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Das Vermächtnis: Aphila & Methos Kapitel 2 (Hörbuch)
16.03.2016 um 18:32Das Vermächtnis - Aphila & Methos Kapitel 2
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Annabella kniete auf dem Sofa, ihre Arme lagen verschränkt auf dem Fenstersims, sie lag mit dem Kopf auf ihnen. Sie beobachtete, wie die ersten Schneeflocken träge vom Himmel herab, zu ihr auf Erden sanken. Annabella war eine junge Erwachsene. Ihr braunes Haar ging über die Hälfte ihres Rückens. Diese smaragdgrünen Augen hatten schon so manches Herz ungewollt gebrochen. Der selbstgestrickte Wollpullover ihrer Stiefmutter wärmte sie und der Ofen tat sein Übriges. Das Verhältnis zu ihrer Stiefmutter war gut. Jennifer war immer eine gute Freundin gewesen, sie hatte nie versucht den Platz der Mutter einzunehmen – und dafür dankte Annabella ihr.
Ihre leibliche Mutter war bei der Geburt gestorben, so erzählte es ihr Vater. Da er sich mit der Situation überfordert sah, ihren Bruder UND ein Neugeborenes als Frühwitwer alleine großzuziehen, war es sein großes Glück im Unglück Jennifer kennen- und lieben zu lernen. Sie arrangierte sich mit der Situation und alsbald war ihre aufgerüttete Familienstruktur wieder geflickt.
Anders hielt es ihr Bruder Philipp. Wann immer er konnte, war er der Rebell des Hauses. Es war eine Hassliebe mit ihm. Annabella hatte sich damit abgefunden, dass er sie als nicht gewollte Schwester gerne schikanierte, denn sie wusste – kam es darauf an, stand er ihr plötzlich zur Seite. "Du bist mein Opfer, nur meines", scherzte er dann. Ihr sollte es recht sein, so war er der Einzige, der ihr je Böses wollte. Der Nachteil war, dass er ihr Leben auch sehr gerne sabotierte – und sei es nur, dass durch seine Präsenz auch jeder Versuch einer Beziehung oder wenigstens einer Freundschaft mit Anderen der Nährboden entzogen wurde. Sie war also sozial nach außen hin abgeschnitten, einsam. Darum war sie über Jennifer, ihrer familiären Freundin sehr froh. Sie brauchte keinen Mutterersatz. Ohne Mutter aufgewachsen und wegen Philipp immer eher außenstehend geblieben, wusste sie ohnehin nicht, wie sich eine Mutter anfühlte. Was sie wusste war, dass ihr Bruder erst so ekelhaft wurde, nachdem ihre gemeinsame Mutter verstorben war. Wenn der Verlust dieser Person ihn so veränderte, schätzte Annabella sich glücklich, dem entronnen zu sein.
Philipp war aber auch sonst ein Sonderling. Äußerlich wirkte er normal- Brillenträger, krause, orangene Haare und einige Sommersprossen. Sein Interesse für Okkultes aller Art und seine Vorliebe für Bücher, die Rituale und alte Bräuche enthielten, brachte ihm von seiner Schwester immer wieder ratloses Kopfschütteln ein. Trotzdem ließ sie sich ab und zu von ihm breitschlagen die Riten mitzumachen, die er nur mit einem Partner durchführen konnte. Zum Einen tat sie das, um sich daran zu belustigen und zum Anderen konnte sie ihn super damit aufziehen, wenn mal wieder gar nichts passierte.
Auch an diesem Abend, dem Heiligabend hatte er sie wieder verpflichtet. Unter dem Weihnachtsbaum lag ein neues Buch für ihn. Eine Goetica mit Kopien von sehr alten Dokumenten, die einst namhaften Schwarzmagiern gehörten. Annabella war wie immer skeptisch, alleine schon, weil das Buch qualitativ auch von einem Flohmarkt hätte stammen können. Nach kurzem Durchstöbern fand Philipp jene Beschwörung, die er für den Heiligabend vorgesehen hatte. Sobald ihre Eltern schlafen gingen, war die Zeit reif.
Kurz vor Mitternacht schlichen sich zwei Schatten hinab aus ihren Zimmern hinunter zum Wohnzimmer. Die letzte Glut im Ofen gebar noch wenige Funken. Philipp bereitete die nötigen Utensilien vor. Annabella beobachtete sein Treiben: "Was wird es diesmal? Willst du Jesus auf die Erde zurück holen oder sowas?" Kühlen Blickes sprach er: "Sei nicht albern. Das hier wird eine Dämonenbeschwörung. Dafür braucht es das Siegel des Geschöpfes und ein Schutzsymbol, so wie es im Buch steht." Heiter fragte sie weiter: "Aha, ein Dämon also. Wofür brauchst du dabei mich? Willst du ihn mit meiner Schönheit bestechen?" Scherzend preiste sie mit einer Handbewegung ihr Gesicht an. Philipp pfiff verächtlich: "Vielleicht habe ich ja Glück und er nimmt dich mit. Nein, du musst das Siegel und den Schutz zeichnen. Sowas ist Frauenkram und du bist eine." Sie sah ihn gespielt schockiert an: "Ach, was du nicht sagst? Ich dachte immer DU seist die Zicke von uns beiden. Kannst auch gerne zugeben, dass du in Kunst und Malerei einfach mir hinterherhinkst und kaum eine gerade Linie hinbekommst." Er ignorierte sie, zündete stattdessen Weihrauchstäbchen an. Sie schnaubte: "Muss das sein? Ich muss immer so husten von den Dingern." Stumm hielt er ihr ein Kreidestück entgegen und zeigte auf ein großes Stück Pergamentrolle, welches er beschafft hatte. Mürrisch nahm sie die Kreide entgegen und sah sich die Abbildungen im Buch dazu an. Wie so oft erwies sich ihr Bruder als Stümper, die Zeichnungen waren für sie total einfach. Es dauerte wenige Minuten, da war sie mit beiden Zeichnungen fertig. Annabella verspürte beim Zeichnen des Schutzsymboles allerdings ein seltsames Gefühl. Sie kannte sich nicht aus, aber irgendetwas kam ihr falsch vor. Schon früher waren solche Symbole für ihres Bruders Quatsch nötig gewesen, aber das hier war anders.
Wortlos stellte Philipp Kerzen auf die Ecken des Schutzsymboles und eine Schale mit getrockneten Kräutern in die Mitte des Siegels. Annabella zog die Augenbrauen hoch: "Dir ist klar, dass wir gleich kräftig danach durchlüften müssen, damit du morgen früh nicht wegen dem Gestank auffliegst?" Erneut schwieg ihr Bruder bloß und nahm das Buch zur Hand. Er überflog ein paar Zeilen, dann grinste er: "Fehlt nur noch das Blut und die Rezitierung des Textes." Annabella bekam große Augen: "Blut?!" Doch Philipp streckte bereits seinen Arm aus und ritze sich mit einem Messer sachte in die Haut. Mit ein wenig pressen, tröpfelte etwas davon in die Kräuterschale. Erst jetzt zog er ein Blatt Papier zu sich. Sie verstand, er hatte den Text schon zuvor notiert – es war ihr bereits bekannt, dass man den Text mit dem Wunsch oder Spruch verbrannte. Diesmal musste er ihn wohl vorlesen und verbrennen. Annabella meinte schon: "Du bist soweit? Dann kann ich ja jetzt gehen..." Sie wollte aufstehen, doch ihr Bruder ergriff sie am Arm. Etwas Blut rinn aus der Schnittwunde herunter. Mit düsterer Miene befahl er: "Du bleibst hier! Ich lasse nicht zu, dass du tollpatschige Kuh unsere Eltern aufschreckst und ich auffliege. Hinsetzen."
Sie riss sich los, aber setzte sich verdrießlich wieder hin. Er wandte sich wieder dem Text zu. "Und jetzt aufgepasst", flüsterte er. Die Uhr schlug Mitternacht.
"Im Namen des Brechers der sieben Siegel. Im Auftrag des Verschlingers der dreizehn Lichter. Beim Gebot der da Vier sind. Erhöre meine Stimme! Erhöre meinen Ruf, erscheine, der du dienst als Mephistopheles!", rezitierte Philipp. Er zündete den Zettel an und warf ihn in die Schale mit den Kräutern. Stille. Annabellas unterdrücktes Kichern. Ein böser Blick Philipps. Stille.
Plötzlich dröhnte für den Zeitraum eines Wimpernschlages eine Art Knurren in ihren Ohren. Die Glut knisterte im Ofen. Das Knistern nahm zu. Die Stille wurde von der zischenden Glut durchbrochen. Eine Stichflamme verpuffte und Rauch zog aus dem Ofen zu ihnen hin. Verspielt teilte er sich. Jede Spitze des vermeintlichen Pentagrammes wurde vom Rauch besetzt. Die Geschwister sahen beide erstarrt vor Schreck zu. Die rußige Wolke wirbelte als Spirale empor und wie von Zauberhand bildete sich aus dem Ruß der Oberkörper eines Mannes. In elegantem Anzug mit weißen Handschuhen, strubbeliger Kurzhaarmähne und Augen so funkelnd, als entstammten sie der Ofenglut.
Wispernd kommentertierte Annabella hingerissen zwischen Angst und Belustigung: "Brüderchen, deine Kräuter hauen gut rein. Ich sehe schon Rauchmänner aufsteigen. Wir hätten das Zeug besser kiffen sollen." Philipp sah sie mit weit aufgerissenen Augen an: "Du siehst ihn auch..." Ihrem Gesicht entglitt das erzwungene Lachen.
Der Dämon meldete sich zu Wort: "Kinder, Kinder. Man soll doch nicht mit dem Feuer spielen – und dann auch noch mit höllischem. Ungezogen und leichtsinnig, so mag ich meine Beschwörer." Beide sahen ihn widerwillig an. Mephistopheles sprach weiter: "Nun denn, ihr habt mich gerufen und hier bin ich. Was ist euer Begehr?" Er zeigte auffordernd seine spitzen Zähne, ein bizarrer Versuch eines ermunternden Lächelns. Philipp fand seine Stimme wieder: "Wir, wir wollen Macht!" Der Kopf seiner Schwester hastete zwischen ihm und der Erscheinung hin und her. Diese direkte Aufforderung erschien ihr wohl etwas dreist, während beide mit schlotternden Knien vor ihm standen.
Süffisant lächelnd, antwortete der Dämon: "Oh, das ist nicht schwer. Jeder niedrige Dämon hat mehr Macht als ihr. Nehmt dies, es wird euch stärken." Er zog seine Ärmel hoch und ritzte sich mit Krallen, die aus den Handschuhen hervotraten seine Arme auf. Jedem der Beiden hielt er einen blutenden Arm entgegen. Sein Wort schallte durch ihren Verstand, wie ein unumgänglicher Befehl: "Trinkt!..."
Ehe sich Annabella versah, hatte ihr Mund sich an der dämonischen Blutquelle festgesaugt. Eine eigenwillige Mischung aus Rauch und warmen Blut füllte ihren Mund und ihr Körper fühlte sich an, als trinke sie flüssiges Feuer. Dennoch war sie begierig auf mehr, mehr. Enttäuschung überkam sie, als der Arm sich unter ihr löste.
Mephistopheles fragte amüsiert: "Wie fühlt ihr euch jetzt?" Die Geschwister sahen sich an. Philipp hatte etwas Ruß an der Wange, Annabellas Augen wirkten wie hypnotisiert. In ihren Körpern und ihren Seelen war ein Prozess am Laufen, unbeschreiblich für sie selbst. Sie ahnten noch nicht, was der Dämon getan hatte. Dieser sprach nun: "Es scheint, alles ist, wie es zu sein hat. Nun, meine Kinder, kommt ihr mit mir." Plötzlich war Philipp hellwach: "Was heißt das? Mit dir kommen? Du solltest uns Macht geben!" Er wurde harsch vom Dämon angegangen: "Und das habe ich! Jede Höllengestalt hat mehr Macht als eure menschlichen Seelen! Kinder, die zu dumm und unvorsichtig sind, sich mit den richtigen Symbolen zu schützen, haben kein Recht sich bei ihrem Meister zu beschweren!"
Philipp wurde bleich: "Falsche?! Was?" Empört sah er zu seiner Schwester. Die wehrte ab: "Hey, ich habe alles wie in deinem Buch gezeichnet." Ihr Bruder riss das Buch zu sich und hielt es dem Dämon vor: "Da! Da steht es ganz klar! Das Pentagramm erzeugt einen Schutzbereich! Und dein Siegel wurde von uns mit einem solchen umzäunt!" Mephistopheles beugte sich vor, nahm die Abbildung unter die Lupe und lachte: "Ich liebe es, wenn ihr Menschen euch auf billige Hexenbüchlein verlasst. Du, mein Freund, hast Recht. Ein Pentagramm wäre eure Rettung gewesen. Zu schade aber auch, dass in dem Buch ein Hexagramm abgebildet ist..." Das Buch fiel zu Boden. Philipp stand mit offenem Mund da. Fassungslos über das Geschehen. Annabella fing an zu wimmern.
"Das Blut aus meinen Adern, fließend in eurem Organismus ist ein bindender Vertrag. Zwei Menschenkinder haben sich soeben zu meinen Dienern gemacht. Ihr werdet mit in mein Reich kommen, wo ich euch lehre, eure neuen Kräfte zu meinem Wohl zu nutzen. Zunächst seid ihr nicht mehr als Poltergeister, doch mit Fleiß und Demut eurem Meister gegenüber, steht einem raschen Aufstieg in unsere Riegen kaum etwas im Wege", sprach er. Philipp aber, hatte Anderes im Sinne. Eine einfache Kapitulation kam nicht in Frage. Er würde kämpfen, bis aufs Letzte. Bis zum letzten Atemzug. Der junge Mann stürmte vor, rammte seine Faust ins Gesicht der Fratze – und schlug durch Rauch. Hallend lachte der Dämon ihn aus und umwab ihn gnadenlos mit seiner Gestalt. Philipp hustete und prustete schrecklich auf. Der Rauch breitete sich in seiner Lunge aus. Der Ruß brannte ihm in den Augen. Seine Brille fiel zu Boden. Annabella krabbelte zu ihr hin, wollte ihrem Bruder helfen. Bei der ersten Berührung kreischte sie laut auf – Das Gestell der Brille war glühend heiß und verbrannte ihr die Finger. Hysterisch liefen ihr die Tränen aus den smaragdgrünen Augen. Sie hyperventilierte. Philipp wurde von dem Dämon neben sie auf den Boden geschmissen.
Sein Rauch breitete sich aus. Annabella wollte die Fenster öffnen – aber sie verlor die Orientierung, schwarz folgte auf schwarz, ihre Augen taten weh, mit jedem Einatmen wurde ihr schwindeliger. Sie stolperte, fiel hin. Direkt auf den jetzt brennendheißen Ofen. Erneut ein Schrei von ihr, als sie sich mit Verbrennungen in Brusthöhe wieder von ihm befreite. Wo war ihr Bruder? Irgendwo mit im Rauch gefangen. Was konnte sie nur tun? Wie waren sie noch zu retten?
Da sah sie die glühenden Augen des Dämons vor sich und ein Flüstern in ihrem Ohr: "Schlaf ein, schlaf ein!..." Annabella wollte sich wehren, sich die Ohren zu halten, die Luft anhalten bis sie einen Ausgang fand. Es half nichts. Sie wurde schläfrig, trotz aller Panik. Ihre Knie gaben nach. Ihre Lunge kämpfte verzweifelt um jedes bisschen Luft, aber atmete nur Asche ein.
Der Kopf der jungen Frau sank entkräftet auf den Boden. Der Lebensfunke in ihren Augen wich dem Trüb einer Ohnmacht. Sie und ihr Bruder, wachten nie wieder als Menschen auf. Die Geschwister erstickten.
Am nächsten Morgen, sollten ihre Leichen vom Vater und der Stiefmutter inmitten des Hexagrammes gefunden werden. Keine Spur eines Dämons, kein Hinweis auf das wahrhafte Ereignis. Nur zwei naive, junge Menschen, die mit dem Feuer spielten und darin umkamen.