammenbricht. Exoerten sprechen von der drohenden Netz-Singularität. Eigentlich stammt der Begriff aus der Astronomie. Dort ist der Zustand im inneren eines schwarzen Lochs gemeint, entstanden durch den Zusammenbruch eines Sterns. Auch der Internet-Stern könnte zum datenfressenden schwarzen Loch kollabieren. Der Grund: Das Internet ist nur scheinbar ein ätherisches Digital-Geschöpf. Denn es hat einen festen Körper - Datenkabel. Ohne diese Kabel läuft gar nichts. Und die haben nur eine begrenzte Kapazität. Die beiden Materialien, die hauptsächlich verwenden, sind Glasfasern und Kupfer. Durch die Glasfaserkabel wird die Information in Form von Lichtsignalen geleitet. Das sind wahre Superverbindingen, die durch Ozeane ganze Kontinente vernetzen, aber auch unter unseren Strassen liegen. Und die Glasfaserkabel stoßen noch lange nicht an ihre Kapazitätsgrenzen. Das Problem ist das Kupferkabel, durch das die Information als elektrisches Signal fließt, oder besser tröpfelt. Die letzten Meter vom Glasfaser-Kabel in der Straße zur Internetbuchse im Haushalt erledigen fast überall auf der Welt die langsameren Kupferkabel. Das ist ungefähr so, als zapfte man mit einem Strohalm Wasser aus einem Feuerwehrschlauch. Allein in den USA würde es knapp 40 Milliarden Dollar kosten, das Netz zu modernisieren und schneller zu machen, errechnete das US-Forschungsunternehmen Nemertes. Dazu müsste vor allem ein Großteil der Haushalte direkt über Glasfaser ins Netz gehen. Wenn das nicht geschieht, werden alle Internetverbindungen unerträglich langsam - ähnlich wie in den Zeiten der Telefonmodems. Niemand kann das Netz noch sinnfoll nutzen. "Wir müssen die Netzkapazitäten ganz dringend erhöhen. Sonst stürzt der Stillstand das Internet ins Chaos. Aber selbst dann sind wir vielleicht nicht auf den nächsten Super-Erfolg à la YouTube vorbereitet", sagt Larry Irving von der Internet Innovation Alliance.
LASSEN GROSSE KONZERNE DAS INTERNET AUSTROCKNEN?
Apple und Microsoft wollen den Zugang zum WWW unter Kontrolle bringen und Konkurenten aussperren.
Eine düstere Zukunft für das Internet sieht auch Jonathan Zittrain. Der Professor für Internet Governance erforscht die Hightech-Werl an einem historischen Ort. Sein Oxford Internet Institute ist an einem der gothischen Gebäude der uralten Universitätssdadt untergebracht. Direkt nebenan ist der "Eagle and the Child"-Pub, wo einstmals J.R.R. Tolkien und C.S. Lewis sich gemeinsam Fantasy-Geschichten ausdachten. Gerade hat Zittrain ein Buch veröffentlicht: "Die Zukunft des Internets - Und wie wir sie verhindern können". Darin heißt es; "Die Zukunft, die sich gerade vor unseren Augen entfaltet, ist ganz anders als die Vergangenheit des Netzes. Es wird keine PCs mehr geben, die mit einem schöpferischen Netzwerk verbunden sind. Stattdessen bekommen wir sterile Anwender-Maschinen, die an einem Netzwerk der Kontrolle hängen". Die Feinde des Internets sieht Zittrain in Geräten wie dem iPhone, der Xbox oder der PlayStation. Sie verflechten das Internet mit vielen neuen Anwendungen und werden für immer mehr Menschen zum Tor in die Online-Welt. Aber es gibt einen Unterschied zu den PCs, mit denen wir heute ins Netz gehen. Die Nutzer können auf einer Xbox oder im iPhone nicht nach belieben Software laufen lassen, sie können keine Programme schreiben oder irgendwo herunterladen. Was auf diesen Geräten läuft, kontrollieren die Hersteller, etwa Bill Gates, der Herr über die Xbox. Der sagt über die Konsole: "Eigentlich ist das ein komplett nutzbarer Computer. Wenn es nur ein Spielzeug wäre, hätten wir es nicht gemacht. Das war unsere Strategie, um in die Wohnzimmer der Leute zu kommen". Für Zittrain eine katastrophale Entwicklung. Das Fazit seines Buches: Mit dem PC stirbt die Kreativität des Internets. "Durch den Angriff auf den PC und den Aufstieg der angeleinten Anwendergeräte geht verloren, was wir heute für selbstverständlich halten: eine Welt, in der Außenseiter Technologie revolutionieren". schreibt Zittrain. Die anarchischen Erfolgsgeschichten des Internets sind Vergangenheit, wenn Megakonzerne die Anwendung kontrollieren.
ÜBERFLUTET UNS DAS INTERNET DER DINGE MIT INFORMATIONEN?
Es wird immer schwieriger, im Netz bestimmte Informationen zu finden.
Nun sollen Milliarden neue Objekte online gehen.
Die Liste der Krankheiten des Internets ist noch länger. Da gibt es die Gefahr des "weißen Rauschens". Schon heute liefert eine normale Google-Anfrage Millionen Treffer: eine Informationsfülle, in der die richtigen Antworten immer schwerer zu finden sind. Nun wollen Experten ein Internet der Dinge aufbauen, das unvorstellbar viele zusätzliche Objekte mit dem Netz verbindet - vom Päckchen bis zur Winterjacke. "Das Internet der Dinge ist die Vision von Milliarden physikalischer Gegenstände, ausgestattet mit Embedded Chips mit Kommunikationsfähigkeit, Sensoren, Aktuatoren und über Funkwellen mit dem Netz verbunden", sagt Gérald Santucci, Netz-Experte bei der EU-Kommission. Doch wenn jeder Brief und jeder Joghurtbecher ständig dem Internet berichten, ob der Brief vielleicht geknickt wird oder der Joghurt zu warm ist, füllt sich das Netz mit einer unvorstellbaren Informationsmenge. Das Internet der Dinge eröffnet für unsere Wissensgesellschaft eine ganz neue Dimension. Doch die Informationsfluten könnten zu groß werden, und niemand findet mehr, wonach er sucht. Eine total vernetzte Welt wird außerdem den Hang zur totaler Kontrolle noch weiter schüren. So wollen etwa Verkehrsplaner alle Autos als Teil des Internets der Dinge miteinander vernetzen. Sie könnten einander ihre Position mittteilen und vor Staus warnen. Doch dann wird es auch möglich, dass unser Bewegungsprofil gespeichert und ausgewertet wird.
Auf ein weiteres Problem hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwiklung (OECD) hingewiesen. Sie gab kürzlich bekannt, dass 85 Prozent aller möglichen IP-Adressen mittlerweile vergeben sind. Dabei sind das immerhin 4,3 Milliarden Adressen. Mit einer solchen IP-Adresse ist jeder Computer im Internet identifizierbar. Spätestens 2011 sollen sämtliche Adressen im Gebrauch sein, dann könnten keine zusätzlichen Rechner ins Netz. "Die Situation ist kritisch für die Zukunft der Internet-Ökonomie", heißt es im OECD-Bericht.
GIBT ES FÜR DAS INTERNET EINE WIEDERGEBURT?
Antwortmaschinen, ein Super-Netzwerk und Funktechnologie können uns vor dem Datenkollaps bewahren.
Angesichts der vielen Probleme ist keine Wunderwaffe in Sicht, mit der das Internet gerettet werden kann. Um die Kabel-Engstellen aus der Welt zu schaffen, müssen viel meht Haushalte direkt ans Glasfasernetz angeschlossen werden. In Japan surfen bereits eine ganze Menge Internet-Nutzer über Glas. Dort bietet das Unternehmen NTT Breitband-Anschlüsse mit einer Übertragungsrate 100 Mbit pro Sekunde an. Das VDSL2-Netz, mit dem die deutsche Telekom erst experimentiert, ist halb so schnell. Eine billigere Auflösung des Kabelsalats könnten Funknetze sein. Schon heute surfen viele Nutzer über WLAN, doch das funktioniert nur über Distanzen von höchstens ein paar hundert Metern, allerdings wird inzwischen das WiMAX-Netz aufgebaut. Eine WiMAX-Funkstation kann Surfer im Umkreis von mehreren Kilometern mit dem Netz verbinden, und in Experimenten schaffte das Funknetz eine Übertragungsrate von 108 Mbit pro Sekunde (zu einer anderen Idee für eine kabellose Datenübertragung s. S. 104: "T-Ray"). Mittlerweile hat sich auch das CERN wieder zu Wort gemeldet. An der Geburtsstätte des World Wide Web bereitet man gerade eine Wiedergeburt vor. In wenigen Monaten wird in Genf der LHC-Teilchenbeschleuniger seine Arbeit aufnehmen. Dieses Mega_Experiment liefert Jahr für Jahr 15 Millionen Petabite Daten - eine unvorstellbare Masse, vor der selbst Supercomputer kapitulieren würden. Für diese Flut hat der CERN-Forscher Ian Bird eine Lösung gefunden: Er vernetzt Forschungsinstitute auf der ganzen Welt zu einem Super-Internet. Dafür sind zwar extrem schnelle Datenkabel nötig, aber die Software spielt eine genauso große Rolle. Es wird nicht mehr lange dauern, dann steht das Super-Internet auch Privatpersonen zur verfügung. "Wir tasten uns gerade vor in eine völlig neue Ära. So muss es für die Pioniere des Internets in den 60gern gewesen sein", sagt Ian Bird.
KÖNNEN WIR ALLE GEMEINSAM DAS INTERNET RETTEN?
Der Machthunger der Konzerne hat eine Grenze:
Wir entscheiden, mit welchen Geräten wie ins Netz gehen.
Auch der Mangel an IP-Adressen kann behoben werden. Die OECD empfiehlt, dem Internet eine neue Sprache beizubringen. Derzeit "spricht" das Netz mit einem Code, der IPv4 heißt. Diese Sprache ist völlig veraltet, für den Datentransport ist sie holprig wie ein Feldweg, und sie begrenzt die Zahl der verfügbaren IP-Adressen zu stark. Längst gibt es einen Nachfolger: IPv6. Wenn sämtliche Server auf diesen Code umgestellt würden, könnte das Internet reibungsloser funktionieren. Und dann stünden 340 Sextillionen IP-Adressen zur verfügung. Selbst jedes Sandkörnchen der Welt hätte die Möglichkeit, sich eine Million Internetzugänge zuzulegen.
Vor der Gefahr des "weißen Rauschens" wollen uns Informatiker mit neuen Suchmaschinen schützen. Sie entwickeln Programme, die das Netz nicht mehr nach Stichwörtern durchsuchen wie Google. Die neuen Suchmaschinen sollen wirklich den Inhalt der Webseite begreifen, und sie sollen unsere Fragen verstehen. Einem solchen Programm könnten wir direkt eine Frage stellen und bekämen eine Antwort. "Sempria" ist so eine Software, entwickelt an der Fernuniversität Hagen. Aber noch stecken diese Programme in den Kinderschuhen. Vor allem in der Geschwindigkeit können sie mit Google noch nicht mithalten. Ihre künstliche Intelligenz erfordert eine hohe Rechenleistung. Wenn diese Programme aber erst einmal funktionieren, sind die Suchmaschinen am Ende - dann regieren die Antwortmaschinen das Netz.
Bleibt noch die Gefahr, vor der Jonathan Zittrain warnt: dass das Internet von Konzernen in ihnen genehme Bahnen gelenkt wird. Hier sind wir alle gefragt. "Die Antwort auf diese Gefahr für das Internet ist die Kraft, die das traditionelle Netz überhaupt erst groß gemacht hat. Wir alle sind das gemeinsam gewesen. Wir müssen uns mit dem Internet in seiner ursprünglichen Form identifizieren und dürfen die Vorteile seiner anarchischen Struktur nicht vergessen", sagt Zittrain. Wollen wir in Zukunft mit einem iPhone ins Netz gehen oder mit einem kleinen Rechner, auf dem das freie Linux-Betriebssystem läuft? Wenn jemand das Internet retten kann, dann nur wir selbst.