9783462031461

Nach der Lektüre habe ich gemischte Gefühle.

Der Text ist der Monolog eines von seiner Familie mehr oder weniger verstoßenen Industriellensohns, der als Clown sein Brot verdient hat und von seiner Freundin verlassen wurde, was er nicht verkraftet, zum Saufen begonnen hat und schließlich nicht mehr gut spielen konnte.

Hans Schnier kehrt mittellos nach Bonn in die von seinem Großvater geerbte Eigentumswohnung zurück, zerfleischt sich in Selbstmitlied und versucht telefonisch von Familienmitgliedern und Bekannten, die er allesamt verachtet, Geld zu erbetteln - vergeblich. Am Ende sitzt er als singender Bettler auf einer Bahnhofstreppe, wo er auf die Rückkehr seiner nunmehr verheirateten Ex-Freundin wartet.

Der Roman ist radikal aus der Sicht Hans Schniers geschrieben, die erzählte Zeit umfasst ein paar Stunden, die Vergangenheit wird in gedanklicher Rückschau erschlossen.

Gelungen ist die Charakterisierung von Wendehälsen, die als ehemalige überzeugte Nazis im Nachkriegs-Westdeutschland Karriere machten.

Nachvollziehbar ist die Enge einer Gemeinschaft, die streng nach den moralischen Vorstellungen des Katholizismus lebt.

Die Hauptfigur ist unglaubwürdig: der verarmte Industriellensohn mit Eigentumswohnung als Bettler ... naja.

Nervig ist die Selbstgerechtigkeit des Protagonisten.

Der Text ist in die Jahre gekommen, und der Kritikerstreit Anfang der 60er ist fast nicht nachvollziehbar (ein Thomas Bernhard hat genau dieses Thema - Nationalsozialismus und Katholizismus - ein paar Jahre später viel radikaler angegangen).

Zwei zeitgenössische Kritiken:
http://www.zeit.de/1963/23/heinrich-boells-ansichten-eines-clowns
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45143521.html