Verborgener Code
04.03.2004 um 22:32Wie Die evolution den zufall bändigte
Die Evolution wird gemeinhin als Prozess angesehen, der durch Mutationen -
zufällige Änderungen im Erbgut - vorangetrieben wird. Nach Ansicht einer US-amerikanischen Molekularbiologin findet das Genom jedoch Mittel und Wege, den blinden Zufall für die eigenen Zwecke zu kanalisieren. Das heißt: Das Erbgut selbst entscheidet, an welcher Stelle Mutationen auftreten - und wo sie unterbunden werden.
Wie Lynn H. Caporale in einem aktuellen Artikel ausführt, kann man das Genom in gewisser Hinsicht als "intelligent" ansehen. Und zwar insofern, als es Informationen enthält, mit denen es sich selbst beschreibt.
Der Artikel "Genomes don't play dice" von Lynn H. Caporale erschien in der Zeitschrift "New Scientist" (Ausgabe vom 6.3.04, S.42-5).
"New Scientist"
Genetisches Alphabet besteht aus vier Buchstaben
Das genetische Alphabet besteht bekanntlich aus den Buchstaben A, C, G und U, die von vier Basen repräsentiert werden. Je eine Dreiergruppe dieser Basen - so genannte Tripletts - wird von der molekularen Maschinerie der lebenden Zelle in eine Aminosäure übersetzt.
Da letztere wiederum die Bestandteile der Proteine sind, bestimmt deren Reihenfolge Aufbau und Funktion der Eiweißkörper.
Mehr zum genetischen Code bei Wikipedia
Mutationen sind Änderungen im Text
Mutationen in codierenden Gensequenzen sind daher im Prinzip nichts anderes als eine Veränderung von Buchstabenfolgen. Das kann beträchtliche Folgen haben: In der Mehrzahl der Fälle wird die Funktionsweise des Proteins negativ beeinflusst, in seltenen Fällen bewirkt der Buchstabentausch auch eine Verbesserung.
"Stumme" Erbänderungen
Manchmal zieht eine Punktmutation aber auch keine Wirkung nach sich. Und zwar deshalb, weil der genetische Code - wie die Molekularbiologen sagen - "degeneriert" ist.
Das heißt, verschiedene Basentripletts können ein und das selbe bedeuten - ganz ähnlich, wie etwa die Begriffe "Venus", "Abendstern" und "Morgenstern" auf das selbe Objekt verweisen.
Ein Beispiel: Die Kombinationen GGA, GGC, GGG und GGU stehen allesamt für die Aminosäure Glycin. Eine Mutation an der dritten Stelle ist also "stumm", sie zieht per saldo keine biologische Veränderung nach sich.
Online-Kurs Molekulargenetik (eduvinet.de)
Dient redundanter Code der Fitness-Optimierung?
Stellt sich die Frage: Kann diese Redundanz im genetischen Code in irgendeiner Form nutzbringend eingesetzt werden? Lynn Caporales Antwort darauf ist ein klares "Ja". Ihrer Meinung nach nutzten sie zumindest einige Organismen, um deren evolutionäre Chancen zu optimieren.
Ausgangspunkt: "slippage replication"
Ausgangspunkt für Caporales Argumentation ist die - wörtlich übersetzt - "rutschige Replaktion" ("slippage replication") von DNA-Sequenzen. Bei diesem Vorgang ist der kopierte DNA-Strang kürzer oder länger als die Ausgangssequenz, das heißt, die genetische Information wird massiv verändert.
Dies tritt besonders häufig an solchen Sequenzen auf, bei denen sich die selben Buchstabenkombinationen wiederholen, also etwa GGGGGG u.ä.
Aus der Not eine Tugend machen
Grundsätzlich würde man dieses Phänomen einfach als Fehlerquelle ansehen, aber Bakterien haben offenbar einen Weg gefunden, aus der Not eine Tugend zu machen. Wie Forscher der University of Oxford herausfanden, nutzt eine Reihe von pathogenen Keimen die "slippage replication" um die Mutationsrate in Genen von gewissen Oberflächenproteinen zu erhöhen.
Das macht durchaus Sinn: Denn je variabler diese Proteine sind, desto größer ist die Zahl der Gewebe, die infiziert werden können - und desto schwieriger ist es für das Immunsystem, sich darauf einzustellen.
In Bezug auf die Redundanz des genetischen Codes bedeutet das: Um zweimal die oben erwähnte Aminosäure Glycin zu codieren, werden diese Bakterien in diesem Fall eher die "rutschige" Sequenz GGGGGG und nicht die fehlertolerante Kombination GGAGGC wählen.
Wie verhindert man Mutationen?
Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, bei dem Mutationen mit genetischen Kniffen verhindert werden: Zum Beispiel bei einzelsträngigen Nukleinsäuren, deren Buchstabenfolge sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung gelesen werden können.
In unserer Sprache kennt man viel Beispiele dafür: etwa der Vorname "Anna" oder der Satz " Trug Tim eine so helle Hose nie mit Gurt?" Im vier Buchstaben umfassenden Alphabet der Genetik treten solche palindromischen Abschnitte (nach gr. "palindromos" für "zurücklaufend") noch viel häufiger auf.
Haarnadelstrukturen dienen der Fehlerkorrektur
Und auch das nutzen manche Organismen für ihr eigenes Fortkommen aus. Palindromische Sequenzen bilden nämlich häufig Haarnadelschleifen, bei denen sich die genetischen Buchstaben zu Paaren zusammenfinden.
Da jeder Buchstabe nur mit einem anderen Buchstaben paaren kann, sind etwaige Kopierfehler von den verantwortlichen Enzymen sehr leicht zu entdecken.
Mit anderen Worten, die Struktur kann elegant als Mittel zur Fehlerkorrektur ausgenützt werden. Dass dieser genetische Trick vor allem dort Sinn macht, wo Mutationen unerwünscht sind, liegt auf der Hand.
Hairpins bei Wikipedia
Y-Chromosom enthält viele Palindrome
In diesem Zusammenhang ist eine Studie US-amerikanischer Forscher letzten Jahres interessant, in der gezeigt werden konnte, dass es am Y-Chromosom von Menschen und Affen überraschend viele palindromische Sequenzen gibt.
Nach Ansicht von Lynn Caporales ist das kein Zufall. Sie führt ins Treffen, dass die anderen Chromosomen immer in zweifacher Ausfertigung vorkommen und daher immer eine Art Sicherungskopie für bestimmte Gene vorhanden sei.
Beim einsamen Y-Chromosom ist das nicht der Fall. Und deshalb trage letzteres gewissermaßen "back up copies" in Form der beidseitig lesbaren Textabschnitte.
Der Artikel "Abundant gene conversion between arms of palindromes in human and ape Y chromosomes" von Steve Rozen et al. erschien in der Fachzeitschrift "Nature" (Band 423, S.873-6, Ausgabe vom 19.6.03).
Zum Original-Abstract
Der verborgene Code
Stimmt Caporales Interpretation, dann steckt eine Menge an verborgener Information im Erbgut.
Freilich ist auch diese ein Produkt von Mutation und Selektion, aber deren Wechselspiel bringt offensichtlich viel kreativere Lösungen zustande, als man zunächst dem blinden Zufall und einem kurzsichtigen Auswahlprozess zutrauen würde.
Es wäre leichter die Menschheit zu vernichten als sie zu verstehen (ich)
FUCK IT ALL
*DANKE*
Die Zeit ist ein Feind, denn wir uns selbst erschaffen haben(ich)
Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen(Platon)
In meinem ersten leben war ich X35
Die Evolution wird gemeinhin als Prozess angesehen, der durch Mutationen -
zufällige Änderungen im Erbgut - vorangetrieben wird. Nach Ansicht einer US-amerikanischen Molekularbiologin findet das Genom jedoch Mittel und Wege, den blinden Zufall für die eigenen Zwecke zu kanalisieren. Das heißt: Das Erbgut selbst entscheidet, an welcher Stelle Mutationen auftreten - und wo sie unterbunden werden.
Wie Lynn H. Caporale in einem aktuellen Artikel ausführt, kann man das Genom in gewisser Hinsicht als "intelligent" ansehen. Und zwar insofern, als es Informationen enthält, mit denen es sich selbst beschreibt.
Der Artikel "Genomes don't play dice" von Lynn H. Caporale erschien in der Zeitschrift "New Scientist" (Ausgabe vom 6.3.04, S.42-5).
"New Scientist"
Genetisches Alphabet besteht aus vier Buchstaben
Das genetische Alphabet besteht bekanntlich aus den Buchstaben A, C, G und U, die von vier Basen repräsentiert werden. Je eine Dreiergruppe dieser Basen - so genannte Tripletts - wird von der molekularen Maschinerie der lebenden Zelle in eine Aminosäure übersetzt.
Da letztere wiederum die Bestandteile der Proteine sind, bestimmt deren Reihenfolge Aufbau und Funktion der Eiweißkörper.
Mehr zum genetischen Code bei Wikipedia
Mutationen sind Änderungen im Text
Mutationen in codierenden Gensequenzen sind daher im Prinzip nichts anderes als eine Veränderung von Buchstabenfolgen. Das kann beträchtliche Folgen haben: In der Mehrzahl der Fälle wird die Funktionsweise des Proteins negativ beeinflusst, in seltenen Fällen bewirkt der Buchstabentausch auch eine Verbesserung.
"Stumme" Erbänderungen
Manchmal zieht eine Punktmutation aber auch keine Wirkung nach sich. Und zwar deshalb, weil der genetische Code - wie die Molekularbiologen sagen - "degeneriert" ist.
Das heißt, verschiedene Basentripletts können ein und das selbe bedeuten - ganz ähnlich, wie etwa die Begriffe "Venus", "Abendstern" und "Morgenstern" auf das selbe Objekt verweisen.
Ein Beispiel: Die Kombinationen GGA, GGC, GGG und GGU stehen allesamt für die Aminosäure Glycin. Eine Mutation an der dritten Stelle ist also "stumm", sie zieht per saldo keine biologische Veränderung nach sich.
Online-Kurs Molekulargenetik (eduvinet.de)
Dient redundanter Code der Fitness-Optimierung?
Stellt sich die Frage: Kann diese Redundanz im genetischen Code in irgendeiner Form nutzbringend eingesetzt werden? Lynn Caporales Antwort darauf ist ein klares "Ja". Ihrer Meinung nach nutzten sie zumindest einige Organismen, um deren evolutionäre Chancen zu optimieren.
Ausgangspunkt: "slippage replication"
Ausgangspunkt für Caporales Argumentation ist die - wörtlich übersetzt - "rutschige Replaktion" ("slippage replication") von DNA-Sequenzen. Bei diesem Vorgang ist der kopierte DNA-Strang kürzer oder länger als die Ausgangssequenz, das heißt, die genetische Information wird massiv verändert.
Dies tritt besonders häufig an solchen Sequenzen auf, bei denen sich die selben Buchstabenkombinationen wiederholen, also etwa GGGGGG u.ä.
Aus der Not eine Tugend machen
Grundsätzlich würde man dieses Phänomen einfach als Fehlerquelle ansehen, aber Bakterien haben offenbar einen Weg gefunden, aus der Not eine Tugend zu machen. Wie Forscher der University of Oxford herausfanden, nutzt eine Reihe von pathogenen Keimen die "slippage replication" um die Mutationsrate in Genen von gewissen Oberflächenproteinen zu erhöhen.
Das macht durchaus Sinn: Denn je variabler diese Proteine sind, desto größer ist die Zahl der Gewebe, die infiziert werden können - und desto schwieriger ist es für das Immunsystem, sich darauf einzustellen.
In Bezug auf die Redundanz des genetischen Codes bedeutet das: Um zweimal die oben erwähnte Aminosäure Glycin zu codieren, werden diese Bakterien in diesem Fall eher die "rutschige" Sequenz GGGGGG und nicht die fehlertolerante Kombination GGAGGC wählen.
Wie verhindert man Mutationen?
Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, bei dem Mutationen mit genetischen Kniffen verhindert werden: Zum Beispiel bei einzelsträngigen Nukleinsäuren, deren Buchstabenfolge sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung gelesen werden können.
In unserer Sprache kennt man viel Beispiele dafür: etwa der Vorname "Anna" oder der Satz " Trug Tim eine so helle Hose nie mit Gurt?" Im vier Buchstaben umfassenden Alphabet der Genetik treten solche palindromischen Abschnitte (nach gr. "palindromos" für "zurücklaufend") noch viel häufiger auf.
Haarnadelstrukturen dienen der Fehlerkorrektur
Und auch das nutzen manche Organismen für ihr eigenes Fortkommen aus. Palindromische Sequenzen bilden nämlich häufig Haarnadelschleifen, bei denen sich die genetischen Buchstaben zu Paaren zusammenfinden.
Da jeder Buchstabe nur mit einem anderen Buchstaben paaren kann, sind etwaige Kopierfehler von den verantwortlichen Enzymen sehr leicht zu entdecken.
Mit anderen Worten, die Struktur kann elegant als Mittel zur Fehlerkorrektur ausgenützt werden. Dass dieser genetische Trick vor allem dort Sinn macht, wo Mutationen unerwünscht sind, liegt auf der Hand.
Hairpins bei Wikipedia
Y-Chromosom enthält viele Palindrome
In diesem Zusammenhang ist eine Studie US-amerikanischer Forscher letzten Jahres interessant, in der gezeigt werden konnte, dass es am Y-Chromosom von Menschen und Affen überraschend viele palindromische Sequenzen gibt.
Nach Ansicht von Lynn Caporales ist das kein Zufall. Sie führt ins Treffen, dass die anderen Chromosomen immer in zweifacher Ausfertigung vorkommen und daher immer eine Art Sicherungskopie für bestimmte Gene vorhanden sei.
Beim einsamen Y-Chromosom ist das nicht der Fall. Und deshalb trage letzteres gewissermaßen "back up copies" in Form der beidseitig lesbaren Textabschnitte.
Der Artikel "Abundant gene conversion between arms of palindromes in human and ape Y chromosomes" von Steve Rozen et al. erschien in der Fachzeitschrift "Nature" (Band 423, S.873-6, Ausgabe vom 19.6.03).
Zum Original-Abstract
Der verborgene Code
Stimmt Caporales Interpretation, dann steckt eine Menge an verborgener Information im Erbgut.
Freilich ist auch diese ein Produkt von Mutation und Selektion, aber deren Wechselspiel bringt offensichtlich viel kreativere Lösungen zustande, als man zunächst dem blinden Zufall und einem kurzsichtigen Auswahlprozess zutrauen würde.
Es wäre leichter die Menschheit zu vernichten als sie zu verstehen (ich)
FUCK IT ALL
*DANKE*
Die Zeit ist ein Feind, denn wir uns selbst erschaffen haben(ich)
Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen(Platon)
In meinem ersten leben war ich X35