Branntweiner schrieb:Die Antwort auf die Frage, wo die EU endet: nach Austritt Deutschlands an der deutschen Grenze.
Nein, da sollten wir uns gar nichts vormachen.
Wenn Deutschland aus der EU austritt, endet die EU. Wir sind der größte Nettozahler, die größte Volkswirtschaft, das Land mit den meisten Einwohnern usw. Wir waren die Triebfeder der EU, der Motor der Integration.
Tritt Deutschland aus, wird die EU als Ganzes aufhören, zu existieren. Und genau deshalb sollten wir es tun. Wir haben nicht nur die Chance, meiner Meinung nach auch die Verpflichtung, wieder selbst Herr unseres eigenen Schicksals zu werden.
Nein, wir können dieses Geschenk auch den Menschen in Europa machen.
Es wird viel von der Wirtschaft geredet und leider hört man auch immer wieder den ein oder anderen Mythos, wenn es um die EU und ihre Bedeutung für die Wirtschaft Deutschlands geht.
Tatsache ist, dass Handel keine Erfindung der EU ist. Wir haben vor der EU mit unseren Nachbarn gehandelt, wir werden nach der EU ebenfalls noch mit unseren Nachbarn handeln. Denn warum auch nicht? Auch nach der EU würden z.B. Holländer immer noch gerne deutsche Autos kaufen. Und wir im Gegenzug ihre nach Wasser schmeckenden Tomaten.
;)Außerdem, wie du eben schon richtig gesagt hast, müssen wir Unterscheidung der Begriffe vollziehen. Die EU ist nicht der gemeinsame Markt. Der gemeinsame Markt war vor der EU schon da und nach der EU wird er immer noch existieren.
Dabei lasse ich mal unerwähnt, dass auch der gemeinsame Markt natürlich auch seine
Nachteile. hat. Denn natürlich treibt die Harmonisierung auch ihre Blüten. Wieso muss sich denn ein Binnenstaat wie Österreich mit Fischereipolitik beschäftigen? Und wieso braucht Berlin eine Seilbahnrichtlinie?
Eben jene "Harmonisierung" ist, wenn es um die Politik geht, mehr schädlich als nützlich.
Wir sind nun mal verschiedene Staaten mit unterschiedlichen Kulturen, Geschichte, Mentalitäten usw. Warum das alles "harmonisiert" werden und unter eine zentralistische Knute muss, entzieht sich meinem Verständnis.
Ich finde es großartig, dass Polen nicht so ist wie Deutschland. Und dass Frankreich nicht so ist wie Italien. Und Großbritannien nicht so ist wie die Niederlande usw.
Europa ist groß geworden, weil es unterschiedlich war und sich nie hat zentral "vereinigen" lassen.
Wir leben, wenn es um die EU geht, in einer Zeit der Obsession. Es wird nicht gefragt, ob es richtig und sinnvoll ist? Nein, es muss "vereinheitlicht" werden. Wieso denn nur?
Es ist wirtschaftlich z.B. nicht sinnvoll, einheitliche Steuern in der EU zu haben. Manche Länder sind nicht so wettbewerbsfähig wie z.B. Deutschland oder die Niederlande. Das einzige, was sie haben um Unternehmen und Arbeitsplätze anzulocken, sind niedrige Steuern. Wenn ein Unternehmen in Lettland dieselben Steuern und Gehälter wie in der Niederlande zahlen muss, dann kann es auch direkt in der Niederlande bleiben.
Denn dort hat es eine bessere Infrastruktur, bessere und schnellere Verwaltung, eine besser ausgebildete Arbeitsbevölkerung usw.
Wenn wir also einheitliche Steuern in der EU haben, dann nehmen wir den weniger entwickelten Ländern die Möglichkeit, sich wirtschaftlich zu entwickeln.
Insofern macht eine Vereinheitlichung wirtschaftlich keinen Sinn. Doch sie macht auch politisch keinen Sinn, dazu nehmen wir mal die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.
Ziel und Wunsch ist es, dass die Länder der Europäischen Union bei Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik eine gemeinsame Linie vertreten. Dass das mal vorkommt, ist äußerst selten. Denn wir haben alle unterschiedliche Interessen und Verpflichtungen, was die Außen- und Sicherheitspolitik angeht.
Doch wenn es mal vorkommt und man sich tatsächlich einigt, dann ist es in der Regel der kleinste gemeinsame Nenner: Die Enthaltung.
Aber seit wann ist denn eine Enthaltung eine politische Position?
Es wird davon gesprochen, die EU zu einem "Global Player" zu machen. Auf einer Augenhöhe mit den USA, China, Russland usw. Wirklich, mit Enthaltungen? Enthaltungen sind doch gar nichts.
Weder Fisch noch Fleisch. Wer soll da die EU ernst nehmen?
Nehmen wir als drittes Beispiel die Justiz.
Ganz aktuell weigert sich die Bundesjustizministerin eine EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Sie ist übrigens nicht die Einzige, das machen neben Deutschland noch andere Länder nicht, z.B. Schweden. Der Grund ist, weil die Richtlinie damals im Eiltempo durch die EU-Instanzen gepeitscht wurde und die Grundrechte nicht ausreichend berücksichtigt sind.
Die zuständige EU-Kommissarin gibt zu, dass die Richtlinie fehlerhaft ist und sie wird auch überarbeitet. Dennoch soll Deutschland diese fehlerhafte Richtlinie jetzt zu einem Gesetz machen.
So etwas ist ein perfektes Beispiel dafür, was ich eben kritisiert habe. Es wird nicht gefragt, ob es richtig oder sinnvoll ist. Nein, es wird "harmoniert", nur um des Harmonisierens Willen.
Auch dein Einwand, dass das Haben das Soll überragt, kann ich so nicht beipflichten. Nicht mal im Ansatz.
Denn auch und gerade was die Bürgerrechte und Menschenrechte angeht, sehe ich eine eindeutig negative Entwicklung. Da haben wir mitten in der EU ein Land, welches sich gerade in einem atemberaubenden Tempo zu einem autoritären Staat entwickelt: Ungarn.
Ungarn schränkt die Pressefreiheit massiv ein, die Unabhängigkeit der Notenbank, die Überprüfungsbefugnisse des Verfassungsgerichts usw. Dazu gibt es massivste Diskriminierungen gegen Ausländer und Juden. Wie ist das denn möglich in dieser EU, die angeblich für Freiheit und Demokratie steht?
Genau das meine ich eben mit dem grotesken Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Zwischen dem, was gesagt wird, was die EU angeblich ist und wofür sie steht. Und dem, was die Menschen mit ihren eigenen Augen sehen können.
Wenn man sich die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur EU anschaut, dann sieht man eindeutig einen roten Faden. Und dieser zeigt ein tiefsitzendes Misstrauen des Bundesverfassungsgerichts gegenüber der EU und ihren Institutionen.
Egal ob es Maastricht ist, Lissabon, die Griechenland-Hilfen usw. Das Bundesverfassungsgericht achtet immer peinlichst genau darauf, dass nichts unwiderruflich ist, dass am Ende immer der Bundestag entscheidet.
Und es behält sich selbst das Recht vor, Solange I und II Urteile, sich und seine Zuständigkeit was das EU-Recht angeht, jederzeit selbst zu reaktivieren und Entscheidungen der EU, des EUGH's usw. für nichtig zu erklären.
Wenn selbst das Bundesverfassungsgericht, unsere höchsten Richter, der EU und ihren Institutionen nicht traut, wieso sollten es dann die normalen Bürger?