Syndrom schrieb:ab wann/wie vereinheitlichte sich die Sprache der germanischen Staemme so, das von einem (mehr o. weniger) einheitlich verstaendlichem Deutsch gesprochen werden kann!
Tja, wo hört ein Dialekt auf und fängt Sprache an? Von allen südgermanischen Dialekten/Sprachen ist wohl das Altfränkische am wichtigsten für die Bildung einer einheitlichen deutschen Sprache. Im fränkischen Reich breiteten sich fränkische Gruppen und DIalekte aus, beeinflußten auch andere Dialekte/Sprachen wie Friesisch und Sächsisch im Norden, Allemannisch im Südwesten, Bairisch im Südosten, Hessisch und Thüringisch im Osten. Dabei bildeten sich vor allem neue Dialekte, aber keine einheitliche Sprache. Neben der Einwirkungdes Fränkischen auf jene anderen Sprachen/Dialekte gab es auch eine Rückwirkung auf das Fränkische im Westen. Sprachverschiebungen überprägten die Gemengelage mehrfach, und zwar so stark, daß nunmehr die deutschen Sprachen/Dialekte sich hauptsächlich ins südliche Oberdeutsch, Mitteldeutsch und das nördliche Niederdeutsch als deren drei Hauptgruppen einteilen ließen. Dabei ähnelten die niederdeutschen Dialekte einander sehr stark, ebenso die mittel- und oberdeutschen, sodaß seit dieser Zeit die Frage besteht, ob Ober- und Niederdeutsch zwei verschiedene deutsche Sprachen darstellen oder nur zwei verschiedene Dialektgruppen. Das Mitteldeutsche war anfangs noch eine eigenständige dritte Gruppe, näherte sich später aber dem Niederdeutschen an. Interessant daran ist, daß die verschiedenen fränkischen Dialekte im Westen sowohl zum ober-, mittel- und niederdeutschen Sprachraum gehören. SIe unterscheiden sich voneinander zwar sehr stark, doch besitzen sie alle noch praktisch dasselbe fränkische Vokabular, also das, was wir als SOnderwörter einer Mundart kennen.
Die fränkische Angleichung aller deutschen Sprachen/Dialekte aneinander war also erstens nur unvollständig, und zweitens wurde durch die Lautverschiebung eine weitere Dialekt-/Spracheinteilung quer über die alte Verteilung drübergesetzt, die zwar ebenfalls mehrere Dialekte stark vereinheitlichte oder wenigstens annäherte, doch gleichzeitig drei bzw. zwei verschiedene Sprachgebiete neu erzeugte.
Im Westen des fränkischen Reiches übernahmen die Franken mehr und mehr das Gallorömische der Alteingesessenen, welches sie geringfügig mit ihrem "frenkisk" beeinflußten. Doch da hier im Westen vor allem das kulturelle Zentrum des fränkischen Reiches lag, wurde "fränkisch" die Bezeichnung für die hier sich herausbildende Form des Altfranzösischen. Das Fränkisch im Osten des Reiches wurde seither diutisk genannt. Quasi "Volkssprache". Allmählich galt dies für alle germanischen Dialekte/Sprachen des Ostens. Und ab der Mitte des Hochmittelalters wurde das Adjektiv "diutisk", auf Latein "theodisc(us)", nicht nur zur Bezeichnung der Sprache, sondern auch der Bevölkerung verwendet. Seit dieser Zeit galten die verschiedenen Sprachen/Dialekte in Europa als eine einzige Sprache, und die Bevölkerung als eine Gruppe, italienisch die "tedesci".
Sprachwissenschaftlich bleibt die Frage, ob man von verschiedenen Sprachen sprechen sollte oder nur von Dialekten. Heute jedenfalls gibt es nur eine einzige Sprache, jedenfalls als Hochsprache. DIese verdanken wir in der Tat Dr. Martin Luther. Bei seiner Bibelübersetzung schaute er dem Volk aufs Maul. Doch was den DIalekt betrifft, verwendete er das damalige Kanzleisächsische des Kurfürstentums Sachsen. Allerdings sächseln wir heute zum Glück nicht alle, und das liegt daran, daß das Kanzleisächsische Luthers nicht direkt zum Neuhochdeutschen führte. Nördlich von Sachsen, im Brandenburgischen, wurde das Sächsische dann etwas anders ausgesprochen, im märkischen Platt. Also mit härterem K, P und T z.B. Bei der Machtausdehnung Preußens quer durch Deutschland schließlich breitete sich auch das Lutherdeutsch aus, jedoch eben nicht in sächsischer Zunge, sondern märkisch, um nicht zu sagen berlinisch.
Abschließend noch ein paar Curiosa. Noch im neunzehnten Jahrhundert war das Hochdeutsche im damaligen Bayern als Lutherisch verpönt. Das Siebenbürger Sächsisch ist trotz der Bezeichnung kein Sächsisch, sondern eine fränkische Mundart. Aus dem Fränkischen sind neben dem Althochdeutschen (und wenn man so will dem (Alt)Französischen) noch weitere Sprachen entstanden: Niederländisch, Flämisch, Afrikaans und Luxemburgisch. Englisch hat gleich zweimal fränkischen Einfluß abbekommen: zum einen über das Französische, das die Normannen mitbrachten, und zum anderen über fränkische Einflüsse im Altsächsischen, das die auswandernden Sachsen mitbrachten.