Umbau des Sozialstaats (bis 2070)
19.09.2020 um 20:19Es geht mir in diesem Thread um ein realistisches, realisierbares (bezahlbares) Szenario für den überfälligen Umbau der Sozialsysteme mit dem Ziel größerer sozialer Gerechtigkeit. Die verbreiteten Vorstellungen der Befürworter eines BGE halte ich jedoch für inkompatibel mit der Realität und damit für einen Irrweg.
Seit 40 Jahren haben wir (wirtschaftliche) Globalisierung (inzwischen spricht man längst von Globalismus) und damit Neoliberalismus (begonnen mit "Thatcherism“ und "Reaganomics“).
Mit der Globalisierung erreichte der Kapitalismus seine (vorerst?) letzte Stufe: Mit ihm verlagerte sich das Primat der Gesellschaft und ihrer Macht von der Politik, mithin vom Staat, auf die Wirtschaft, die von nun an der Politik die Vorgaben machte, wie sie zu verfahren habe, und da dies global geschah, kann man nicht mehr von dem Versuch sprechen, eine Weltregierung irgendwann zu bilden, sondern der wirtschaftliche Globalismus nahm bereits das vorweg, was die Politik niemals schaffen würde: die Weltherrschaft. Sämtliche alternativen Versuche, eine andere Ökonomie zu etablieren als Gegengewicht zum globalen Kapitalismus, dessen verheerende Wirkungen sich erst in der Zukunft voll entfalten würden, hatten nun keine Chance mehr. Die Werkzeuge und Mittel des globalen Kapitalismus, ohne den auch die "kommunistische“ VR China nicht mehr auskommt, sind bekannt: Deregulierung, Privatisierung, internationales Steuerballett, Shareholder Value, Akkumulation des Kapitals, Übernahme innovativer Startups durch Megakonzerne, Reduzierung der Bildung auf Ausbildung, Bemessung des Menschenwerts nach Haben und Leistung, etc. Die Finanzwirtschaft hat der Politik nur noch die Rolle des so genannten Sozialstaats, der Steuerhoheit, der Sicherung des inneren Friedens und der militärischen Außenpolitik in den Randbereichen des Einflussgebiets der westlichen Welt (speziell gegenüber Staaten der "islamischen“ Sphäre), der Eingrenzung der Zuwanderung und des Säbelrasselns gegenüber China und Russland belassen; alles andere wird längst von der globalisierten Wirtschaft bestimmt.
Das große Problem oder die Systemabsurdität ist, dass das Prekariat, das eigentlich die "revolutionäre Klasse“ sein müsste mit dem Vorsatz, die reichen Bonzen zu stürzen, genau diesen "reichen Bonzen“ nachläuft und einem typischen Vertreter dieser Klasse wie Sarrazin, der für diese Leute nur Verachtung hat, wie einem König huldigt. Dabei sind diese Könige des Neoiliberalismus eben gerade nicht national, da sie dem Globalismus huldigen, sondern international(istisch). Auch wenn einer wie Sarrazin ein Nationalist ist, was seine Kreise ihm nicht gönnen, wofür er aber die Stimme der kleinen Nationalisten (=besorgten Bürger) ganz unten hat. Der Konsens zwischen einem wie Sarrazin und denen da unten ist eben die rassistisch begründete Ausländerfeindlichkeit, speziell der Antislamismus.
Diese Systemabsurität zeigt sich aber auch entlang der sozialen Schichten, wenn es darum geht, den Umbau des Sozialstaats so zu organisieren, dass dem ständigen Verteilen des Reichtums von unten nach oben Einhalt geboten und ein Umkerhrprozess eingeleitet werden muss, damit endlich auch mal unten was ankommt, um auch die unteren Schichten am gesellschaftlichen Wohlstand partizipieren zu lassen. Schon mit der "Ankündigung“ dieser Notwendigkeit, die viele als "Drohung“ interpretieren, zeigt sich, dass alle, die davon profitieren würden, das Gegenteil anstreben – die Schlafschafe lieben scheinbar ihren eigenen Schlächter:
Bekanntlich besitzen 10% der Deutschen 2/3 des Gesamtvermögens in Deutschland; von diesen wiederum besitzt das oberste Prozent 35%, also mehr als 1/3 des Gesamtvermögens, während 90% der Bevölkerung ebenfalls nur 1/3 besitzen.
https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-07/vermoegensverteilung-deutschland-diw-studie-ungleichheit
Man sollte bedenken, dass dies nur geschätzte Werte sind, denn solange es keine Vermögenssteuern gibt, kann das Finanzamt die Angaben der Steuerveranlagten ohne Prüfung nur akzeptieren; ich glaube auch kaum, dass jemals bereits eine Steuerprüfung bei einem des obersten Prozents der Superreichen gemacht wurde. Da erscheint der Staat eher als Bittsteller denn als Leviathan; wir kennen das ja auch aus der Geschichte (Stichwort Hanse, Fuggerer, Venetianer, und im westlichen Ausland die einstigen wahren Könige des Kolonialismus, sprich diverse East India Companies), also Privatleute und Privatunternehmen, die den Staat finanzierten und entsprechende Privilegien hatten, besonders in der Legislative, also diejenigen Gesetze einbrachten, die ihren Reichtum und ihre gesellschaftlich Macht gesetzlich auf Dauer stellten und diesen mit exekutiver Gewalt gewährleisteten. Und wenn man bedenkt, dass es nicht erst seit gestern Steuerschlupflöcher, Steueroasen und diverse Künste der Geldwäche gibt, ist anzunehmen, dass die Dunkelziffer des tatsächlichen Vermögens der Superreichen mindestens noch mal so hoch sein dürfte wie das geschätzte "offene“ Vermögen und damit der Vermögensanteil des reichsten Prozents der Bevölkerung nicht 1/3 des Gesamtvermögens ist, sondern wohl eher 2/3. Das Schöne für sie ist, dass sich nichts belegen und nachweisen lässt; Betriebsunfälle wie "cum-ex“ und die "Paradise Papers“ lassen die Größe dieses Dunkelfelds aber erahnen.
Nun, wie und wann soll der Sozialstaat umgebaut werden? Es gibt ja schon diverse Threads hierzu, am bekanntesten der BGE-Thread. Aber es geht mir nicht um BGE, da ich ein BGE-Gegner bin, hauptsächlich aus den dort genannten Gründen, insbesondere da schlicht unfinanzierbar, und einen Sozialismus/Kommunismus der bekannten Art strebe ich auch nicht an, auch wenn mir eine wesentlich gerechtere Vermögens- und Einkommensverteilung am Herzen liegt. Aufgrund historischer Fakten bin ich da mehr für kontrollierte Reformen, die aber im Fortschritt nie anhalten dürfen, statt für einen "revolutionären Systemumsturz“.
Wie könnte also ein nachhaltiger Umbau des Sozialsystems aussehen, der die unteren Schichten wohlhabender macht und die obersten 10% "ärmer“? Da im Globalismus die meisten Veränderungen, die mit Geld/Kapital/Finanzen zu tun haben, nur global möglich sind – dies betrifft insbesondere das Steuersystem –, kann man auf nationaler Ebene nur kleine Schritte gehen, die zunächst in EU-Regelungen münden und dann vielleicht später einmal auch in Weltegelungen; es müsste quasi so etwas wie eine Finanz-Uno entstehen, in der sich die Staaten auf Mindestnormen für sozialen Ausgleich in ihren Ländern einsetzen. Ein Vorhaben, das nicht in Jahren zählt, sondern in Jahrzehntén, wenn nicht Jahrhunderten.
Was insbesondere notwendig ist, ist eine Reform des Rentensystems, denn wenn immer weniger Leistungsträger bzw. aktiv Arbeitende immer mehr Rentner finanzieren müssen, bricht das alte Rentensystem irgendwann zusammen – aber auch das ist schon seit Jahrzehnten bekannt (ich erinnere mich noch an Blüms Endlossermon "die Rennden sinn sischa…“).
Solange der Umbeau der Sozialsysteme nur national möglich ist, bestenfalls auf EU-Ebene, müssen wir eben mehr oder weniger im Alleingang versuchen das Rentensystem umzubauen und in den Umbau der Sozialsysteme zu integrieren. Ich denke hier an eine Rentensteuer. Das hat den Vorteil, dass der Arbeitgeber zunächst aus der Abgabemühle für seine Arbeinehmer entlassen ist und entsprechend höhere Löhne zahlen kann. Auf der anderen Seite erfolgt für ihn bei der Besteuerung die Höhe der Rentensteuer anhand seines Einkommens und Vermögens.
Womit wir bei der Vermögenssteuer gelandet wären, um die ein gerechtes Sozialsystem nicht herum kommt, um sich zu finanzieren. Der Staat muss hier, auch wenn sich jeder, umso mehr, je reicher er ist, mit Händen und Füßen dagegen wehren wird, ein genaues Vermögensprofil von jedem Staatsbürger bekommen, d.h. einmal muss jeder Bürger auf seine genauen Vermögensverhältnisse analysiert werden und dabei quasi "die Hosen runter lassen“. Das heißt es kommt ein Finanzbeamter zu Besuch und überprüft die Vermögensverhältnisse. Jeder muss seine Konten offenlegen, seine Geschäftsbeteiligungen, seine Immobilien etc. Hierauf erfolgt eine Vermögensveranschlagung.
Noch mal zurück zu den Renten, denn es wird die Rentenversicherung in der Form, wie wir sie jetzt noch kennen, am Ende nicht mehr geben. Die Rentensteuer wird auf ein Rentenkonto des Betreffenden eingezahlt, auf das er insoweit Zugriff hat, dass er die Anlageform dieses Geldes bis zu einem bestimmten "Unfreibetrag“ selbst gestalten kann, von dem er sich aber kein Geld abheben kann. Wenn er z.B. glaubt mit Aktien gut zu fahren, kann er bis auf den Unfreibetrag (der z.B. bei 25% der jeweiligen Renteneinlage liegen könnte) mit Aktien handeln, kaufen, verkaufen… nur das Geld kann er sich vor Eintritt des Rentenalters nicht auszahlen lassen, sondern die Gewinne (und Verluste) gehen zurück auf das Rentenkonto. Wer also geschickt ist, kann den Betrag auf seinem Rentenkonto zusätzlich markant erhöhen.
Alle Steuern sind personenbezogen, d.h. die Höhe der jeweiligen Abgaben richtet sich nach den jeweiligen finanziellen Verhältnissen des Steuerzahlers.
Zu den einzelnen Steuern kurz:
Einkommensteuer:
Freibetrag 30.000 € pro Jahr, d.h. wer weniger als 2500 monatlich verdient, zahlt keine Einkommensteuer.
30 – 40K: 10%
40 – 50K: 12%
50 – 60K: 14%
60 – 70K: 16%
70 – 80K: 18%
80 – 100K: 20%
100 – 125K: 25%
125 – 150K: 30%
150 – 200K: 35%
200 – 250K: 40%
250 – 500K: 45%
500 – 750K: 50%
ab 1 Mio: 55%
ab 2,5 Mio: 60%
Vermögenssteuer:
selbst genutzter Wohnraum + 1 Mio. € – steuerfrei
1 – 2,5 Mio – 1%
2,5 – 5 Mio – 2%
5 – 10 Mio – 3%
11 – 20 Mio – 4%
21- 50 Mio – 5%
51 – 75 Mio – 6%
76 – 100 Mio – 7%
100 – 250 Mio – 8%
251 – 500 Mio – 9%
ab 500 Mio – 10%
Da die meisten Multimillionäre den größten Teil ihres Vermögens in Firmenbeteiligungen, Aktien, Grundstücken und Immobilien angelegt haben und der Aktienwert bekanntlich (langfristig) pro Jahr um rund 8% steigt, dürften kleinere Verluste bei der absoluten Vermögenshöhe so erst bei Superreichen oberhalb 250 Millionen Euro Vermögen einsetzen. Alle anderen können den Bestand mindestens sichern, aber wohl eher trotz Vermögenssteuer das Vermögen noch erweitern, ist also kein echter Griff ins Eingemachte.
Erbschaftssteuer:
selbst genutzter Wohnraum + 500.000 € – steuerfrei
500.000 – 1 Mio – 5%
1 – 2,5 Mio – 7%
2,5 – 5 Mio – 10%
5 – 10 Mio – 15%
11 – 20 Mio – 20%
21- 50 Mio – 25%
51 – 75 Mio – 30%
76 – 100 Mio – 35%
100 – 250 Mio – 40%
251 – 500 Mio – 45%
ab 500 Mio – halbe/halbe
Rentensteuer:
ab 24.000 € Einkommen/Jahr: 1%
ab 25.000 € Einkommen/Jahr: 2%
ab 26.000 € Einkommen/Jahr: 3%
ab 27.000 € Einkommen/Jahr: 4%
ab 28.000 € Einkommen/Jahr: 5%
ab 29.000 € Einkommen/Jahr: 6%
ab 30.000 € Einkommen/Jahr: 7%
ab 35.000 € Einkommen/Jahr: 8%
ab 40.000 € Einkommen/Jahr: 9%
ab 50.000 € Einkommen/Jahr: 10%
Mehrwertsteuer:
5% für Grundnahrungsmittel, Strom, Gas und andere Energien, ÖPNV, Miete, Makler, Anwälte, Ärzte, Gerichte, Bücher, Lehrmittel für Schule und Hochschule
10% für fast alles andere
20% für leichte Alkoholika (Bier, Wein) und Luxuswaren (z.B. Auto ab 100.000, Yacht ab 250.000 etc)
50% für Spirituosen und Tabak und Cannabis (sobald legalisiert) :D
Alle anderen Steuern bleiben gleich, Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung (s.o.) entfällt, ebenso die Hundesteuer.
Mindestlohn:
20 € / Stunde (nach derzeitigem Stand, wird jährlich an die Inflationsrate angepasst)
Für die Arbeitslosen:
ein Jahr lang 80% des letzten Gehalts
Langzeitarbeitslose, "Sozialfälle“, "Sozialschmarotzer“ und "Sozialrentner“:
2.000 € pro Monat all inclusive
Zudem sollte sich der Staat / die Kommunen verpflichten, in den ersten 20 Jahren nach Inkrafttreten dieser Regelung 2 Millionen Sozialwohnungen zu bauen, teils an der Peripherie der Großstädte (Hochhäuser), bei kleineren Städten möglichst zentral, so weit das geht. Hier können Leute mit 24.000 € (Bürgergeld) bis 30.000 € Jahreseinkommen (bei Singles) bzw. entsprechend mehr bei Ehepaaren und Familien aufgrund ihres rechtlichen Anspruchs auf eine Sozialwohnung einziehen. Die Kaltmiete bei Sozialwohnungen sollte nicht mehr als 10 € / m² (Nord- und Ostdeutschland) bzw. 13 € (Süddeutschland) und 16 € in den Metropolen (Berlin, Hamburg, München, Köln, Stuttgart) betragen.
"Hartz 4“ gibt es nicht mehr; die Grundsicherung von 2.000 € pro Monat heißt Bürgergeld, auf das jeder Erwachsene ohne Job, sonstiges Einkommen und Vermögen ein Recht hat. Aktive Stellensuche ist keine Pflicht mehr. In dieser Beziehung kommt die Neuordnung den Vorstellungen der BGE-Aficionados entgegen.
Da man niemandem etwas wegnehmen kann, das er sich bereits in der Vergangenheit rechtmäßig erworben und auf das er Eigentumstitel hat, braucht der Umbau des Rentensystems 40–50 Jahre (je nach Ausbildung bzw. Berufsanfang); d.h. bestehende Rentenansprüche dürfen nicht einkassiert werden, auch nicht beim Umbau des Rentensystems wie oben skizziert. D.h. jeder der jetzt bereits Rentenansprüche für später hat, wird noch nach der alten Form “besoldet“, so wie sie jetzt existiert. Nur wer ab dem Beginn des Umbaus der Sozialsysteme noch nicht im Job ist, erhält die spätere Rente nach dem neuen Modus. Daher kann das neue Rentensystem, selbst wenn heute bereits der Systemumbau beginnt, erst 2070 für alle voll in Kraft treten. Daher auch die Überschrift “bis 2070“. Die Grundrente für alle, die im Berufsleben Pech hatten und außer den spärlichen Rentensteuern nichts bezahlt hatten, beträgt 2200 € / Monat (2.000 Grundsicherung + 200 € für zusätzliche Kosten zur Gesundheitserhaltung, die die Kassen nicht zahlen).
Eine Bilanz und die Gretchenfrage nach der genauen Finanzierung kann man erst endgültig erstellen und beantworten, wenn man das tatsächliche Vermögen der Superreichen halbwegs sicher kennt – zumindest jenen Teil des Vermögens, der nicht auf irgendwelchen Nummernkonten und in Steuerparadiesen bereits jetzt schlummert und sich vermehrt…
Seit 40 Jahren haben wir (wirtschaftliche) Globalisierung (inzwischen spricht man längst von Globalismus) und damit Neoliberalismus (begonnen mit "Thatcherism“ und "Reaganomics“).
Mit der Globalisierung erreichte der Kapitalismus seine (vorerst?) letzte Stufe: Mit ihm verlagerte sich das Primat der Gesellschaft und ihrer Macht von der Politik, mithin vom Staat, auf die Wirtschaft, die von nun an der Politik die Vorgaben machte, wie sie zu verfahren habe, und da dies global geschah, kann man nicht mehr von dem Versuch sprechen, eine Weltregierung irgendwann zu bilden, sondern der wirtschaftliche Globalismus nahm bereits das vorweg, was die Politik niemals schaffen würde: die Weltherrschaft. Sämtliche alternativen Versuche, eine andere Ökonomie zu etablieren als Gegengewicht zum globalen Kapitalismus, dessen verheerende Wirkungen sich erst in der Zukunft voll entfalten würden, hatten nun keine Chance mehr. Die Werkzeuge und Mittel des globalen Kapitalismus, ohne den auch die "kommunistische“ VR China nicht mehr auskommt, sind bekannt: Deregulierung, Privatisierung, internationales Steuerballett, Shareholder Value, Akkumulation des Kapitals, Übernahme innovativer Startups durch Megakonzerne, Reduzierung der Bildung auf Ausbildung, Bemessung des Menschenwerts nach Haben und Leistung, etc. Die Finanzwirtschaft hat der Politik nur noch die Rolle des so genannten Sozialstaats, der Steuerhoheit, der Sicherung des inneren Friedens und der militärischen Außenpolitik in den Randbereichen des Einflussgebiets der westlichen Welt (speziell gegenüber Staaten der "islamischen“ Sphäre), der Eingrenzung der Zuwanderung und des Säbelrasselns gegenüber China und Russland belassen; alles andere wird längst von der globalisierten Wirtschaft bestimmt.
Das große Problem oder die Systemabsurdität ist, dass das Prekariat, das eigentlich die "revolutionäre Klasse“ sein müsste mit dem Vorsatz, die reichen Bonzen zu stürzen, genau diesen "reichen Bonzen“ nachläuft und einem typischen Vertreter dieser Klasse wie Sarrazin, der für diese Leute nur Verachtung hat, wie einem König huldigt. Dabei sind diese Könige des Neoiliberalismus eben gerade nicht national, da sie dem Globalismus huldigen, sondern international(istisch). Auch wenn einer wie Sarrazin ein Nationalist ist, was seine Kreise ihm nicht gönnen, wofür er aber die Stimme der kleinen Nationalisten (=besorgten Bürger) ganz unten hat. Der Konsens zwischen einem wie Sarrazin und denen da unten ist eben die rassistisch begründete Ausländerfeindlichkeit, speziell der Antislamismus.
Diese Systemabsurität zeigt sich aber auch entlang der sozialen Schichten, wenn es darum geht, den Umbau des Sozialstaats so zu organisieren, dass dem ständigen Verteilen des Reichtums von unten nach oben Einhalt geboten und ein Umkerhrprozess eingeleitet werden muss, damit endlich auch mal unten was ankommt, um auch die unteren Schichten am gesellschaftlichen Wohlstand partizipieren zu lassen. Schon mit der "Ankündigung“ dieser Notwendigkeit, die viele als "Drohung“ interpretieren, zeigt sich, dass alle, die davon profitieren würden, das Gegenteil anstreben – die Schlafschafe lieben scheinbar ihren eigenen Schlächter:
Bekanntlich besitzen 10% der Deutschen 2/3 des Gesamtvermögens in Deutschland; von diesen wiederum besitzt das oberste Prozent 35%, also mehr als 1/3 des Gesamtvermögens, während 90% der Bevölkerung ebenfalls nur 1/3 besitzen.
https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-07/vermoegensverteilung-deutschland-diw-studie-ungleichheit
Man sollte bedenken, dass dies nur geschätzte Werte sind, denn solange es keine Vermögenssteuern gibt, kann das Finanzamt die Angaben der Steuerveranlagten ohne Prüfung nur akzeptieren; ich glaube auch kaum, dass jemals bereits eine Steuerprüfung bei einem des obersten Prozents der Superreichen gemacht wurde. Da erscheint der Staat eher als Bittsteller denn als Leviathan; wir kennen das ja auch aus der Geschichte (Stichwort Hanse, Fuggerer, Venetianer, und im westlichen Ausland die einstigen wahren Könige des Kolonialismus, sprich diverse East India Companies), also Privatleute und Privatunternehmen, die den Staat finanzierten und entsprechende Privilegien hatten, besonders in der Legislative, also diejenigen Gesetze einbrachten, die ihren Reichtum und ihre gesellschaftlich Macht gesetzlich auf Dauer stellten und diesen mit exekutiver Gewalt gewährleisteten. Und wenn man bedenkt, dass es nicht erst seit gestern Steuerschlupflöcher, Steueroasen und diverse Künste der Geldwäche gibt, ist anzunehmen, dass die Dunkelziffer des tatsächlichen Vermögens der Superreichen mindestens noch mal so hoch sein dürfte wie das geschätzte "offene“ Vermögen und damit der Vermögensanteil des reichsten Prozents der Bevölkerung nicht 1/3 des Gesamtvermögens ist, sondern wohl eher 2/3. Das Schöne für sie ist, dass sich nichts belegen und nachweisen lässt; Betriebsunfälle wie "cum-ex“ und die "Paradise Papers“ lassen die Größe dieses Dunkelfelds aber erahnen.
Nun, wie und wann soll der Sozialstaat umgebaut werden? Es gibt ja schon diverse Threads hierzu, am bekanntesten der BGE-Thread. Aber es geht mir nicht um BGE, da ich ein BGE-Gegner bin, hauptsächlich aus den dort genannten Gründen, insbesondere da schlicht unfinanzierbar, und einen Sozialismus/Kommunismus der bekannten Art strebe ich auch nicht an, auch wenn mir eine wesentlich gerechtere Vermögens- und Einkommensverteilung am Herzen liegt. Aufgrund historischer Fakten bin ich da mehr für kontrollierte Reformen, die aber im Fortschritt nie anhalten dürfen, statt für einen "revolutionären Systemumsturz“.
Wie könnte also ein nachhaltiger Umbau des Sozialsystems aussehen, der die unteren Schichten wohlhabender macht und die obersten 10% "ärmer“? Da im Globalismus die meisten Veränderungen, die mit Geld/Kapital/Finanzen zu tun haben, nur global möglich sind – dies betrifft insbesondere das Steuersystem –, kann man auf nationaler Ebene nur kleine Schritte gehen, die zunächst in EU-Regelungen münden und dann vielleicht später einmal auch in Weltegelungen; es müsste quasi so etwas wie eine Finanz-Uno entstehen, in der sich die Staaten auf Mindestnormen für sozialen Ausgleich in ihren Ländern einsetzen. Ein Vorhaben, das nicht in Jahren zählt, sondern in Jahrzehntén, wenn nicht Jahrhunderten.
Was insbesondere notwendig ist, ist eine Reform des Rentensystems, denn wenn immer weniger Leistungsträger bzw. aktiv Arbeitende immer mehr Rentner finanzieren müssen, bricht das alte Rentensystem irgendwann zusammen – aber auch das ist schon seit Jahrzehnten bekannt (ich erinnere mich noch an Blüms Endlossermon "die Rennden sinn sischa…“).
Solange der Umbeau der Sozialsysteme nur national möglich ist, bestenfalls auf EU-Ebene, müssen wir eben mehr oder weniger im Alleingang versuchen das Rentensystem umzubauen und in den Umbau der Sozialsysteme zu integrieren. Ich denke hier an eine Rentensteuer. Das hat den Vorteil, dass der Arbeitgeber zunächst aus der Abgabemühle für seine Arbeinehmer entlassen ist und entsprechend höhere Löhne zahlen kann. Auf der anderen Seite erfolgt für ihn bei der Besteuerung die Höhe der Rentensteuer anhand seines Einkommens und Vermögens.
Womit wir bei der Vermögenssteuer gelandet wären, um die ein gerechtes Sozialsystem nicht herum kommt, um sich zu finanzieren. Der Staat muss hier, auch wenn sich jeder, umso mehr, je reicher er ist, mit Händen und Füßen dagegen wehren wird, ein genaues Vermögensprofil von jedem Staatsbürger bekommen, d.h. einmal muss jeder Bürger auf seine genauen Vermögensverhältnisse analysiert werden und dabei quasi "die Hosen runter lassen“. Das heißt es kommt ein Finanzbeamter zu Besuch und überprüft die Vermögensverhältnisse. Jeder muss seine Konten offenlegen, seine Geschäftsbeteiligungen, seine Immobilien etc. Hierauf erfolgt eine Vermögensveranschlagung.
Noch mal zurück zu den Renten, denn es wird die Rentenversicherung in der Form, wie wir sie jetzt noch kennen, am Ende nicht mehr geben. Die Rentensteuer wird auf ein Rentenkonto des Betreffenden eingezahlt, auf das er insoweit Zugriff hat, dass er die Anlageform dieses Geldes bis zu einem bestimmten "Unfreibetrag“ selbst gestalten kann, von dem er sich aber kein Geld abheben kann. Wenn er z.B. glaubt mit Aktien gut zu fahren, kann er bis auf den Unfreibetrag (der z.B. bei 25% der jeweiligen Renteneinlage liegen könnte) mit Aktien handeln, kaufen, verkaufen… nur das Geld kann er sich vor Eintritt des Rentenalters nicht auszahlen lassen, sondern die Gewinne (und Verluste) gehen zurück auf das Rentenkonto. Wer also geschickt ist, kann den Betrag auf seinem Rentenkonto zusätzlich markant erhöhen.
Alle Steuern sind personenbezogen, d.h. die Höhe der jeweiligen Abgaben richtet sich nach den jeweiligen finanziellen Verhältnissen des Steuerzahlers.
Zu den einzelnen Steuern kurz:
Einkommensteuer:
Freibetrag 30.000 € pro Jahr, d.h. wer weniger als 2500 monatlich verdient, zahlt keine Einkommensteuer.
30 – 40K: 10%
40 – 50K: 12%
50 – 60K: 14%
60 – 70K: 16%
70 – 80K: 18%
80 – 100K: 20%
100 – 125K: 25%
125 – 150K: 30%
150 – 200K: 35%
200 – 250K: 40%
250 – 500K: 45%
500 – 750K: 50%
ab 1 Mio: 55%
ab 2,5 Mio: 60%
Vermögenssteuer:
selbst genutzter Wohnraum + 1 Mio. € – steuerfrei
1 – 2,5 Mio – 1%
2,5 – 5 Mio – 2%
5 – 10 Mio – 3%
11 – 20 Mio – 4%
21- 50 Mio – 5%
51 – 75 Mio – 6%
76 – 100 Mio – 7%
100 – 250 Mio – 8%
251 – 500 Mio – 9%
ab 500 Mio – 10%
Da die meisten Multimillionäre den größten Teil ihres Vermögens in Firmenbeteiligungen, Aktien, Grundstücken und Immobilien angelegt haben und der Aktienwert bekanntlich (langfristig) pro Jahr um rund 8% steigt, dürften kleinere Verluste bei der absoluten Vermögenshöhe so erst bei Superreichen oberhalb 250 Millionen Euro Vermögen einsetzen. Alle anderen können den Bestand mindestens sichern, aber wohl eher trotz Vermögenssteuer das Vermögen noch erweitern, ist also kein echter Griff ins Eingemachte.
Erbschaftssteuer:
selbst genutzter Wohnraum + 500.000 € – steuerfrei
500.000 – 1 Mio – 5%
1 – 2,5 Mio – 7%
2,5 – 5 Mio – 10%
5 – 10 Mio – 15%
11 – 20 Mio – 20%
21- 50 Mio – 25%
51 – 75 Mio – 30%
76 – 100 Mio – 35%
100 – 250 Mio – 40%
251 – 500 Mio – 45%
ab 500 Mio – halbe/halbe
Rentensteuer:
ab 24.000 € Einkommen/Jahr: 1%
ab 25.000 € Einkommen/Jahr: 2%
ab 26.000 € Einkommen/Jahr: 3%
ab 27.000 € Einkommen/Jahr: 4%
ab 28.000 € Einkommen/Jahr: 5%
ab 29.000 € Einkommen/Jahr: 6%
ab 30.000 € Einkommen/Jahr: 7%
ab 35.000 € Einkommen/Jahr: 8%
ab 40.000 € Einkommen/Jahr: 9%
ab 50.000 € Einkommen/Jahr: 10%
Mehrwertsteuer:
5% für Grundnahrungsmittel, Strom, Gas und andere Energien, ÖPNV, Miete, Makler, Anwälte, Ärzte, Gerichte, Bücher, Lehrmittel für Schule und Hochschule
10% für fast alles andere
20% für leichte Alkoholika (Bier, Wein) und Luxuswaren (z.B. Auto ab 100.000, Yacht ab 250.000 etc)
50% für Spirituosen und Tabak und Cannabis (sobald legalisiert) :D
Alle anderen Steuern bleiben gleich, Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung (s.o.) entfällt, ebenso die Hundesteuer.
Mindestlohn:
20 € / Stunde (nach derzeitigem Stand, wird jährlich an die Inflationsrate angepasst)
Für die Arbeitslosen:
ein Jahr lang 80% des letzten Gehalts
Langzeitarbeitslose, "Sozialfälle“, "Sozialschmarotzer“ und "Sozialrentner“:
2.000 € pro Monat all inclusive
Zudem sollte sich der Staat / die Kommunen verpflichten, in den ersten 20 Jahren nach Inkrafttreten dieser Regelung 2 Millionen Sozialwohnungen zu bauen, teils an der Peripherie der Großstädte (Hochhäuser), bei kleineren Städten möglichst zentral, so weit das geht. Hier können Leute mit 24.000 € (Bürgergeld) bis 30.000 € Jahreseinkommen (bei Singles) bzw. entsprechend mehr bei Ehepaaren und Familien aufgrund ihres rechtlichen Anspruchs auf eine Sozialwohnung einziehen. Die Kaltmiete bei Sozialwohnungen sollte nicht mehr als 10 € / m² (Nord- und Ostdeutschland) bzw. 13 € (Süddeutschland) und 16 € in den Metropolen (Berlin, Hamburg, München, Köln, Stuttgart) betragen.
"Hartz 4“ gibt es nicht mehr; die Grundsicherung von 2.000 € pro Monat heißt Bürgergeld, auf das jeder Erwachsene ohne Job, sonstiges Einkommen und Vermögen ein Recht hat. Aktive Stellensuche ist keine Pflicht mehr. In dieser Beziehung kommt die Neuordnung den Vorstellungen der BGE-Aficionados entgegen.
Da man niemandem etwas wegnehmen kann, das er sich bereits in der Vergangenheit rechtmäßig erworben und auf das er Eigentumstitel hat, braucht der Umbau des Rentensystems 40–50 Jahre (je nach Ausbildung bzw. Berufsanfang); d.h. bestehende Rentenansprüche dürfen nicht einkassiert werden, auch nicht beim Umbau des Rentensystems wie oben skizziert. D.h. jeder der jetzt bereits Rentenansprüche für später hat, wird noch nach der alten Form “besoldet“, so wie sie jetzt existiert. Nur wer ab dem Beginn des Umbaus der Sozialsysteme noch nicht im Job ist, erhält die spätere Rente nach dem neuen Modus. Daher kann das neue Rentensystem, selbst wenn heute bereits der Systemumbau beginnt, erst 2070 für alle voll in Kraft treten. Daher auch die Überschrift “bis 2070“. Die Grundrente für alle, die im Berufsleben Pech hatten und außer den spärlichen Rentensteuern nichts bezahlt hatten, beträgt 2200 € / Monat (2.000 Grundsicherung + 200 € für zusätzliche Kosten zur Gesundheitserhaltung, die die Kassen nicht zahlen).
Eine Bilanz und die Gretchenfrage nach der genauen Finanzierung kann man erst endgültig erstellen und beantworten, wenn man das tatsächliche Vermögen der Superreichen halbwegs sicher kennt – zumindest jenen Teil des Vermögens, der nicht auf irgendwelchen Nummernkonten und in Steuerparadiesen bereits jetzt schlummert und sich vermehrt…