Jeder lebt in vielen Welten
08.05.2006 um 21:08Stephen Hawkings Universum: Jeder lebt in vielen Welten. Gleichzeitig.
Der britische Astrophysiker Stephen Hawking öffnet mit seiner neuen Kosmologie die Tür zufantastischen Welten, in denen wir als Doppelgänger existieren. Wir sehen diese Weltennicht – und doch beeinflussen sie unsere Sehnsüchte, Ängste und Fähigkeiten
Während Sie diesen Satz lesen – jetzt, in diesem Augenblick! –, lesen unzähligeDoppelgänger von Ihnen genau diesen Satz. Und diese Doppelgänger, die alle parallelnebeneinander herleben, werden möglicherweise, ebenso wie Sie, jetzt ungläubig den Kopfschütteln ...
Was auf den ersten Blick an Spinnerei und Sciencefiction-Fantasieerinnern mag, beruht auf knallharter Mathematik. »Es gibt unendlich vieleDoppelgänger-Universen«, sagt kein Geringerer als der britische Astrophysiker StephenHawking. Er ist »Laukasischer Professor für Mathematik« an der Universität Cambridge – sowird dieses Amt genannt, das 300 Jahre zuvor Isaac Newton innehatte. Stephen Hawkingleidet an amyotropher Lateralsklerose, einer Nervenkrankheit, die Muskelschwund auslöst.Sie hat den Körper des 59-Jährigen völlig gelähmt, sein Geist aber ist vonbewunderungswürdiger Beweglichkeit – und erdachte ein neuartiges Weltbild: die»M-Theorie«.
»M« kann wahlweise für magisch, mysteriös oder Mutter (aller Theorien)stehen. Sie sieht unseren Kosmos als ein mehrdimensionales Labyrinth von Universen, indenen Abbilder von uns agieren; »Schattenmenschen«, wie Hawking die Bewohner dieser»Koboldwelten« nennt. Den Weg dahin hat er jetzt in seinem neuen Buch mit dem Titel »DasUniversum in der Nussschale« beschrieben – in Anlehnung an ein Zitat aus Shakespeares»Hamlet«, das er seinem Werk voranstellt: »Ich könnte in eine Nussschale eingesperrt seinund mich dennoch für einen König von unermesslichem Gebiete halten.« Will heißen: Was wirals Welt bezeichnen, ist in Wahrheit nur ein winziger Ausschnitt aus einem unermesslichenUniversum, in dem viele Welten parallel existieren, die sich ineinanderschieben, sichdurchwirken und vielleicht sogar miteinander kommunizieren. Ein faszinierendes Weltbild,nicht zuletzt deshalb, weil viele mysteriöse Phänomene plötzlich in einem ganz anderenLicht erscheinen.
Dass unser Leben mehr ist als der kleine Alltag mit seinerberuflichen Routine und den vielen eingeübten Abläufen – diesen Eindruck hat wohl jederschon einmal gehabt. Es gibt Momente, in denen man genau spürt: Jetzt tritt etwas in meinLeben, was eine völlig unbekannte Qualität hat: Ängste, Träume, Sehnsüchte, Ideen – undman fragt sich: Woher kommt das? Und warum gerade jetzt?
Da ist zum Beispiel derjunge Geschäftsmann, der mit seiner Frau – wie jeden Sonntagmorgen – zum Tennisspielengeht. Nichts deutet darauf hin, dass an diesem Tag etwas Besonderes geschehen wird. Dochirgendwann beginnt er zu patzen: Ein Aufschlag nach dem anderen geht ins Netz, dieKonzentration ist wie weggeblasen. Unruhe steigt auf. Er muss plötzlich an seine Mutterdenken, und dieser Gedanke drängt sich immer wieder auf. Als das Ehepaar nach Hausekommt, klingelt das Telefon – sein Vater: Den ganzen Vormittag schon habe er versucht,ihn zu erreichen, um ihm mitzuteilen, dass seine Mutter mit einem Schlaganfall imKrankenhaus liege.
Das verpatzte Spiel auf dem Tennisplatz – war es durch eineAhnung ausgelöst? Aber wie fand sie den Weg zu ihm? Bisher hatten nur Esoteriker eineErklärung für Phänomene dieser Art. Die Wissenschaftler hielten sich bedeckt, um nicht inden Geruch der Unseriösität zu geraten.
Stephen Hawkings Vorstellung vom Universumbietet nun eine ganz neue Erklärung, die sich zudem auf Berechnungen stützt. Nichts, sosagt Hawking sinngemäß, geschehe in unserem Gehirn ohne einen Bezug zum Großen und Ganzen– und diese These habe ein hohes Maß an physikalischer Wahrscheinlichkeit.
DieErklärung der Vorgänge auf dem Tennisplatz könnte also sein: Neben unserem sichtbarenKosmos gibt es noch unzählige andere, für uns unsichtbare Universen, die mit unseremverwoben sind und in denen wir als Doppelgänger existieren. Die Nachricht vomSchlaganfall der Mutter hat der Geschäftsmann – da er telefonisch nicht erreichbar war –auf indirektem Weg erhalten. Von einem seiner Doppelgänger.
Wenn Hawking recht hat,dann lassen sich mit den Parallel- und Doppelgängerwelten auch andere Phänomene erklären.Zum Beispiel, dass die Tochter schon mit acht Jahren wunderbar Chopin auf dem Klavierspielt. Alle staunen und rätseln. Von wem hat das Kind das bloß? Vom Vater, der Musiklediglich für organisierten Lärm hält, sicherlich nicht. Von der Mutter, die schon infrühen Jahren an der Blockflöte gescheitert ist, auch nicht. Und Nachforschungen ergeben,dass es unter allen Vorfahren niemanden gab, der auffallende musische Neigungen erkennenließ. Woher also hat das Kind diese Begabung? Von einer Doppelgängerin?
Der Gedanke,dass wir gleichzeitig in vielen Welten leben und dort möglicherweise ein Leben führen,das in unser Leben hineinwirkt und uns prägt – dieser Gedanke ist in der Tatgewöhnungsbedürftig. Andererseits: Wie kommt es, dass wir ohne Ankündigung und ohneerkennbaren Anlass von Ängsten heimgesucht werden? Weil unsere Doppelgänger diese Ängsteerleben? Warum haben wir bei manchen Menschen, die wir gerade erst kennen gelernt haben,das Gefühl, dass wir sie schon ewig kennen? Weil wir sie in einer anderen Welttatsächlich schon lange kennen?
Und gibt es nicht die Liebe auf den ersten Blick?Könnte sie eine Ahnung sein von einer Liebe in einer anderen Welt? Last, but not least:Was passiert eigentlich, wenn wir von der »Duplizität der Ereignisse« sprechen? Jemandbucht ein Wochenende in Prag, betritt nach acht Stunden Zugfahrt sein Hotel – und wentrifft er in der Lobby? Einen Freund, der die gleiche Reise gebucht hat, nur bei einemanderen Veranstalter. Sie hatten sich nicht verabredet, aber irgendetwas hat zwischenihnen dennoch stattgefunden.
Folgen wir Stephen Hawking, dann könnten es ihreDoppelgänger gewesen sein, die in einem anderen Universum – ganz nah und doch weit weg –die gemeinsame Prag-Reise geplant hatten.
Es klingt tatsächlich wie die Geschichteeines Science-fiction-Autors. Was hat eigentlich Stephen Hawking auf diese fantastischeIdee gebracht? Wie alle, die das Universum in eine einzige Gleichung (Weltformel) packenwollen, setzt Hawking beim Urknall an. In dieser »Singularität« aller Existenz war diegesamte Masse des Universums in einem einzigen Punkt konzentriert, aus der beim Übergangvom Nichts zum Sein all das entstand, was wir als Kosmos bezeichnen.
Ein solcherZustand der Singularität ist kein Fantasieprodukt, sagen die Physiker und verweisen aufdie Schwarzen Löcher. Sie entstehen, wenn ein Stern mit genügend großer Masse am Endeseines Lebens unter dem Sog seiner eigenen Gravitation in sich zusammenbricht. DieSchwerkraft krümmt den umgebenden Raum so stark, dass die Materie extrem verdichtet wird:Nachbarsterne werden angesaugt, schließlich stürzen Abertausende von Sonnen in diesenkosmischen Strudel. So entsteht eine gigantische Massekonzentration, in der die Physikerdas Modell für die Singularität des Urknalls sehen.
Der britische Astrophysiker Stephen Hawking öffnet mit seiner neuen Kosmologie die Tür zufantastischen Welten, in denen wir als Doppelgänger existieren. Wir sehen diese Weltennicht – und doch beeinflussen sie unsere Sehnsüchte, Ängste und Fähigkeiten
Während Sie diesen Satz lesen – jetzt, in diesem Augenblick! –, lesen unzähligeDoppelgänger von Ihnen genau diesen Satz. Und diese Doppelgänger, die alle parallelnebeneinander herleben, werden möglicherweise, ebenso wie Sie, jetzt ungläubig den Kopfschütteln ...
Was auf den ersten Blick an Spinnerei und Sciencefiction-Fantasieerinnern mag, beruht auf knallharter Mathematik. »Es gibt unendlich vieleDoppelgänger-Universen«, sagt kein Geringerer als der britische Astrophysiker StephenHawking. Er ist »Laukasischer Professor für Mathematik« an der Universität Cambridge – sowird dieses Amt genannt, das 300 Jahre zuvor Isaac Newton innehatte. Stephen Hawkingleidet an amyotropher Lateralsklerose, einer Nervenkrankheit, die Muskelschwund auslöst.Sie hat den Körper des 59-Jährigen völlig gelähmt, sein Geist aber ist vonbewunderungswürdiger Beweglichkeit – und erdachte ein neuartiges Weltbild: die»M-Theorie«.
»M« kann wahlweise für magisch, mysteriös oder Mutter (aller Theorien)stehen. Sie sieht unseren Kosmos als ein mehrdimensionales Labyrinth von Universen, indenen Abbilder von uns agieren; »Schattenmenschen«, wie Hawking die Bewohner dieser»Koboldwelten« nennt. Den Weg dahin hat er jetzt in seinem neuen Buch mit dem Titel »DasUniversum in der Nussschale« beschrieben – in Anlehnung an ein Zitat aus Shakespeares»Hamlet«, das er seinem Werk voranstellt: »Ich könnte in eine Nussschale eingesperrt seinund mich dennoch für einen König von unermesslichem Gebiete halten.« Will heißen: Was wirals Welt bezeichnen, ist in Wahrheit nur ein winziger Ausschnitt aus einem unermesslichenUniversum, in dem viele Welten parallel existieren, die sich ineinanderschieben, sichdurchwirken und vielleicht sogar miteinander kommunizieren. Ein faszinierendes Weltbild,nicht zuletzt deshalb, weil viele mysteriöse Phänomene plötzlich in einem ganz anderenLicht erscheinen.
Dass unser Leben mehr ist als der kleine Alltag mit seinerberuflichen Routine und den vielen eingeübten Abläufen – diesen Eindruck hat wohl jederschon einmal gehabt. Es gibt Momente, in denen man genau spürt: Jetzt tritt etwas in meinLeben, was eine völlig unbekannte Qualität hat: Ängste, Träume, Sehnsüchte, Ideen – undman fragt sich: Woher kommt das? Und warum gerade jetzt?
Da ist zum Beispiel derjunge Geschäftsmann, der mit seiner Frau – wie jeden Sonntagmorgen – zum Tennisspielengeht. Nichts deutet darauf hin, dass an diesem Tag etwas Besonderes geschehen wird. Dochirgendwann beginnt er zu patzen: Ein Aufschlag nach dem anderen geht ins Netz, dieKonzentration ist wie weggeblasen. Unruhe steigt auf. Er muss plötzlich an seine Mutterdenken, und dieser Gedanke drängt sich immer wieder auf. Als das Ehepaar nach Hausekommt, klingelt das Telefon – sein Vater: Den ganzen Vormittag schon habe er versucht,ihn zu erreichen, um ihm mitzuteilen, dass seine Mutter mit einem Schlaganfall imKrankenhaus liege.
Das verpatzte Spiel auf dem Tennisplatz – war es durch eineAhnung ausgelöst? Aber wie fand sie den Weg zu ihm? Bisher hatten nur Esoteriker eineErklärung für Phänomene dieser Art. Die Wissenschaftler hielten sich bedeckt, um nicht inden Geruch der Unseriösität zu geraten.
Stephen Hawkings Vorstellung vom Universumbietet nun eine ganz neue Erklärung, die sich zudem auf Berechnungen stützt. Nichts, sosagt Hawking sinngemäß, geschehe in unserem Gehirn ohne einen Bezug zum Großen und Ganzen– und diese These habe ein hohes Maß an physikalischer Wahrscheinlichkeit.
DieErklärung der Vorgänge auf dem Tennisplatz könnte also sein: Neben unserem sichtbarenKosmos gibt es noch unzählige andere, für uns unsichtbare Universen, die mit unseremverwoben sind und in denen wir als Doppelgänger existieren. Die Nachricht vomSchlaganfall der Mutter hat der Geschäftsmann – da er telefonisch nicht erreichbar war –auf indirektem Weg erhalten. Von einem seiner Doppelgänger.
Wenn Hawking recht hat,dann lassen sich mit den Parallel- und Doppelgängerwelten auch andere Phänomene erklären.Zum Beispiel, dass die Tochter schon mit acht Jahren wunderbar Chopin auf dem Klavierspielt. Alle staunen und rätseln. Von wem hat das Kind das bloß? Vom Vater, der Musiklediglich für organisierten Lärm hält, sicherlich nicht. Von der Mutter, die schon infrühen Jahren an der Blockflöte gescheitert ist, auch nicht. Und Nachforschungen ergeben,dass es unter allen Vorfahren niemanden gab, der auffallende musische Neigungen erkennenließ. Woher also hat das Kind diese Begabung? Von einer Doppelgängerin?
Der Gedanke,dass wir gleichzeitig in vielen Welten leben und dort möglicherweise ein Leben führen,das in unser Leben hineinwirkt und uns prägt – dieser Gedanke ist in der Tatgewöhnungsbedürftig. Andererseits: Wie kommt es, dass wir ohne Ankündigung und ohneerkennbaren Anlass von Ängsten heimgesucht werden? Weil unsere Doppelgänger diese Ängsteerleben? Warum haben wir bei manchen Menschen, die wir gerade erst kennen gelernt haben,das Gefühl, dass wir sie schon ewig kennen? Weil wir sie in einer anderen Welttatsächlich schon lange kennen?
Und gibt es nicht die Liebe auf den ersten Blick?Könnte sie eine Ahnung sein von einer Liebe in einer anderen Welt? Last, but not least:Was passiert eigentlich, wenn wir von der »Duplizität der Ereignisse« sprechen? Jemandbucht ein Wochenende in Prag, betritt nach acht Stunden Zugfahrt sein Hotel – und wentrifft er in der Lobby? Einen Freund, der die gleiche Reise gebucht hat, nur bei einemanderen Veranstalter. Sie hatten sich nicht verabredet, aber irgendetwas hat zwischenihnen dennoch stattgefunden.
Folgen wir Stephen Hawking, dann könnten es ihreDoppelgänger gewesen sein, die in einem anderen Universum – ganz nah und doch weit weg –die gemeinsame Prag-Reise geplant hatten.
Es klingt tatsächlich wie die Geschichteeines Science-fiction-Autors. Was hat eigentlich Stephen Hawking auf diese fantastischeIdee gebracht? Wie alle, die das Universum in eine einzige Gleichung (Weltformel) packenwollen, setzt Hawking beim Urknall an. In dieser »Singularität« aller Existenz war diegesamte Masse des Universums in einem einzigen Punkt konzentriert, aus der beim Übergangvom Nichts zum Sein all das entstand, was wir als Kosmos bezeichnen.
Ein solcherZustand der Singularität ist kein Fantasieprodukt, sagen die Physiker und verweisen aufdie Schwarzen Löcher. Sie entstehen, wenn ein Stern mit genügend großer Masse am Endeseines Lebens unter dem Sog seiner eigenen Gravitation in sich zusammenbricht. DieSchwerkraft krümmt den umgebenden Raum so stark, dass die Materie extrem verdichtet wird:Nachbarsterne werden angesaugt, schließlich stürzen Abertausende von Sonnen in diesenkosmischen Strudel. So entsteht eine gigantische Massekonzentration, in der die Physikerdas Modell für die Singularität des Urknalls sehen.