@schlüpperjoe schlüpperjoe schrieb:mein Glaube ist das es sowas wie Gott nicht gibt und das man anhand von Genen nicht bestimmen kann wie viele Menschen es vor 70.000 Jahren gab.
Kennst Du das? Ne nigelnagelneue Ledercouch ist so schön glatt und glänzend, aber so ne zerschrammte, stumpfe, abgewetzte zeigt, daß sie schon ein paar Jährchen aufm Buckel hat.
DNA wird bei jeder Zellteilung verdoppelt. Leider treten immer wieder mal Fehler beim Kopieren auf. Wir nennen das dann Mutationen. Und obwohl die zufällig auftreten, hat man festgestellt, daß das wie bei der Halbwertzeit von radioaktiven Isotopen funktioniert: während die einzelne Mutation zu einem zufälligen Zeitpunkt erfolgt, bildet die Gesamtheit aller Mutationen einen relativ einheitlichen zeitlichen Verlauf, sodaß wir messen können, wie viel Zeit vergeht, bis sagenwirmal ein Promille der DNA verändert ist.
Wir können also, um mal mein Beispiel zu bemühen, an der Häufung der Kratzer pro Quadratzentimeter bestimmen, wie alt das Sofa ist.
Nun geht das aber nur, wenn wir den Ausgangszustand kennen, also das unzerkratzte, glatte Sofa. Aber wir kennen natürlich nicht die genaue Gestalt der Ausgangs-DNA. Was ist denn nun original und was Mutation?
Hier hilft der Vergleich zwischen zwei heute lebenden DNA-Trägern. Wir sehen uns einen DNA-Abschnitt an, der bei beiden vorkommt, und zählen die Unterschiede aus. Wenn die Unterschiede sagen wir mal zwei Promille betragen, dann wissen wir, daß beide um je eine Promille sekundärer Mutation vom gemeinsamen Original entfernt sind.
Natürlich könnten die Mutationen bei beiden stets auf den selben DNA-Stellen passiert sein, dann wären beide um zwei Promille vom Original entfernt. Aber die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen. Nur zwei Promille ihrer Abweichungen sollten im statistischen Mittel getrennte Mutationen des selben DNA-Abschnitts sein. Je größer der prozentuale Anteil der von Veränderung betroffenen DNA-Regionen ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß zwei getrennte Entwicklungslinien auch Mutationen in den selben DNA-Abschnitten besitzen. Daher läuft dieser Vergleich nicht linear, vor allem nicht mit zunehmender Entfernung.
Jedenfalls kann man so aus der Vielfalt der genetischen Unterschiede der heutigen Menschen das ungefähre Alter des letzten gemeinsamen Vorfahrens aller Menschen ausrechnen.
So, bis hierhin war nur nötige Vorarbeit.
Auf diesem Wege entstehen nicht nur zahlreiche von Mutation betroffene DNA-Areale, es entstehen dadurch auch zahlreiche unterschiedliche DNAs. Das nennt man dann Genpool. Und dieser Genpool sollte ziemlich bunt sein, wenn eine Spezies schon alt ist. Es gibt zwar auch Ausselektion, daß also manche DNA-Versionen auch wieder verschwinden (z.B. krankhafte, deren Träger nicht überleben können). Ein Genpool kann auch wieder gehörig verarmen. Indem zu einer bestimmten Zeit die Mehrheit einer Spezies ausstirbt (man spricht vom Flaschenhals). Die Überlebenden konnten nur ihre eigenen DNA-Varianten retten. Die wenigen DNA-Varianten unterscheiden sich noch immer entsprechend ihrem "Speziesalter" stark vom Ausgangserbgut, also auch untereinander stark, nur die vielen anderen Versionen, die es auch geben müßte, die sind weg.
Wenn nun wieder ne Menge Zeit vergeht, entsteht erneut ein reicher Genpool. Aber wenn wir wieder mal die Unterschiede messen, werden wir feststellen, daß es neben der allgemeinen Ähnlichkeit aller DNAs und dem daraus ermittelbaren Alter des letzten gemeinsamen Vorfahren (also des "Ahnherren", des "Dynastiegründers") auch noch Untergruppen gibt, also Individuen, die untereinander eine sehr ähnliche DNA mit nur wenigen Unterschieden haben, währen die DNA-Unterschiede zu den anderen deutlich höher ausfallen. So finden wir mehrere Unterguppen und bestimmen deren Alter.
Normalerweise müßte das mit den Untergruppen so laufen. Eine Spezies, die vor 200.000 Jahren ihren "Ahnherren" hatte, hat in 50.000 Jahren X Varianten erzeugt. Nehemen wir die wieder als "Ahnherren", so müssen die nach weiteren 50.000 Jahren wiederum je X Varianten erzeugt haben. Und so weiter. Nun sterben natürlich einige Varianten immer wieder mal aus, aber das Verhältnis der Untergruppenanzahl, die ein bestimmtes Alter besitzen, zu der Anzahl von übergeordneten Untergruppen höheren Alters bleibt dennoch vergleichbar.
Wenn wir rückblickend nun sehen, daß die jüngeren Varianten unseres Erbguts aus den letzten 70.000 Jahren das normal zu erwartende Mengenverhältnis aufzeigen, aber die Variantengruppen älteren Datums sind unerwarteterweise deutlich zahlenarm, dann muß ein Flaschenhals vor spätestens 70.000 Jahren zugeschlagen haben.
Pertti