Xin Zhui
30.04.2008 um 15:11
Boten aus dem Grab - Chinas Mumien
Lady Dai kann obduziert werden wie eine kürzlich Verstorbene. Ihre Haut ist noch elastisch, das Blut in den Adern noch rot. Die Besonderheit: Lady Dai ist seit über 2.000 Jahren tot. Wie bei anderen Leichen der Han-Dynastie ist ihr Körper jedoch außergewöhnlich gut erhalten. Die Dokumentation zeigt ihre reich geschmückte Grabkammer, vollzieht das Leben der chinesischen Adligen nach und begibt sich auf die Suche nach dem Geheimnis der Han-Konservierungstechnik.
Das Reich der Toten, ein Reich, in dem sich die Adligen zur Zeit der chinesischen Han-Dynastie ein Leben nach dem Tod ersannen, das ebenso prächtig und luxuriös war wie ihr Leben auf Erden. In ihren mit Schätzen angefüllten und unter der Erde verborgenen Palästen wollten sie bis in alle Ewigkeit ihre Lieblingsspeisen genießen, ihre bevorzugte Musik hören und wie zuvor von treuen Dienstboten bedient werden.
Ihre Jenseitsvorstellung kann sich sicherlich mit der der Ägypter messen oder geht sogar noch darüber hinaus - ebenso wie ihre Technik zur Bekämpfung des Zerfalls der Körper. Die in den letzten Jahrzehnten entdeckten Mumien waren trotz ihres hohen Alters ungewöhnlich gut erhalten.
Der am besten konservierte Leichnam, der bis heute entdeckt wurde, ist der einer Han-Aristokratin namens Lady Dai. Mehr als 2.000 Jahre nach ihrem Tod ist ihre Haut immer noch elastisch und das Blut in ihren Adern immer noch rot. Die Wissenschaftler konnten an ihrem Körper eine Autopsie genauso wie bei einer unlängst verstorbenen Person durchführen.
Seit der Entdeckung von Lady Dai im Jahre 1972 tauchten auf chinesischem Boden immer mehr Leichname aus der Han-Zeit auf, die meisten davon in einem ähnlich guten Zustand.
Die Fundstelle zeigt das Leben dieser außergewöhnlichen Männer und Frauen, die zu den Privilegierten ihrer Zeit gehörten. Sie ermöglicht auch die Forschungsarbeit von Wissenschaftlern, die versuchen, das Geheimnis um den Ursprung des unglaublichen Konservierungszustands der Leichen zu lüften. Seltene Aufnahmen zeigen chinesische Gerichtsmediziner beim Sezieren einer vor kurzem entdeckten Mumie. Die Forscher interessiert auch eine mysteriöse Flüssigkeit, die in mehreren Särgen mit gut konservierten Leichnamen vorgefunden wurde. Könnte sie das Elixier der Han-Dynastie für ewiges Leben sein?
Am 11. September 2002 wurde in Burjatien (im Osten der ehemaligen Sowjetunion) das Grabgefäß des 1927 verstorbenen Chambo-Lama geöffnte und sein Leichnam ohne Anzeichen von Verwesung in Meditationshaltung vorgefunden.
Der Lama (Chambo Itigilow Daschi-Dorscho) des buddhistischen Klosters im Dorf Iwolginsk hatte vor seinem Tod verfügt, dass sein Grab nach dreißig Jahren zu öffnen sei und man ihn lebend vorfinden würde. 1955 und 1973 waren die Mönche seinem Vermächtnis nachgekommen. Wissenschaftliche Untersuchen haben aber erst vor fünf Jahren begonnen. Dabei zeigte sich, dass der Leichnam ohne einbalsamiert oder mumifiziert zu sein viele Eigenschaften beibehalten hat, die ihn nicht von lebenden Menschen unterscheiden: Seine Gelenke biegen sich, das Weichgewebe lässt sich eindrücken wie bei einem Lebenden und auch die Eiweißverbindungen gleichen denen lebender Menschen. Zudem, so die Leiterin des Erforschungsprojekts, Galina Jenschowa, entströmte dem Grabgefäß ein Wohlgeruch.
Aus wissenschaftlicher Sicht (bislang) unerklärlich wird das Phänomen der Nichtverwesung von der buddhistischen Lehre dadurch erklärt, dass der Lama die Lehre realisiert und seinen Körper beim Sterben so gereinigt hat, dass er nicht verwest.
Im Leichnam der Mumie Xin Zhui fließt noch Blut
1972 wurde in einem alten Grabmal bei Mawangdui in der zentralchinesischen Provinz Hunan eine weibliche Leiche ausgegraben. Obwohl die Leiche bereits über 2000 Jahre alt ist, ist ihre Gesichts- und Haarfarbe noch ganz frisch, ganz so als wäre sie noch am Leben. Es handelt sich dabei also weltweit um die älteste, bisher entdeckte, völlig konservierte Leiche. Die chinesischen Wissenschaftler stellten vor rund 30 Jahren mit Hilfe einer Obduktion fest, dass die inneren Organe der geheimnisvollen Dame unversehrt waren. Auch die Struktur ihrer Blutgefäße ließ sich gut erkennen. Die Knochen waren ebenfalls intakt und im Magen des Leichnams fand sich sogar noch unverdaute Nahrung.
Nun sind 34 Jahre vergangen. Doch wie ist es der alten Dame in der Zwischenzeit ergangen? Kürzlich wurde sie von Experten des zuständigen Forschungszentrums körperlich untersucht.
Archäologen sind sich sicher, dass es sich bei der Verstorbenen um Xin Zhui handelt. Sie war die Gattin von Li Cang, dem Kanzler des Reichs Changsha zur Zeit der westlichen Han-Dynastie. Sie starb im Jahr 186 v. u. Z. im Alter von etwa 50 Jahren. Als ihre Leiche ausgegraben wurde, staunte die ganze Fachwelt, denn die Leiche unterschied sich durch die Beweglichkeit der Gliedmassen auf den ersten Blick von allen bisher entdeckten mumifizierten Körpern. Die Muskeln fühlten sich immer noch weich und elastisch an und die Haut schimmerte leicht gelblich wie zu Lebzeiten der Frau.
Luo Xuegang, der Leiter des vor Kurzem gegründeten Forschungszentrums zum Schutz des alten Leichnams, teilte vor der Presse mit, die Entwicklerflüssigkeiten, die seine Kollegen vor 30 Jahren in die Blutgefäße der Leiche injiziert hatten, sind noch heute in der Leiche vorhanden. Das heißt, dass die Blutgefäße nicht aufgeplatzt sind. Die Gelenke der Leiche sind noch nicht steif und ihre Beweglichkeit entspricht der eines normalen Menschen im Alter von rund 60.
Das Forschungs- und Schutzzentrum wurde gemeinsam vom Xiangya Institut für Medizin der Zhongnan Universität und dem Museum der Provinz Hunan gegründet. Ziel ist, die alte Mumie besser zu schützen. Das Xiangya Medizininstitut war von Anfang an, also seit mehr als 30 Jahren aktiv am Schutz des Leichnams beteiligt. Derzeit wird die alte Dame bei Mawangdui im Erdgeschoß des Museums der Provinz Hunan aufbewahrt. Der Befund der alten Dame sei derzeit insgesamt gut, sagte Luo Xuegang.
Der Leiter des Forschungszentrums bestätigte jedoch, dass sich mittlerweile einige kleine Veränderungen in der Leiche vollzogen haben. In ihren Knochen sind zum Beispiel Kalziumverluste festzustellen. Experten vermuteten, dass dies auf den ph-Wert der Aufbewahrungsflüssigkeiten zurückzuführen ist. Nach langer Überlegung haben sich die Experten entschieden, den ph-Wert der Aufbewahrungsflüssigkeiten zu verändern, um eine Verformung der Leiche zu verhindern. Eine deutliche Veränderung der Leiche zeigt sich auch in der Struktur der Hautzellen, aber die Kollagenfasern sind noch recht gut in Takt.
Das Schutzzentrum hat beschlossen, die alte Dame Xin Zhui in Zukunft jährlich vier körperlichen Untersuchungen zu unterziehen, um sie besser schützen zu können.