Darwinismus in den USA nicht erwünscht
03.05.2007 um 12:01
Künftige Lehrer zweifeln an Evolution
Jeder achte Studienanfänger hält DarwinsEvolutionslehre, die wichtigste biologische Theorie, für fragwürdig, zeigte eine Umfragean der Universität Dortmund. Dabei wollen einige von ihnen sogar Biologie-Lehrerwerden.
Dortmund - Zu insgesamt 108 Aussagen sollten die DortmunderLehramt-Studenten ihre Meinung äußern, zum Beispiel zu: "Es gibt keine Beweise dafür,dass sich der Mensch aus anderen Lebewesen entwickelt hat." Viele kreuzten die Antwort"Ich stimme überhaupt nicht zu" an. Doch es gab auch angehende Lehrer, die sich für dasGegenteil entschieden
So hielten es 12,5 Prozent der Studienanfänger für unklar,ob überhaupt eine Evolution stattgefunden hat - fast 150 Jahre nach Vorstellung derTheorie durch den britischen Naturforscher Charles Darwin. Die Theorie beschreibt dieEntstehung von Tier- und Pflanzenarten durch zufällige genetische Änderungen im Laufe vonJahrmillionen und gehört zum Fundament der biologischen Wissenschaft. Selbst von den 148Biologie-Lehramtstudenten zeigten sich 5,5 Prozent skeptisch. Die Vorstellung, gemeinsammit den Schimpansen "äffische" Vorfahren zu haben, lehnen von ihnen gar neun Prozentab.
"Ich hoffe, dass sich diese Einstellung besonders bei den Biologie-Studentenwährend des Studiums noch ändern wird", so Professor Dittmar Graf, 51, der die Umfrage ander Universität leitete. Schließlich sei "die Evolution die wichtigste biologischeTheorie überhaupt". Privat könne jeder glauben, was er wolle. "Aber im Schulunterrichtsoll nicht die eigene Überzeugung, sondern der Stand der Wissenschaft vermittelt werden",sagte Graf SPIEGEL ONLINE. Er lehrt an der Universität Dortmund sowohl Biologie als auchbiologische Didaktik.
"Und Gott erschuf die Welt in sechs Tagen..."
DerAnlass für seine Evolutions-Umfrage zum Thema Evolution: In den USA lehnen breite Teileder Bevölkerung die Vorstellung ab, von anderen Lebewesen abzustammen. Sie sind überzeugtdavon, dass ein Schöpfer den Menschen erschaffen hat, und legen die Bibel oft wörtlichaus - inklusive der sechstägigen Welt-Schöpfung und dem Glauben daran, dass die Erde nochkeine 10.000 Jahre alt ist.
Seit Jahren tobt in den USA ein regelrechterKulturkampf zwischen Naturwissenschaftlern einerseits, oft tief religiös geprägtenAnhängern des Kreationismus oder des "Intelligent Design" andererseits. DieAuseinandersetzung führte auch zu zahlreichen Prozessen, in denen Gerichte darüberurteilen mussten, ob biblische Schöpfungsideen den Status einer wissenschaftlichenTheorie erreichen, gleichberechtigt im naturwissenschaftlichen Unterricht gelehrt werdendürfen oder gar müssen.
Inzwischen hat der Streit Europa erreicht, auch einigedeutsche Schulen. "Vieles von dem, was die Amerikaner glauben, schwappt früher oderspäter zu uns rüber", sagt Dittmar Graf. Er habe herausfinden wollen, wie stark dies derFall ist. Seine Vermutung: Ein kleiner Teil der Erstsemester würde sich zum ThemaEvolution kritisch äußern. "Doch dass solche Ansichten auch unter Biologie-Studenten soverbreitet sind, hat uns überrascht", sagt er.
"Wissenschaft ist nüchtern, kalt,kompliziert"
Graf befürchtet, dass es sich dabei um einen Trend handeln könnte.Die Skepsis gegenüber der Wissenschaft wachse. "Wissenschaft ist nüchtern, kalt,kompliziert und wirft viele Fragen auf. Einige Menschen sehnen sich nach jemandem, derihnen sagt, wo es lang geht." Viele suchten eine Erklärung in ihrem Glauben, so Graf. Umzu erfahren, ob dies allein Problem des christlichen Abendlandes ist, stellte Graf auch500 Studenten aus Ankara die gleichen Fragen. Ihre Antworten müssen allerdings nochausgewertet werden.
Doch nicht bei allen Studenten sieht Graf für die Zweifel anzentralen Wissenschaftstheorien religiöse Gründe: "Vielen fällt es einfach schwer zuglauben, dass der Mensch ein vom Baum gestiegener Affe ist." Sie wünschten sich, dass ereine Sonderstellung einnähme.
MIT GOTTES WORT GEGEN DIEWISSENSCHAFT
KreationismusIntelligent DesignVor GerichtSatire
AFP
Naturforscher Darwin
Schon lange tobt vor allem in den USA ein Kulturkampfzwischen Forschern und Gottesfürchtigen: Die Kreationisten wollen dieSchöpfungsgeschichte der Bibel wörtlich verstanden wissen. Sie streiten gegen die vonCharles Darwin begründete Evolutionslehre und fordern eine Verankerung derSchöpfungsgeschichte im Schulunterricht - im Fach Biologie, nicht in Religion. IhrHauptargument: Bestimmte Eigenschaften von Lebewesen seien so komplex, dass sie mit derEvolution allein nicht erklärbar seien. Die radikalsten Fundamentalchristen ("flatearthers") glauben sogar, dass die Erde eine Scheibe ist.
Fundamentalismus imTarnkleid: Vertreter der akademischen Variante Intelligent Design sprechen nicht vonGott, sondern von einer übernatürlichen Intelligenz hinter allen Dingen. DerKreationismus wurde von seinen Anhängern in den USA vor allem aus juristischen Gründen inIntelligent Design umbenannt, da US-Gerichte mehrfach religiöse Lehren an staatlichenSchulen untersagt hatten. Unter dem neuem Etikett preisen Anhänger ihren Glauben alsgleichwertige Theorie. Das lässt Wissenschaftlern allerdings die Haare zu Berge stehen -für eine Theorie bräuchte es schließlich die Grundlage von Forschung, Nachweisen undwissenschaftlichen Veröffentlichungen.
In 31 US-Bundesstaaten streiten Eltern vorGericht, ob ihre Kinder im Biologie-Unterricht neben der Evolutionstheorie auch dasKonzept eines göttlichen Schöpfers lernen sollen. Die Urteile sind nicht eindeutig: Zwarmussten die Kreationisten etwa in Pennsylvania und Kalifornien einige Niederlageneinstecken, doch in Kansas darf die biblische Schöpfungsgeschichte gleichwertig neben derEvolutionstheorie stehen. Laut Umfragen glauben bereits 57 Prozent der Amerikaner undauch 22 Prozent der Briten an den Kreationismus.
venganza.orgEntsetzteUS-Wissenschaftler begegnen Kreationismus und Intelligent Design mit Humor. Sie gründeteneine eigene Religion, die an die Stelle Gottes ein fliegendes Spaghetti-Monster setzt,und brachten eine satirische Kampagne ins Rollen. Die Forderung der "Pastafarians": Wennmit Intelligent Design schon eine religiöse Anschauung an Schulen verbreitet werde, dannsolle auch die Theorie vom Nudelmonster als Schöpfer allen Lebens unterrichtet werden.
In einem Aufsatz die "Renaissance einer Parawissenschaft" und die "fragwürdigeFaszination des Kreationismus" schreibt der Dortmunder Professor: "Einer der wesentlichenAntriebsmotoren der Auseinandersetzung ist das, was Sigmund Freud einmal als die zweiteKränkung der Menschheit bezeichnet hat: Als Konsequenz aus Darwins Theorie sinkt derMensch, um es pointiert auszudrücken, von der Krone der Schöpfung, dessen Gestalt Gottnachempfunden wurde und für den Erde und Himmel erschaffen wurden, auf ein junges, durchZufall entstandenes, gewöhnliches, affenverwandtes Lebewesen, das auf einem winzigenPlaneten einer unbedeutenden Sonne am Rande der Milchstraße in einer Ecke des Universumslebt."
Doch es gibt auch Studenten, die über das Thema Evolution einfach zu wenigwissen - obwohl sie das Abitur bestanden haben. "Wir vermuten, dass das Thema imUnterricht nicht richtig vermittelt wird", sagt Graf. Er will daher bald auch Schülerfragen, was sie über die Evolution wissen - und darauf aufbauend Vorschläge für Lehrererarbeiten, wie sie dieses Thema am besten vermitteln können.