@FabianoSorry, das wird jetzt eine etwas längere Stellungnahme aber wenns Dich interessiert kannst Du es ja trotzdem lesen
;)Dem Urchristentum war die Reinkarnationsidee nicht fremd. Der Nachweis dafür wurde aber in der Kirchengeschichte vergraben. Es sollte wohl möglichst niemand mehr darüber Bescheid wissen ... Die Bibel äußert sich nirgends gegen die Reinkarnation. Die Bemühungen der Dogmatiker, eine Ablehnung dieser Lehre aus den Worten der Bibel herauszulesen, halten einer näheren (u.a. sprachlichen) Überprüfung nicht stand (vgl. Jan Erik Sigdell: Reinkarnation, Christentum und das kirchliche Dogma, Ibera, Wien 2001).
Die Gnostiker ("die Wissenden") gehörten zu den Urchristen. Sie zu Ketzern zu erklären war eine spätere Taktik von Kirchendogmatikern, um für das eigene abgewandelte Christentum der Konkurrenz den Boden möglichst zu entziehen. Zwar gab es verschiedene gnostische Richtungen und ein paar Auswüchse, denen weniger Bedeutung zuzumessen ist – jedoch war die Hauptströmung eine starke Säule des Christentums der ersten Jahrhunderte. Man hat die Gnosis gerne als im Grunde unchristlich darstellen und ihren Ursprung in einer vorchristlichen Gnosis sehen wollen. Diese Taktik wurde vor allem von der deutschen Forschung verfolgt. Jedoch haben die bahnbrechenden kritischen Arbeiten von C. Colpe dieses Bild verändert. In der angelsächsischen und französischen Forschung hingegen ist man der Ansicht, dass keiner der Texte die Annahme einer vorchristlichen Gnosis zulässt. Man erkennt auch keine Vorstufen. Es gibt keine Beweise für eine vorchristliche jüdische Gnosis (vgl. TRE – Theologische Realenzyklopädie, hrsg. v. Gerhard Müller, Bd. XIII, Walter de Gruyter, Berlin 1984, S. 519–550).
Die Gnostiker lehrten die Reinkarnation, einige von ihnen behaupteten sogar, dass Jesus zu seinen Jüngern über diese gesprochen habe. Das Bibelzitat: "Ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könntet es jetzt nicht ertragen" (Joh. 16:12) unterstützt diese Behauptung. Was Jesus nicht in der Öffentlichkeit sagte, sagte er ohne Zweifel seinen Jüngern im kleinen Kreis.
Die Kirche in ihrer heutigen Gestalt entstand durch das Konzil in Nicäa 325. Es ist wiederholt behauptet worden, dass erst bei diesem Konzil die Reinkarnationslehre verworfen wurde, was sich aber nicht durch die bis heute erhalten gebliebenen Konzilsunterlagen belegen lässt. Jedoch sind diese sehr unvollständig, was die Möglichkeit offen lässt, dass verlorengegangene Unterlagen diese Behauptung hätten bestätigen können. Bezeugt ist aber, dass Kaiser Konstantin viele der Anwesenden nicht zu Wort kommen ließ und eine Anzahl von Anträgen und Bittschriften ungeöffnet dem Feuer übergab. Vertretern einer gnostischen Reinkarnationslehre wurde also keine Chance gegeben, ihre Auffassung darzubringen.
Trotz diesem Konzil lebten urchristliche Lehren noch lange weiter, v.a. in der Fassung des Gnostikers Origenes (185 - ca. 253) und auch seines Nachfolgers Didymos (313 - 398), des letzten origenistischen Lehrers der gnostischen Christengemeinde in Alexandrien. Origenes hat offensichtlich die Reinkarnationslehre vertreten, auch wenn sich Kirchendogmatiker sehr bemüht haben, das Gegenteil nachzuweisen. Dieser "Nachweis" basiert auf später entstandenen zensierten und manipulierten Textversionen, da die Originaltexte des Origenes zerstört wurden (ausführliche Darstellung in Jan Erik Sigdell: Reinkarnation, Christentum und das kirchliche Dogma, Ibera, Wien 2001).
Im 6. Jahrhundert kam es zu einer Verdammung der origenistischen Lehre von der Vorexistenz der Seele vor der Zeugung. Diese Verdammung ist aber nicht Bestandteil des Konzils in Konstantinopel 553, obwohl man offensichtlich gerne die Welt dies hat glauben lassen – sondern wurde bereits 543 in einer Sitzung einer ständigen Synode auf Befehl des Kaisers Justinian festgelegt. Der Kaiser hat sie aber – 10 Jahre später – vor der Eröffnung jenes Konzils noch einmal bestätigen lassen (vgl. ebd.).
Gnostische Lehren lebten trotz Bekämpfung durch die Kirche weiter. Die Bogumilen brachten sie aus dem Balkan nach Süd-Frankreich, wo das Katharertum entstand. Im Manichäismus lebten sie auch weiter, wenn auch ein wenig mit östlichem Gedankengut vermischt. Da auch zoroastrische Elemente mit eingeflossen sind, hat man den Manichäismus manchmal als eine eher persische Religion darstellen wollen. Aber "wenn man bedenkt, dass Mani aus dem judenchristlichen Täufertum, dann aus einem dem Markionitismus ähnlichen Gnostizismus herstammt ..., wenn er sich selbst als Apostel Jesu Christi bezeichnet, so muss der Historiker die Initiative für die Gestaltung von Manis System in einem häretischen Christentum suchen ... kann man den Manichäismus nicht als iranische Religion ansehen." (vgl. TRE – Theologische Realenzyklopädie, hrsg. v. Gerhard Müller, Bd. XXII, Walter de Gruyter, Berlin 1992, S. 25-45).
Im 13. Jahrhundert wurden die Katharer – die wohl christlichste aller Bewegungen seit der Kirchengründung – in einem veritablen Völkermord durch die Kirchenmächte ausgerottet. Für die Katharer war die Liebe das wahre Sein, und sie bezeichneten sich als "gute Christen". Man hat sie als unchristlich hinstellen wollen, aber "die Christlichkeit ihres Lebens, aber auch ihres Glaubens, ist an allen Punkten nachweisbar ... Vor allem die jüngere französische Forschung ... beweist, dass die Wertung der Katharer als 'unchristlich' nicht mehr aufrechterhalten werden kann." (vgl. TRE – Theologische Realenzyklopädie, hrsg. v. Gerhard Müller, Bd. XVIII, Walter de Gruyter, Berlin 1989, S. 21-30.)
Der Manichäismus versickerte später auch in den Sand der Geschichte. Zurück blieben nur Reste der gnostischen Lehren als Bestandteil verschiedener Geheimlehren.