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Mehrnousch Zaeri-Esfahani - 33 Bogen und ein Teehaus
18.08.2024 um 15:19Mehrnousch Zaeri-Esfahani, die als Sozialpädagogin, Autorin und Flüchtlingsbetreuerin in Deutschland lebt, erzählt in diesem 2016 erschienen Roman ihre Geschichte bis ins Jahr 1986.
1974 geboren, wächst sie im Haus eines wohlhabenden Arztes in Isfahan auf. Aus der Sicht eines Kindes wird überzeugend geschildert, wie 1979 sehr viele Menschen durch die islamische Revolution eine Besserung der Lebensverhältnisse nach der Diktatur des Schahs erhofft haben, aber durch die Herrschaftspraxis Chomeinis, der zunächst als gütiger Nachfolger Mohammeds erträumt wurde, bitter enttäuscht wurden. Es wird die brutale Praxis der Wächtergarden, der Pasdaran, geschildert und wie Frauen entrechtet wurden. Dass über den BBC-Auslandsdienst Massenproteste gegen den Schah organisiert wurden, stimmt eigentümlich.1
Der Fluchtgrund ist gegeben, als das iranische Regime im Krieg gegen den Irak Zwölfjährigen eine freiwillige Teilnahme am Krieg ohne Einwilligung der Eltern ermöglicht. Über attraktive Ausbildungslager und religöse Gehirnwäsche (Märtyrertod) werden Familien, deren Söhne sich nicht melden, scheel angesehen (was zur Beobachtung durch die Wächtergarden führt). Die Familie will nicht, dass ihre Söhne beim Minenräumen als Schlachtvieh sterben. Im Februar 1984 verkaufen sie ihr Haus und treten offiziell eine Urlaubsreise in die Türkei an. Nur mit Koffern leben sie zunächst in Istanbul unter erbärmlichen Verhältnissen, bis sie ein 30-Stunden-Visum für die DDR erhalten. Laut Zaeri-Esfahani werden die Flüchtlinge von der DDR abgeschoben, um die BRD zu ärgern. Es schien ein bekannter Fluchtweg aus dem Iran gewesen zu sein.
Von Westberlin, wo die Familie einen Asylantrag stellt, werden sie in ein Übergangslager in Karlsruhe gesteckt. In diesem seien Gewalt, Drogen, Prostitution und rassistische Ausschreitungen an der Tagesordnung: Perser hassen Araber, weil sie Araber sind. Araber hassen Perser, weil sie Perser sind. Araber und Perser hassen Schwarzafrikaner, weil sie Schwarzafrikaner sind. So beschreibt es Zaeri-Esfahani:
Die Flüchtlinge in den Wohnheimen machten sich gegenseitig das Leben zur Hölle. Die Perser bezeichneten die Araber wie gewohnt als „Barbaren und Wilde". Die Araber nannten die Perser „arrogante Hunde", und alle beschimpften die Schwarzen als „schmutzige Ungläubige". Doch trotz des gemeinsamen Gegners, der Schwarzen, blieben sich Perser und Araber die ärgsten Feinde.Der Familie wird schließlich im April 1986 eine Wohnung in Heidelberg zugewiesen und Mehrnousch besucht eine Gesamtschule, in der sie zunächst nur mit türkischsprachigen Mitschülerinnen kommunizieren kann, aber mit Hilfe einer engagierten Lehrerin Deutsch lernt und alphabetisiert wird (lateinische Buchstaben).
Jedes Kapitel wird mit einer Art Lexikoneintrag über Flüsse oder Meeresströmungen, welche die jeweilige Stadt durchfließen, eingeleitet (Fluss als Symbol der Überregionalität und des unsteten Lebens?): Zayandeh Rud, Bosporus, Spree, Havel, Rhein, Neckar. Gerahmt wird der Text vom Fluss Pripjat. Dieser kurze autofiktionale Roman endet mit der Katastrophe von Tschernobyl.
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1 Die Rolle des persischsprachigen BBC-Programms während der iranischen Revolution von 1979 ist bis heute nicht eindeutig erforscht. Der Schah nannte es "Ayatollah BBC" und versuchte über den iranischen Botschafter in Großbritannien, diesen Sender einstellen zu lassen. Das Berliner Iran Journal kommt im Jahr 2020 immer noch zu keinem eindeutigen, belegbaren Schluss.