Was wäre, wenn der Mond sich drehen würde?
13.10.2015 um 19:36In vielen Mythologien wurden Mond und Sonne mit Göttern gleichgestellt. Jetzt frage ich mich, ob das auch der Fall gewesen wäre, wenn der Mond sich zusätzlich drehen würde.
Die Gravitationskraft der Erde, die an den beiden Beulen des Mondes gleichsam wie mit einer Hebelwirkung angriff, bremste dessen Rotation ab. Das Ende dieses Prozesses sehen wir heute: Der Mond dreht sich genauso schnell um sich selbst wie um die Erde – und zeigt dieser darum ständig dieselbe Seite. Diese Eigenschaft wird als gebundene Rotation bezeichnet. Erst im Jahr 1959 gelang mit dem Überflug von Lunik 3, einer sowjetischen Raumsonde, eine fast vollständige Aufnahme der Mondrückseite. Zuvor konnten sich die Menschen kein Bild davon machen.http://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/astronomiefakten/gebundene-rotation-des-mondes/ (Archiv-Version vom 16.11.2015)
Nebenwirkungen
Die Reaktion des Mondes auf die Gezeitenkräfte hatte eine interessante Nebenwirkung. Aufgrund der Drehimpulserhaltung entfernte sich der Mond mit sinkender Rotationsrate immer weiter von der Erde. Hätte sich der Mond anfangs langsamer um die Erde als um sich selbst gedreht, so hätten sich die Gezeitenkräfte in umgekehrter Richtung ausgewirkt: Die Eigenrotation wäre beschleunigt worden und der Orbit hätte sich verengt. Doch auch in diesem Fall wäre das Endergebnis die gebundene Rotation.
Die Gezeitenwirkung ist wechselseitig. Mit den Gezeiten, die der Mond auf der Erde auslöst, wird allmählich die Erdrotation gebremst – genauso wie umgekehrt beim Mond. Die Dauer eines Tages wird dadurch pro Jahr um ungefähr 15 Millionstel Sekunden länger. Die Erde reagiert wegen des Größenunterschieds allerdings viel träger auf die Gezeitenkräfte als der Mond. Tatsächlich würden sich Erde und Mond aber schließlich stets die gleiche Seite zuwenden. Bis es dazu käme, hätte sich die Sonne im Lauf ihrer Entwicklung allerdings schon längst zu einem Riesenstern aufgebläht und unseren Planeten verschluckt. Doch Astronomen vermuten, dass zwei Himmelskörper am Rand unseres Sonnensystems diesen Zustand bereits erreicht haben: Pluto und sein Trabant Charon. Ihre Rotationsraten haben sich deshalb schneller angepasst, weil ihr Größenunterschied viel kleiner ist als der zwischen Mond und Erde. Auch bei vielen Doppelsternen lässt sich eine wechselseitig gebundene Rotation nachweisen. Es gibt viele weitere Fälle gebundener Rotation. Fast alle planetennahen Monde im Sonnensystem zeigen ständig mit derselben Seite zu ihrem Planeten, so zum Beispiel die vier größten Monde um Jupiter. 16 Saturnmonde verhalten sich ebenso. Anders Hyperion: Die Rotation des unregelmäßig geformten Saturnmondes verändert sich auf chaotische Weise, weil er nicht nur durch die Schwerkraft des Saturns, sondern auch durch das Gravitationsfeld des benachbarten Saturnmonds Titan verformt wird.
Ein ungewöhnlicher Fall ist der Planet Merkur: Er dreht sich während zwei Umläufen um die Sonne dreimal um sich selbst. Das ist ein Spezialfall der gebundenen Rotation. Auch bei diesem 2:3-Rhythmus weist am sonnennächsten Punkt des Orbits immer eine Gezeitenwölbung zur Sonne. Die Ursache für das ungewöhnliche Verhältnis zwischen Rotationsrate und Umlaufzeit ist wahrscheinlich die stark elliptische Umlaufbahn des Planeten: Am sonnennächsten Punkt ist Merkur 46 Millionen Kilometer vom Zentralgestirn entfernt, am sonnenfernsten sind es 70 Millionen Kilometer.
Es gibt übrigens noch eine weitere Nebenwirkung der Gezeitenkräfte. Je stärker Himmelskörper dadurch verformt werden, desto mehr erwärmen sie sich. Die Gezeitenkräfte, die vom Jupiter und seinen Monden Europa, Ganymed und Callisto ausgehen, walken den Jupitermond Io derart heftig durch, dass in seinem Inneren durch Reibung eine gewaltige Hitze entsteht. Wissenschaftler führen den ausgeprägten Vulkanismus von Io darauf zurück. Der Jupitermond stellt allerdings eine Ausnahme dar. Bei Erde und Mond ist die Erwärmung durch die Gezeitenkräfte viel zu klein, um Gesteinsmassen zu schmelzen.