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DAS "GEHEIMNIS" DES CHRISTLICHEN WEISSAGUNGSBEWEISES
(Wir sehen hier die dichtende Gemeinde vor uns, die die Farben ihres Gemäldes dem Alten Testament entlehnte - Der Theologe Bousset - Kyrios-Christos 72)
Tatsächlich stehen im Neuen Terstament etwa 250 Zitate aus dem Alten Testament und mehr als 900 Anspielungen darauf.
Indes verhält es sich so: Die Evangelisten hatten dem Alten Testament viele vermeintliche Fakten des Lebens Jesu entnommen und bewußt in seine Geschichte hineininterpretiert. Jedermann konnte sie also leicht als "erfüllt" herauslesen.
Das ist keine neue Erkenntnis. Schon 1802 nannte Schelling in einer Vorlesung über über das Studium der Theologie viele neutestamentliche Erzählungen "jüdische Fabeln, erfunden nach der Anleitung messianischer Weissagungen des alten Testaments". (Schelling: Vorlesung über die Methode des akdemischen Studiums, Ausgabe 1803, 203)
Die Passion des biblischen Jesus entspricht nicht der wirklichen Geschichte, sondern wurde aus dem Alten Testament zusammenfabuliert!
Die Evangelisten malten, wie man selbst auf katholischer Seite schreibt, "mit alttestamentlichen Farben" (Meinertz 1, 142)
Schon die Prediger der ersten Gemeinden, so nimmt die neutestamentliche Forschung an, erblickten in diesen jüdischen Schriftstellen eine prophetische Darstellung der letzten Tage Jesu und erzählten mit wörtlichem Anschluß daran, doch meist ohne direkt zu zitieren, seine Passion.
So musste sich natürlich alles erfüllen. Hatte man doch nicht der wirklichen Vorgang wiedergegeben, sondern die Leidensgeschichte aus dem alten Testament erdichtet. Das erhellt schlagend auch die Beobachtung, daß christliche Schriften des 2. Jahrhunderts alttestamentliche Motive in die Leidensgeschichte einführten, die bei den Synoptikern überhaupt nicht oder ganz anders verwertet sind (Vergl. dazu Dibelius - "Botschaft und Geschichte" 1. 224; 326f.)
Gar nicht zu reden davon, daß die Propheten das ZUKÜNFTIGE in der VERGANGENHEITSFORM ausdrücken. Denn diese "Weissagungen" müssten im Alten Testament ja in futuristischer Form stehen.
Wer Petrusbrief 2, 21 ff. und Jesaja 53 miteinander vergleicht, muss nur vergleichen Petr 2, 21 und Jes. 53, 4 - Petr. 2, 22 und Jes. 53, 9 - Petr. 2, 23 und Jes. 53, 9 - Petr 2, 24 und Jes. 53, 11 u. 5 (auch 4-6) - Petr. 2, 25 und Jes. 53, 6
Dies ließe sich nun ad infinitum durchführen und ist auch durchgeführt worden.
Der Theologe Konzelmann schreibt:
"Die Kirche lebt davon, daß die Ergebnisse der wissenschaftlichen Leben-Jesu-Forschung in ihr nicht publik sind."
Nach Auskunft der gesamten kritischen Bibelwissenschaft sind die Evangelien keine zuverlässigen geschichtlichen Grundlagen, sondern bereits beträchtlich weiterentwickelte, aus gläubigem Überschwang entstandene mythologische Literaturprodukte, religiöse Erbauungs- und Missionsschriften. An historischer Realität in unserem Sinne hatten ihre Verfasser überhaupt kein Interesse.
Mit anderen Worten: Die Evangelien sind Produkte der späteren Gemeindephantasie. Die Gemeinde ist der eigentliche Gestalter des Christusbildes gewesen. Uralte Mythen haben dabei Pate gestanden.