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Franz Grillparzer - Der Gastfreund
04.01.2020 um 19:51Das erste, kurze einaktige Trauerspiel der Tragödientrilogie Das goldene Vlies aus 1819 verwendet die Sage des böotischen Königssohns Phryxus, ändert sie jedoch wesentlich ab, um dessen Tod durch schuldhaftes Verhalten zweier Seiten tragisch motivieren zu können.
Phryxus wird von seinem Vater auf Betreiben seiner Stiefmutter aus dem böotischen Königshaus vertrieben (soweit entspricht der Text der Sage) und gelangt, von Häschern verfolgt, nach Delphi, wo er im Wachtraum einem ihm unbekannten bärtigen Gott (Peronto) begegnet, von dem er ein goldenes Vlies erhält und auf dessen Sockel er das Wort Kolchis liest. Ihm wird "Sieg und Rache" prophezeit, ohne jedoch einen Hinweis zu erhalten, wem der Sieg und wem die Rache gilt.
Mit seinen Getreuen gelangt er reich mit Schätzen beladen auf einem Schiff an die Küste von Kolchis (im heutigen Georgien), wo Peronto, der Donnerer, als Hauptgott verehrt wird. Er trifft auf Medea, die zu Beginn des Stückes ein Reh als Opfergabe an der Statue von Peronto erlegt, und ihren Vater Aietes, dem König von Kolchis und seinem Ansinnen, sich hier anzusiedeln, weicht Aietes aus, indem er Phryxus mehrfach zusichert, nach seinem Gutdünken handeln zu können. Doch aus Gier nach den Schätzen plant Aietes bereits den Raubmord an Phryxus und seinen Gefährten.
Aietes begründet Medea gegenüber den geplanten Mord als Todesurteil wegen Gottesfrevel (Raub des Vlieses), außerdem breche er kein Gastrecht an einem Gastfreund, da er ihn nie eingeladen habe. Phryxus überreicht, als alle seine Gefährten bereits niedergemetzelt sind, Aietes noch das Vlies, verflucht ihn und wird erstochen. Medea entfernt sich vom Schauplatz und ihrem Vater.
Grillparzer stellt eine skrupellose, nach Macht und Reichtum gierige Elterngeneration auf die Bühne, deren Kindern einzig der Austritt aus der Familie (erzwungen wie freiwillig) bleibt. Für Phryxus endet dies tödlich, der Weg Medeas ist noch nicht abgeschlossen, ihr Abgang ist ein "Cliffhanger".
Text online:
http://www.zeno.org/Literatur/M/Grillparzer,+Franz/Dramen/Das+goldene+Vlies/Der+Gastfreund/%5BStücktext%5D
Der Unterschied zur antiken Phryxus-Sage kann hier nachkonstruiert werden:
Wikipedia: Phrixos
Ideenquelle von Grillparzer ist wahrscheinlich die Argonautika von Apollonios von Rhodos, ein Epos, das ca. 265 v. Chr. verfasst wurde.
Wikipedia: Apollonios von Rhodos