Wer liest die Landser Hefte?
24.10.2016 um 00:35
Ich habe einige als Kind gelesen, ich war 12, 13, um meine Phantasie anzuregen. Wir haben nämlich Krieg gespielt. (Waaaas , Krieg gespielt? An der freien Luft? Diese Nazikinder !!!! Wie kann man nur Krieg spielen, wenn in der dritten Welt blabla und bla diese Gewalt...*heiße Luft*) Und jetzt wundert euch Leute: Aus mir ist nicht mal ein Nazi geworden. Ach du großer Gott, wie kann das sein? Da sind doch Panzer und Soldaten drauf abgebildet und es geht um deutsche Soldaten... und wenn politisch ungebildete Kinder das lesen, diese Ideologie erleben, diese traumatische Indoktrinierung erfahren.. blabla... ach, ein Verbrechen.
Also, ich dachte als Kind, das seien von einem Ghostwriter aufbereitete Tatsachenberichte von Exsoldaten aus dem 2. Weltkrieg, so wie ich es mal las. Ich fand sie zunächst spannend, als Kind hat man außerdem wenig politisches Bewusstsein. Aber irgendwann wurde mir der Schreibstil zu "groschenheftig" und trivial, wie bei allen Groschenromanen. Außerdem waren in den Sonderheften interessante Fotos, was Historiker wohl Zeitdokumente nennen.
Und nochmal was zu dieser genüsslich praktizierten Aufgeregtheit, dieses demonstrative Wegbeugen und pseudoscharfsinnige Verhöhnen von diesen Heften: Ich sehe sowas sachlicher und ausgewogener, aber auch nicht unkritisch. Wie ein Vorschreiber schon ähnlich schrieb: Heutzutage ist alle mögliche Gewaltdarstellung legitim. Stimmt. Solange sie nämlich meist möglichst kommerzialisiert oder in der Umkehrung "künstlerisch aufgewertet und kritisch blabla" ist.
Soweit ich mich erinnere, wird in diesen Heften weder das Naziregime verherrlicht noch deren Ideologie, die kommen darin nämlich gar nicht vor und wenn nur am Rande. Es werden nach meiner Erinnerung auch die gegnerischen Soldaten nicht durch den Dreck gezogen. Und ein Soldatenslang wie "Ivan" oder "Tommys" usw. ist noch lange keine Nazi-Soldaten-Verherrlichung (historischer Fakt am Rande: Es waren nicht alle Wehrmachtssoldaten Nazis), sondern Gang und Gäbe in allen Armeen - und auch in Gesellschaften. Es stellt also sachlich keinen Unterschied zu Slangbildungen in sozialen Kontexten dar. Ich denke dass es ein allgemeines Merkmal für Kriegsliteratur ist, dass Kameradschaft und Solidarisierung usw. dargestellt werden. Und das ist auch im realen Leben in Armeen so, gleich in welcher.
Just deal with it. Wir leben nicht in einem Traum- und Zuckerwatteland, wo alle mit Plüschtieren und Friedenstransparenten aufeinander werfen und dabei in philantropisches Kichern ausbrechen. Und wenn man fair ist und dieselben Maßstäbe anlegt, wie für andere Literatur, wird man zugeben, dass das Sterben da auch nicht primär und immer als positiv dargestellt wird, vielleicht in einem Subkontext, wenn einer für die Gruppe das Leben opfert, aber diese Heldendarstellung ist auch kein ausschließliches Merkmal dieser Romane und ist nur eine Abwandlung von Darstellungen, die es seit jeher gibt.
Diese Darstellungsweise generell kann und sollte man kritisch sehen, tu ich auch, man kann es mögen oder hassen, aber ich verteufel sie auch nicht und ich halte genauso wenig davon, Menschen zu diskreditieren, weil sie sowas lesen oder ihnen am Ende noch vorschreiben zu wollen, was richtig oder falsch ist. Denn genauso wie ich nicht automatisch Islamist werde, weil ich den Koran gelesen habe, kein Nazi werde, weil ich "Mein Kampf" gelesen habe, wie ich kein Bewohner bin, weil ich mich in einem Haus befinde, wird man kein Nazi, weil man diese Hefte liest. Und andersherum funktioniert die Logik auch nicht: Ein Interesse an sowas ist nicht gleichbedeutend mit Verherrlichung von xy oder Nazisein. Es ist nunmal eines Jeden freie Entscheidung. Heutzutage entfaltet diese Literatur keine Wirkung mehr, weil sie nicht mehr aktuell ist und soweit ich mich erinnere, hat sie keine politische Botschaft. Man kann sie aber reinlegen, wenn man sowieso ein Nazi ist. Wir haben andere, realere Probleme als Menschen, die solche "Kriegsberichte" lesen und ansonsten niemandem was zuleide tun. Wir leben in Zeiten, in denen alle möglichen, nicht nur linke und rechte, Ideologien stark sind. Wenn jemand ein Nazi ist, ist er das so oder so, Landser hin oder her.