Die Illuminaten gibt es nicht!
20.02.2007 um 02:57
Die Illuminatus-Trilogie von R. A. Wilson und Robert Shea
Die Trilogie wurdezwischen 1969 und 1971 geschrieben, als Wilson und Shea in der Redaktion des Playboyarbeiteten. Sie waren auch für die Leserbriefe zuständig, von denen viele paranoidePhantasmen über Verschwörungen und Geheimbünde zum Thema hatten. Sie begannen einen Romanzu schreiben unter der Prämisse, dass „all diese Schwachköpfe Recht hatten und jedeeinzelne Verschwörung, über die sie sich beschweren, wirklich existiert“. In einemInterview, das er 1980 gab, erklärte Wilson, dass der Roman obendrein einen Mythos um dieWeltanschauung herum aufbauen sollte, den sich die beiden ausgedacht hatten, denDiskordianismus.
Es gab keine spezifische Arbeitsteilung beim Schreiben desRomans. Wilson erklärte 1976 in einem Interview:
Im Allgemeinen stammt dasMelodramatische von Shea und die Satire von mir, aber einige satirische Passagen sinddefinitiv von ihm, manches Melodramatische ist ganz bestimmt von mir. "Als Atlantis dieErde beherrschte" ist zu 99% Shea. Die Abschnitte über Simon Moon, Robert Putney Drakeund Markoff Chaney stammen zu 99% von mir. Alles andere kann man unmöglich entwirren.
Der Schauspieler Ken Campbell, der die Trilogie für die Bühne adaptierte, sagtein einem Interview, die beiden hätten den Prozess des Schreibens als eine Art lustigenSport oder Wettkampf betrieben:
Sie hatten die Möglichkeit, die Hilfskräfteder Redaktion für sich recherchieren zu lassen. Unter dem Vorwand, es wäre hilfreich fürdie Artikel, die sie für den Playboy schrieben (ich denke nicht, dass es das war),interessierten sie sich immer mehr für die Illuminaten. Sobald das Material von denHilfskräften reinkam, gab Wilson diese Memos an Shea weiter – ganz ähnlich wie die Memosim Buch. Als sie bei Memo 23 angelangt waren, sagte Shea: Wenn ich mir vorstelle, dassirgendeinem Bulle aus New York diese Memos in die Hände fallen, haben wir, glaub ich,eine Grundlage für einen prima Thriller. Als nächstes schrieb Wilson also das ersteKapitel dieses Thrillers, und Shea antwortete mit Kapitel zwei. Es war tatsächlich einSpiel für sie, in der Art: „Wetten, dass du keine Fortsetzung für das hier findest!“ DieAntwort war dann: „Nein, da fällt mir nichts ein, also lass uns doch besser hiermitweitermachen!”
Das ungewöhnliche Endprodukt fand bei den Verlagen keinenGefallen und erst nach mehreren Jahren fand sich ein Verleger. Wilson erklärte später,die Einteilung von Illuminatus! in drei Bände sei eine kommerzielle Entscheidung desVerlags Dell, gewesen – die Autoren dagegen hätten den Roman als Einheit und nicht alsTrilogie angelegt. Dell habe obendrein von ihnen verlangt, den Text um 500 Seiten zukürzen, um die Druckkosten des, wie es damals schien, riskanten Unternehmens zu senken.Ein Großteil des herausgekürzten Materials wurde in späteren Büchern verwendet. DerGedanke, dass ausgerechnet die tiefsten Geheimnisse der Illuminaten der kostenbedingtenStreichung zum Opfer gefallen wären, ist einer der typischen Scherze von Wilson und Shea.
Die Einzelbände erschienen in den USA 1975 bei Dell, wurden zumeist positivrezensiert und verkauften sich recht gut. Illuminatus! erreichte bald Kult-Status, wurdeaber kein Bestseller im eigentlichen Sinne. 1978 erschienen die drei Bände inGroßbritannien im Verlag Sphere Books. Die Trilogie verkaufte sich stetig und kam 1984als Ausgabe in einem Band heraus. Hier fehlen die zusammenfassenden Einleitungen zumGoldenen Apfel und zu Leviathan. Manches in diesen Einleitungen wie die autodestruktivenMinah-Vögel kommt nirgendwo sonst im Roman vor, was wahrscheinlich auf die von Dellerzwungenen Kürzungen zurückzuführen ist. In den USA wird der Roman seitdem zumeist inder einbändigen Ausgabe vertrieben.
Auf Deutsch erschien die Trilogie 1977 und1978 im Sphinx Verlag, einem Schweizer Verlagshaus, das sich auf Esoterik spezialisiertethat. Die Buchumschläge dieser gebundenen Ausgabe bilden ein Triptychon, auf dem dasGesicht von J. R. "Bob" Dobbs zu sehen ist, einem Idol der Church of the SubGenius, unddas obwohl diese Religionsparodie aus San Francisco im Buch gar nicht vorkommt. Sie wurdevon Illuminatus!-Fans gegründet und man nimmt allgemein an, dass mit „Bob“ Wilson selbstgemeint ist.
Verschwörungstheorien
Obwohl die meistenVerschwörungstheorien im Buch fiktiv sind, werden sie mit hinreichend gesicherten Faktenvermischt, um plausibel zu wirken. Der Titel des ersten Bandes, Das Auge in der Pyramidezum Beispiel, bezieht sich auf ein bekanntes Symbol für Gott, das vor allem in derAufklärung von Kirchenkritikern und Deisten und damit auch von Freimaurern verwendetwurde. Es wird irrigerweise häufig als Symbol der Illuminaten bezeichnet und ist zudemBestandteil des Staatssiegels der Vereinigten Staaten, was dem Mythos Nahrung gibt,einige Gründungsväter der USA wären selber Illuminaten gewesen. In den drei Bänden kommenfast auf jeder Seite Anspielungen auf die Illuminaten, auf gnostische Geheimlehren, aufverschiedene Verschwörungstheorien und angebliche Pläne zur Erlangung der Weltherrschaftvor. Manche der seltsameren Theorien, die in dem Buch ausgebreitet werden, zum Beispieldie These, Adam Weishaupt, der Gründer des Illuminatenorden, hätte George Washingtonermordet und unbemerkt dessen Identität als Präsident der Vereinigten Staaten übernommen,stammen aus Leserbriefen an den Playboy, für die Shea und Wilson in der Abfassungszeitdes Buches verantwortlich waren.