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Karl Kraus - Die letzten Tage der Menschheit
08.10.2022 um 11:09Der österreichische Autor Karl Kraus, berühmt durch seine Zeitschrift Die Fackel, schrieb von 1915 bis 1922 an einem sehr langen, lose zusammenhängenden Bühnenwerk mit dem Titel Die letzten Tage der Menschheit. Kraus war radikaler Weltkriegsgegner und gab sich in der Figur des Nörglers in diesem Stück selbst auch eine Stimme. Immer wieder werden die Schrecken der Frontsoldaten, der steigende Hunger in den Ländern Österreichs, die Hochnäsigkeit der reichen Bürgerschicht, die zynische Brutalität der Offiziere, die Kriegsverbrechen Österreichs, die Lüge des "Verteidigungskriegs", die Propagandalügen, der Kriegsjournalismus angeprangert.
Furios wird das Stück mit dem Antikriegsmonolog des Nörglers (Akt V, Szene 54), eine sprachmächtige Anklage, vermutlich einer der ersten Poetry Slams in deutscher Sprache. Im Anschluss werden in einem Offizierscasino an der Front in einem filmischen Wandbild die Grauen des Krieges vor Augen geführt, während österreichische und deutsche Offiziere schlemmen, saufen und die einfachen Soldaten "Frontschweine" nennen, deren Wertlosigkeit im Epilog durch zwei Kriegsberichterstatter (1x Text, 1x Bild), für die nur die Story zählt, vor Augen geführt wird.
Kraus sieht keine Möglichkeit mehr, die Grausamkeit dieser durch den Krieg entstandenen Gesellschaft zu stoppen, und lässt in der Schlussszene die Menschheit durch einen Meteorschauer erschlagen. Sie wird gesteinigt.
Auch in Auszügen absolut lesenswert. Den gesamten Text gibt es im Projekt Gutenberg