papillon schrieb:für euch speziell ein text von dietrich bonhoeffer :
"von der dummheit"
widmete
@papillon einen Text den usern
@StUffz @GilbMLRS und @insurgent.
Nur weil
Bonhoeffer auf etwas steht, ist es noch längst nicht nicht dumm oder etwa gut. Ich habe den Text einmal durch winzige Veränderungen dem user papillon 'zurückgewidmet'. Speziell für ihn:
"Vom Kiffen"
Kiffen ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt.
Gegen das Kiffen sind wir wehrlos.
Weder mit Protesten noch durch Gewalt läßt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden - in solchen Fällen wird der Kiffer sogar kritisch - und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden.
Dabei ist der Kiffer im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist dem Kiffer gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen.
Niemals werden wir mehr versuchen, den Kiffer durch Gründe zu überzeugen; es ist sinnlos und gefährlich. Um zu wissen, wie wir dem Kiffen beikommen können, müssen wir sein Wesen zu verstehen suchen.
Soviel ist sicher, daß es nicht wesentlich ein intellektueller, sondern ein menschlicher Defekt ist. Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche Menschen, die kiffen , und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als Kiffer sind. Diese Entdeckung machen wir zu unserer Überraschung anläßlich bestimmter Situationen. Dabei gewinnt man weniger den Eindruck, daß das Kiffen ein angeborener Defekt ist, als daß unter bestimmten Umständen die Menschen zum Kiffer gemacht werden, bzw. sich zum Kiffer machen lassen.
Wir beobachten weiterhin, daß abgeschlossen und einsam lebende Menschen diesen Defekt seltener zeigen als zur Gesellung neigende oder verurteilte Menschen und Menschengruppen. So scheint das Kiffen vielleicht weniger ein psychologisches als ein soziologisches Problem zu sein. Es ist eine besondere Form der Einwirkung geschichtlicher Umstände auf den Menschen, eine psychologische Begleiterscheinung bestimmter äußerer Verhältnisse. Bei genauerem Zusehen zeigt sich, daß jede starke äußere Machtentfaltung, sei sie politischer oder religiöser Art, einen großen Teil der Menschen mit Kiffen schlägt. Ja, es hat den Anschein, als sei das geradezu ein soziologisch-psychologisches Gesetz.
Die Macht der einen braucht das Kiffen der anderen. Der Vorgang ist dabei nicht der, daß bestimmte - also etwa intellektuelle - Anlagen des Menschen plötzlich verkümmern oder ausfallen, sondern daß unter dem überwältigenden Eindruck der Machtentfaltung dem Menschen seine innere Selbständigkeit geraubt wird und daß dieser nun - mehr oder weniger unbewußt - darauf verzichtet, zu den sich ergebenden Lebenslagen ein eigenes Verhalten zu finden.
Daß der Kiffer oft bockig ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß er nicht selbständig ist. Man spürt es geradezu im Gespräch mit ihm,
daß man es gar nicht mit ihm selbst, mit ihm persönlich, sondern mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten, Parolen etc. zu tun hat. Er ist in einem Banne, er ist verblendet, er ist in seinem eigenen Wesen mißbraucht, mißhandelt. So zum willenlosen Instrument geworden, wird der Kiffer auch zu allem Bösen fähig sein und zugleich unfähig, dies als Böses zu erkennen. Hier liegt die Gefahr eines diabolischen Mißbrauchs. Dadurch werden Menschen für immer zugrunde gerichtet werden können. Aber es ist gerade hier auch ganz deutlich, daß nicht ein Akt der Belehrung, sondern allein ein Akt der Befreiung das Kiffen überwinden könnte. Dabei wird man sich damit abfinden müssen, daß eine echte innere Befreiung in den allermeisten Fällen erst möglich wird, nachdem die äußere Befreiung vorangegangen ist; bis dahin werden wir auf alle Versuche, den Kiffer zu überzeugen, verzichten müssen.
In dieser Sachlage wird es übrigens auch begründet sein, daß wir uns unter solchen Umständen vergeblich darum bemühen, zu wissen, was »das Volk« eigentlich denkt, und warum diese Frage für den verantwortlich Denkenden und Handelnden zugleich so überflüssig ist - immer nur unter den gegebenen Umständen. Das Wort der Bibel, daß die Furcht Gottes der Anfang der Weisheit sei (Psalm 111, 10), sagt, daß die innere Befreiung des Menschen zum verantwortlichen Leben vor Gott die einzige wirkliche Überwindung des Kiffens ist. Übrigens haben diese Gedanken über das Kiffen doch dies Tröstliche für sich, daß sie ganz und gar nicht zulassen, die Mehrzahl der Menschen unter allen Umständen als Kiffer zu halten. Es wird wirklich darauf ankommen, ob Machthaber sich mehr vom Kiffen oder von der inneren Selbständigkeit und Klugheit der Menschen versprechen.
Geringfügig umgeschriebener Text,
papillon schrieb:Quelle: Dietrich Bonhoeffer. Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hrsg. von E. Bethge. TB Siebenstern. Gütersloh 1985. S. 14 f.