Peter0167 schrieb:Entgegen der Aussage vom Sensenmann wird in der Mathematik daher auch mit dem Adjektiv "unendlich" gearbeitet, während die "Unendlichkeit" nicht definiert wird.
Und selbst das ist noch sehr frei formuliert. Es wird in der mathematischen Umgangssprache so gemacht. Aber wenn ich sage, eine mathematische größe sei unendlich, habe ich genau genommen nicht mathematisch gearbeitet, sondern eigentlich nur etwas umgangssprachlich umschrieben.
Nehmen wir die Funktion y = 1 / x² und schauen uns an, was um die Stelle x=0 herum passiert. Umgangssprachlich sagen wir gerne, da wird die Funktion unendlich groß. In einer streng mathematischen Ausdrucksweise ist das aber eine sinnlose Aussage. Unendlich ist kein Maß. Es ist noch nicht einmal eindeutig, weil wir 2 klassen von unendlich kennen (abzählbar und nicht abzählbar) und darüber hinaus weitere vermuten könnten.
Deswegen ist es inkorrekt von unendlich zu sprechen. Ein Mathematiker würde hier den Ausdruck unbeschränkt benutzen. Er sagt dann beispielsweise die Funktion y = 1 / x² ist im Intervall von -1 bis +1 - [-1 , +1] - unbeschränkt. Und er meint damit, dass es in diesem Intervall keine Zahl A geben kann, die er eine obere Schranke für y nennt, und für die gilt:
A > y für alle x aus dem Intervall [-1,+1]
Und einem Mathematiker ist selbst das noch nicht genau genug, weshalb er den Epsilonformalismus bevorzug. Kann ja jeder behaupten, dass es kein solches A geben kann. Deswegen nutzt ein Mathematiker einen Formalismus, um einfach für jede Schranke A ein x zu finden, für das y = 1 / x² größer als A wird. Eins reicht ja. :-D
Es gibt auch einen Formalismus für beliebig große größen (Epsilon ist ja für beliebig kleine). Ich führe den mal mit dem Originalbeispiel vor:
Sternenforsche schrieb:Stellen wir uns mal ein Blatt Papier vor. Es hat vier Kanten. Jetzt vergrößern wir das Blatt Papier bis ins unendliche. Jetzt scheint das Papier zwar unendlich groß, aber es hat immer noch vier Kanten. Also kann es nicht unendlich groß sein.
Also wir nehmen für den Anfang ein Blatt Papier, dass hat 4 Kanten der Länge 1 wasauchimmer (wai). ;-) Die sollen Rechtwinklig aufeinander stehen.
Dann haben wir ein Blatt mit den Abmessungen 1 wai x 1 wai = 1 wai² = a
0 wai.
Das ist jetzt nicht gerade unendlich. Ganz sicher könnten wir eine Schranke A finden, für die gilt, A > 1 wai² Wir fügen deshalb eine Vorschrift hinzu, wie wir das Blatt vergrößern. Wir sagen einfach, wir vergrößern das Blatt schrittweise. Und zwar verdoppeln wir dafür jedesmal
eine der Kantenlängen - und zwar immer die selbe.
Dann haben wir also ein zweites Maß, a
1 = 1 x (1 x 2) = 2(die eine Kantenlänge bleibt gleich, die andere wird verdoppelt.
und ein drittes : a
2 = 1 x (1 x 2 x 2) = 4 und das können wir beliebig oft machen, bis wir beim n-ten mal verdoppeln so etwas finden:
a
n = 1 x (1 x 2
n)
Und jetzt fragen wir, gibt es eine Zahl A, die wir mit dieser Methode, das Blatt zu vergrößern nicht überschreiten können? Und die Antwort ist, dass sich immer eine Zahl finden lässt, nennen wir sie m, ab der a
n größer wird als A. Also für all n>=m gilt a
n > A. (das heißt a
m ist sozusagen die erste Zahl aus den ganzen a
ns, die größer ist als A. Und alle folgenden werden ja nur noch größer, und sind also auch größer.)
*gruebel* (Wer wissen will, wie wir dieses m bestimmen, braucht die Logarithmusfunktion. ;-)
Und was wir jetzt herausgefunden haben ist, dass es keine obere Schranke A gibt, die die größe des Papiers nach oben hin begrenzen könnte. Durch weitere Verdopplungen kann ich das Papier immer größer machen und A irgendwann überschreiten. Also ist (die Folge) a
n nach oben unbeschränkt.
Dies ist eine
relativ strenge mathematische Herangehensweise.
Und das ist das
Mindeste, was wir an Berechtigung dafür benötigen, dass wir jetzt in der Umgangssprache von einem unendlich großem Stück Papier sprechen. Wir sagen, wir können das Papier ja unendlich groß machen. Und könnten damit das meinen, was ich oben lange beschrieben habe, ohne ein einziges mal unendlich zu sagen.
Was jetzt die 4 Kanten angeht. Nunja. Das Blatt hat, wenn wir es unendlich groß machen auf jeden Fall noch 2 Kanten. Nähmlich die beiden, die wir nicht angerührt haben. Und wir könnten für jedes a
n genau sagen, wo die anderen beiden Kanten liegen. Das geht mit den Begriffen und Herangehensweisen der Mathematik. Aber wenn wir sagen, dass das Blatt unendlich groß sein soll, dann bekommen wir Schwierigkeiten, zu sagen wo genau die für dieses unendlich große Blatt erforderlichen Kanten liegen sollen (in der Umgangssprache - die Mathematik macht diesen Schritt nicht mit). Wir haben also 2 Kanten rechts und Links mit dem Abstand 1 und 2 Kanten oben und unten - von denen wir nicht sagen können wo sie sich befinden sollen. Ist ein Objekt, das an keinem Ort existiert, eigentlich da? Kann man also ernsthaft davon reden, dass das unendlich große Blatt noch alle Kanten hat, wenn wir nur von 2en die Lage angeben können?
Für mich sieht das aus, wie ein Problem mit dem Gedankenprozess. Wir ordnen einem Objekt Eigenschaften zu - Höhe, Breite, 4 Kanten, und verändern dann ein paar davon, während wir stillschweigend davon ausgehen, dass die anderen erhalten bleiben. Obwohl das gar nicht geht. Sowas lässt sich super gedanklich konstruieren. Aber es führt dann halt zu seltsamen Widersprüchen. :-)
Und als letztes:
Sternenforsche schrieb:Anderes Beispiel. Wenn Zeit unendlich wäre dann würde es die Zeit schon unendlich lange vor uns geben. Wie könnte dann die Zeit bei uns angekommen sein? Es muss also einen Anfang der Zeit geben.
Solche Räume kann man sich nicht erschließen, indem man an einem Ende beginnt, und dann den ganzen Raum bis zum anderen Ende abschreitet. Man beginnt immer, in dem man sich irgendeinen Ort darin herausnimmt. Also in deinem Beispiel einen Zeitpunkt. Dem gibt man einen Namen. Beispielsweise "Jetzt". Und dann braucht man ein Maß - Sekunden, Stunden, Tage ... - und mit diesen Maßen kann man von "Jetzt" ausgehend den Raum (also indem Fall die Zeit) erkunden gehen, nach vorne genau wie nach hinten, in dem man also 2 Sekunden dazu tut, oder 3 Stunden abzieht usw.
Bei den Zahlen wählen wir die 0 als Ausgangspunkt und gehen vor zur 1 oder zurück zur -1 und immer weiter. Und dann basteln wir uns eine Methode, mit der wir Aussagen über Zahlen zwischen 0 und 1 machen können. Niemals könnten wir mit -unendlich anfangen, und von da aus schrittweise nach oben schreiten. Dann käme man tatsächlich niemals irgendwo an.