Allmy Kurzgeschichten Wettbewerb 2.0
13.12.2011 um 08:00
So, ich will auch mal mitmachen. Da ich bei sowas noch nie teilgenommen und auch sonst nix mit Kurzgeschichten am Hut habe, seid nicht so hart. Ach was, darauf geschissen, seid so eklig, wie ihr nur könnt.
Also, anbei nun meine Geschichte mit 843 Wörtern, der Titel lautet: Prinz Schwanzus. Viel Spass.
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Schmidt war ausser sich. Als Geschäftsführer bekommt er das ganze Jahr über viel Mist zu lesen, aber diese Mappe toppt alles. 'Keine Ahnung was sie sich dabei gedacht haben, anscheinend ein immerwährender Hirnfurz. Hier, Schulbildung, 1990 bis 99, staatliche Baumschule für Jungpflanzen – sehr witzig. Oder hier, Berufsausbildung, Institut für Baumschulwesen mit praktischer Anwendung im Fachbereich für Jungtriebe – fanden sie diesen Dreck eigentlich lustig, als sie es sich ausgedacht haben?' Der junge Mann am Ende des Schreibtisches verzog keine Miene und entgegnete kühl: 'Ja, eigentlich schon, vor allem der tiefere Sinn.' Ein leichtes Grinsen begleitete seine Aussage. Mit soviel Unverfrorenheit war Schmidt selten konfrontiert. Aber er wäre nicht in dieser Branche so weit gekommen, wenn er nicht über eine gewisse Schlagfertigkeit verfügen würde: 'Also gut, ich meine, dieses Spektakel geht ja schon gut los, Vor- und Nachname, Prinz Schwanzus der III. von Vaginus.' Der junge Mann quittierte das Ganze mit einem deutlicheren Grinsen. 'An ihnen ist ein mieser Gossenkomiker verloren gegangen', honorierte Schmidt das dämliche Lächeln, er merkte förmlich, wie der pure Hass in ihm hochquoll, obwohl er in seiner Position seit Jahren ein Routinier ist. Trotzdem trieb ihn der Knabe zur Verzweiflung, er fühlte sich wie im falschen Film. 'Ok, ok, die Scharade ist ja noch nicht vorbei. Weiter im Text, hmm, achja, hier: Familienstand, Harem. Wehrdienst, Mösenflakkommando. Besondere Kenntnisse, starkes Durchhaltevermögen im Bett, hohe Alkoholverträglichkeit und ein besonders dickes Gerät. Mit solchen Flachwitzen punkten sie nicht einmal auf unserer Weihnachtsfeier.' Über diese Bemerkung musste das Kerlchen plötzlich schmunzeln, begleitet von einem 'Ach wissen sie Herr Schmidt, ich finde, im Lebenslauf sollte man so ehrlich wie möglich bleiben.' Schmidt hatte die Faxen dicke, ihm war unbegreiflich, warum er eigentlich sich den Scheiss von diesem kleinen Arschloch anhörte. Er zupfte sich den Krawattenknoten zurecht, klappte die Bewerbung zu, schob die Mappe abfällig zur Seite, stützte seine Ellbogen auf den Tisch, faltete beide Hände zur Faust und blickte dem Kerlchen tief und mit bösem Blick in die Augen. Der kleine Depp war immer noch am Grinsen. 'Jetzt hören Sie mir mal gut zu', Schmidt achtete darauf, dass seine Stimme tief und bedrohlich klang, 'sehen sie diesen Stapel da? Da sind um die 40, vielleicht sogar 50 Mappen, alle von hochkarätigen Bewerbern. Wollen sie mal einen Blick in mein Outlook-Postfach werfen? Da finden sie nochmal dieselbe Menge an Bewerbungen, wenn nicht sogar mehr. Allesamt gespickt mit tollen Vitas. Aber der wirkliche Grund, warum ich sie eingeladen habe, ist Folgender: Ich wollte unbedingt wissen, welcher verblödeter, total unterbelichtete Volldepp solch eine Grütze auf meine Stellenausschreibung formuliert und dann noch den Mut zeigt, diese rhetorische Kacke mir zu schicken. Und weil sie natürlich kein Foto mitgesendet haben und Lord Schwanzus...' '...Prinz Schwanzus!', unterbrach der junge Mann. 'Wie gesagt', setzte Schmidt unbeeindruckt fort, '..weil Prinz Schwanzus sicherlich nicht ihr richtiger Name ist, wollte ich unbedingt wissen, was für Freak mir so etwas schickt'.
Sein Gegenüber zeigte null Reaktion auf die Schimpftiraden, die eben über ihn hereingebrochen sind. Ganz im Gegenteil, er grinste weiter, als müsste er um sein Leben lächeln. 'Ach wissen sie Herr Schmidt, mir ist völlig egal was sie über mich oder mein Werk denken. Ich bin auf ihre lächerliche Topposition nicht angewiesen. Aber sie suchen einen fähigen Vertriebler und zudem ist mir klar, dass man ihre Agentur fast als regionalen Branchenprimus bezeichnen könnte. Glauben sie wirklich, dass ich nicht ahnte, wie überlaufen ihr Stelleninserat sein wird?'. Das lustige Grinsen verzog sich in eine ernste Miene. 'Ich kenne diese Schleimscheisserei im üblichen Bewerbungsjargon, Herr B. aus Wusterhausen denkt, dass seine Fähigkeiten ideal auf diese Stelle passen.' Das Kerlchen äffte hervorragend den Pseudobewerber nach. 'Und noch etwas, was sie unbedingt wissen sollten, Herr Schmidt: Ich sitze nun hier vor ihnen und nicht der studierte Trottel aus Wusterhausen.'
Schmidt flog es wie Schuppen von den Augen. Er war so dermassen über die Bewerbung empört, dass er diesen billigen Trick von Anfang an nicht bemerkt hatte. Dieser kleine, eloquente Mistkerl hatte ihn sehr einfach geködert, über seine eigene Sensationsgier. Schmidt war wütend, aber nicht über den jungen Mann, sondern über seine eigene Blauäugigkeit. Er hatte einen Asozialen oder einen völligen Idioten erwartet, aber nun merkte er erst, wie geschniegelt der Kleine vor ihm sass. Dieser Bewerber hatte sich vom Dreck unterm Fingernagel in einen Goldjungen verwandelt und solche Leute braucht man heutzutage, vor allem gegenüber der wachsenden Konkurrenz bei seinen Bestandskunden und weil sich inzwischen jede Scheissklitche mit zwei Grafikern Werbeagentur schimpfen darf. Schmidt war einen Moment sprachlos, was selten passierte. Seine versteinerte Mimik verwandelte sich in ein freundliches Gesicht: 'Ok junger Mann, tun sie mir einen Gefallen: Hinterlassen sie beim Sekretariat ihre richtige Adresse. Ich werde ihnen in Kürze ihre Vertragsunterlagen zusenden. Willkommen in meiner Firma.' Der Bewerber nickte kurz zustimmend, stand auf, knöpfte sich das Jackett zu und bewegte sich wortlos in Richtung Ausgang. Er war bereits im Türrahmen, als es hinter ihm hallte: 'Ach und noch was'. Der junge Mann drehte sich um und nun hatte Schmidt das blöde Grinsen im Gesicht: 'Machen sie so weiter, dann schaffen sie es hier vielleicht zum König Schwanzus.'