Sollte Halal Fleisch in Supermärkten angeboten werden?
03.12.2015 um 23:16
Erstmal ist es klar moralisch verwerflich, dass Tiere überhaupt gehalten und geschlachtet werden, weil sie u.a. willkürlich in eine Objektposition gezwungen werden und Leid erfahren. Immerhin aber gibt es dafür mehr oder weniger diskutable Vorschriften und zu behaupten, dass das Schächten nicht viel schlimmer als das sei, was auf Schlachthöfen abginge, liegt daran, dass diese Vorschriften nicht eingehalten werden oder zu lasch sind. Aber sie sind daurch charakterisiert, dass sie änderbar sind und verschärft werden können.
Ich behaupte, dass Fleisch essen generell unmoralisch ist, aber dass ein Tier, welches sein Leben auf einer Bioweide verbracht hat und dann mit Betäubung geschlachtet wurde, weniger leiden musste, als eines in einem Mastbetrieb und das wiederum weniger, als ein geschächtetes Tier.
Eine ganz klar religiös motivierte Tierquälerei wie das Schächten jedoch gehört meiner Meinung nach nicht in ein aufgeklärtes europäisches Land und hat keinen Einfluss auf die hier geltenden Tierschutzgesetze zu nehmen. (Genauso wenig, wie irgendeine Religion auf in Staatsgesetzen repräsentierte Werte konstitutiven Einfluss nehmen sollte.)
Noch dazu weil dafür Ausnahmen gemacht werden und mit zweierlei Maß gemessen wird, das bei nicht-schächtenden Metzgern nicht angewendet wird. Denn grundsätzlich ist es verboten, Tiere bei vollem Bewusstsein zu töten, wogegen man andererseits aus religiösen Gründen zulässt, dass Tieren bei vollem Bewusstsein alle Versorgungsgefäße im Hals (Luft, Blut) durchgeschnitten werden, obwohl das vom Koran her nicht einmal vorgeschrieben ist und eine vorherige Betäubung damit vereinbar wäre.
Praktiziert wird es dennoch. Für mich hat solches Fleisch ganz klar nichts im Verkauf verloren und ist eine äußerst fragwürdig religiös begründete Ausnahme, die noch nicht notwendig mal zur Religion gehört, wie z.B. das Kopftuchtragen im Islam für Frauen auch nicht zwingend ist. Es ist eine Frage der Sozialisation.
Ich denke eher, dass diese Aufregung darüber, anders als die eben schon hervorgeholte Pegida-Bashing-Karte "Ja, die müssen sich ja über irgendwas aufregen und wenns Hahalfleisch ist..." (wobei ich, ich sags nur aus ahnender Vorsicht, auch gegen Pegida usw. bin), nichts mit irgendeiner Angst, sondern mit Argumenten zu tun hat. Ich halte es andersherum für wahrscheinlich, dass es tatsächlich die Angst vor einem Aufschrei von bestimmten Muslimen ist, die uns an etwas festhalten lässt, von dem selbst islamische Glaubenskenner und Gelehrte bestätigen, dass es nicht praktiziert werden muss, das aber zahlreiche Muslime so praktiziert haben wollen und das so fordern, weil sie Angst davor haben, dass das Tier bei der Betäubung stirbt und der Verzehr von ungeschächteten Tieren verboten sei. Und u.a. genau dieser potentiellen Kritik beugt sich, wie manche schon schrieben, der Zwang des Angebots in Lebensmittelmärkten.
Wir haben also hier einen klaren Fall, in dem nicht essentielle (das heißt nicht notwendige) religiöse Werte, die nur deshalb bestehen weil viele es praktizieren, Einfluss auf unsere Gesetzgebung genommen haben. Da frage ich mich: Mit welcher stichhaltigen Begründung ist das haltbar, außer: Viele wollen es so?
Natürlich kann man diese Debatte auf Fleischverzehr im Allgemeinen ausweiten, aber erstmal wird hier niemand bestreiten, dass das Leid von geschächteten Tieren verhindert werden könnte, denn mehr Leid, ist immer schlechter, als weniger.