Nur noch zur Ergänzung.
Eine Art kann nach einer Weile
a) aussterben,
b) sich zu einer anderen Art umwandeln,
c) sich in zwei Arten aufspalten.
Ein
d) viele Millionen Jahre ein und die selbe Art bleiben
ist hingegen nicht möglich. Grundsätzlich ist es zwar möglich, daß es nach mehrern Millionen, selbst zig und sogar hunderten Millionen Jahren kaum zu äußerlichen Veränderungen kommt (wir nennen sowas "lebende Fossilien"), hypothetisch sogar zu kompletter Ununterscheidbarkeit. Dennoch hat sich der Genpool dieser Art binnen mehrerer Millionen Jahren so verändert, daß, wenn wir mit ner Zeitmaschine einen frühen Vertreter nach heute befördern würden, dieser mit seinen heutigen "Artgenossen" keine fertilen Nachkommen hervorbringen könnte. DIe Artgrenze wäre überschritten. d) gehört also zwingend zu b). Die genetische Uhr tickt unweigerlich und die so produzierte genetische Distanz führt unweigerlich zu Arttrennung.
Immerhin aber kann die genetische Uhr schneller oder langsamer ticken. Wenn eine Spezies alte Merkmale verliert bzw. neue hervorbringt, werden ja vermehrt Änderungen des Genoms befördert und altes Genmaterial ausselektiert. Andererseits werden bei konservativen Arten ("lebenden Fossilien") genetische Neuerungen, die Merkmale verändern, am Durchsetzen im Genpool gehindert und die alten Sequenzen bewahrt. Da merkmalsneutrale Mutationen dennoch entstehen, tickt die Uhr auch im zweiten Fall weiter, nur eben in der Summe langsamer.
Manche Arten bleiben über Jahrhunderttausende bis wenige MillionenJahre hinweg äußerlich gleich und vollziehendann binnen weniger Jahrtausende bis Jahrzehntausende größere Veränderungen zu einem neuen Phänotyp. Im Fossilbefund finden sich zuallermeist nur Exemplare aus den "stabilen" Zeiten. Hier ist eine Artunterscheidung relativ einfach zu treffen. Bei anderen Arten erfolgen die Veränderungen hingegen sehr langsam; bei einigen gibt es sogar kaum "stabile" Etappen. Hier ist die Grenzziehung für Arten sehr schwierig. Der Homo heidelbergensis ist so ein Fall. Über vielleicht eine halbe Million Jahre hinweg existierte diese "Spezies". Doch eigentlich sahen die ältesten Vertreter kaum anders aus als der afrikanische Homo erectus (auch H. ergaster genannt), und die jüngsten Vertreter sind in Afrika kaum noch vom Homo sapiens zu unterscheiden und die europäischen Vertreter vom Homo neandertalensis. Und in der Zeit dazwischen gab es auch keine richtige Kontinuität, sondern eine kontinuierliche, zum Teilmosaikartige Umbildung der Erectus-Merkmale hin zu den Merkmalen von Sapiens und Neandertalensis.
Arten werden normalerweise als "Biospezies" definiert, als Fortpflanzungsgemeinschaften. Gibt es keine gemeinsame Fortpflanzung (weil sie nicht mehr möglich ist oder nur sterile Nachkommen hervorbringt; aber auch wenn geographische und sonstige Barrieren eine Fortpflanzung unterbindet), ist die Artgrenze erreicht. Bei fossilen Arten geht diese Unterscheidung nicht. Da spricht man von Chronospezies und Morphospezies. Eine Morphospezies meint die Zusammenfassung aller fossilen Vertreter zu einer Art, die sich in ihrem Äußeren über einen längeren Zeitraum kaum voneinander unterscheiden, dafür aber deutlich von anderen "Schwesterarten", von Vorfahren wie Nachkommen. Eine Chronospezies liegt hingegen vor, wenn die Übergängefließend sind. In dem Falle wird eine Menge von Merkmalen definiert, um den Artwechsel zu definieren. Somit ist der Homo erectus/ergaster und auch der Homo sapiens eine Morphospezies, aber der Homo heidelbergensis eine Chronospezies.
Lange Rede, nicht ganz so langer Schluß:
Mailo schrieb:Gibt es eigentlich 2 oder mehr Arten von Lebewesen wo die Art aus der Sie sich entwickelt haben auch noch lebt?
Arten können sich aufspalten. Für eine Zeitlang besitzen die Vertreter beider Populationen noch ein Erbgut, welches grundsätzlich dem Erbgut der Ausgangsart so nahe steht, daß die Tochterpopulation und die Elternpopulation eine gemeinsame Biospezies bilden müßten. Selbst wenn diebeiden Tochterpopulationen schon zu weit genetisch auseinanderliegen für gemeinsame Nachkommen, wenn die Arttrennung also abgeschlossen ist, selbst dann ist die genetische Distanz beider Tochterspezies zur Mutterspezies nur halb so groß und damit noch keine Artgrenze. Irgendwann werden beide Tochterspezies aber auch die Artgrenze zur Mutterspezies erreicht haben.
Selbstverständlich wird es ein kleines Zeitfenster geben können, wo die eine Tochterspezies die Arttrennung zum Genpool der gemeinsamen Ausgangsart verloren hat und die andere noch nicht. In dem Sinne können wir davon sprechen, daß eine "Mutterspezies" noch neben ihrer "Tochterspezies" existiert. Doch stimmt das eben nur auf eine sehr formale Weise. Eher sind es zwei Tochterspezies, von denen die eine sich nur noch nicht ganz von Mami abgenabelt hat.
Das ist aber nur sehr theoretisch. Denn ob eine heutige Spezies sich bereits via genetische Distanz von ihrer fernerenVorfahrengruppeabgenabelt hat, von der auch andere SPezies abstammen, können wir ja nicht prüfen.
Nur im Sinne einer Morphospezies könnten wir sowas kennen, daß es sowas gäbe, daß der letzte gemeinsame Vorfahre von Schimpanse und Bonobo sich im Fossilfund nichtvom Schimpansen unterscheidet, sodaß sowohl die Tochterspezies Bonobo ("Pan paniscus") als auch die Morphospezies Schimpanse ("Pan troglodytes") derzeit nebeneinander leben. Aber Morphospezies ist keine Biospezies, daher wissen wir es schlicht nicht.