@DahamImIslam:
Du wirfts ein wenig westliche Kultur und Christentum in einen Topf. Ich gebe Dir absolut Recht, dass der westliche Lebensstil eher unterstützend in Bezug auf das aktivieren von vor allem materiellen Begierden aller Art wirkt und nicht gerade dem entgegen wirkt. Das hat mit dem christlichen Glauben allerdings erst mal nichts zutun. Das hat mit Wohlstand zutun. Wenn man es sich aufgrund der eigenen Situation und aufgrund der Möglichkeiten eben auch ohne weiteres erlauben kann, seine Triebseele zu befriedigen.
Ein hungriger Bauch ist genauso schlecht wie ein übersättigter Bauch, um es mal so zu sagen. Die Schwierigkeit in der westlichen Kultur ist, seinen eigenen Mittelweg in diesem Überangebot der materiellen Begehrlichkeiten zu finden und zu gehen. Verlockungen gibt es allerdings überall. Wo es keine Versuchung gibt, gibt es auch keine inneren Kämpfe und damit auch so gesehen keine Verdienste.
Das Christentum ist allerdings nicht unbedingt asketisch orientiert. Zum Teil ist das in der evangelischen Kirche eher der Fall, aber heute auch nicht mehr so ausgeprägt, bei den Katholiken hingegen weniger. Die feiern bekanntlich auch gerne. Man sieht das auch an der Ausschmückung der Kirchen selbst. Während es in den katholischen Kirchen oftmals nur so vor goldverziehrten Altären, Bildern, Ikonen, Kerzen und geschnörks nur so strotzt, will sich die evangelische Kirche eher von diesem äusseren Prunk und Pomp zurückhaltender geben. Die meisten christlichen Feiertage sind katholischen Ursprungs. Die Messen werden zelebriert mit Weihrauch, Gewändern, Prozessionen. Das gibt es in der evangelischen Kirche weniger bis gar nicht.
Trotzdem ist Christentum auch sehr Leidorientiert, was alleine die Passion Christi schon deutlich macht. Der Kreuzweg ist eben nur im Christentum bekannt. Damit nimmt der Christ aber auch Teil am Leid, nimmt auch sein Kreuz auf sich und ergötzt sich eben nicht nur an den schönen Dingen des Lebens. Das allerdings darf der Christ auch - das ist ihm keineswegs verboten. Im Gegenteil. Neben der Leidensorientierung ist eben auch die Freude ein genauso wichtiger Bestandteil des christlichen Glaubens und Lebens. Wer allerdings eine inneren Herzensfreude mit der rein materiellen Befriedigung von Begierlichkeiten oder Begehrlichkeiten verwechselt, der hat das Wesen des Christentums eher noch nicht verstanden.
Jeder Glaube, ob nun christlich, jüdisch oder muslimisch betrifft immer das ganze Leben und nicht nur einen Teil davon. Somit umfasst er auch jeden Lebensbereich, nicht nur die Askese, die Entbehrung, den Verzicht, Einsamkeit, Leid, Tod und Trauer, sondern ebenso auch die Freude, das Feiern, Gemeinschaft, Glück, Liebe usw...
Die westliche Kultur ist auch nicht zu verwechseln mit dem westlichen Wohlstand einer Industrienation und einem rein materiellen Warenüberangebot. Zum einen kann sich hier trotzdem nicht jeder alles leisten und es leben trotzdem viele Obdachlose auf der Straße die nicht einmal das nötigste haben. Zum anderen ist das rein materielle Überangebot auch nicht gleichzusetzen mit westlicher Kultur. Es ist ein besonders stark auf Konsum ausgerichteter Teilaspekt des westlichen Lebensstils. Das hat etwas mit Reichtum und Wohlstand zutun, aber nicht unbedingt mit Christentum. Aber auch Reichtum und Wohlstand muss sich auch nicht unbedingt mit Christentum widersprechen, solange die Grundsätze wie das Teilen und andere am Wohlstand teilhaben lassen dabei nicht ausser Acht gelassen werden.
Traurig ist allerdings, wenn viele im Wohlstand eben nur den rein materiellen Wohlstand sehen und nichts anderes mehr und in der reinen Befredigung von materiellen Bedürfnissen ihr Glück suchen. Viele die diesen Weg gegangen sind, haben das aber irgendwann auch erkannt und sind eben nicht glücklich dabei geworden.
Das sind aber so gesehen nur die Extreme die wir hier betrachten. Ich kenne keinen Menschen, der nur und ausschließlich in diesem materiellen Überschwang lebt. Das sieht nur von Aussen so aus. Der tatsächliche Reichtum und Wohlstand ist nur auf einige wenige beschränkt, auch hier im westlichen Kulturraum. Viele Menschen kommen so gerade eben über die Runden oder sind verschuldet, kämpfen jeden Tag um ihre Existenz oder haben schon verloren und sich aufgegeben. Das ist die Kehrseite der Medaille, die sieht man allerdings erst bei genauerem Hinsehen.
Ich möchte hier nur aufzeigen, dass diese rein äusserliche Blendwelt des Westens weder etwas mit dem Christentum an sich zutun hat, noch direkt mit der westlichen Kultur gleich zu setzen ist. Und auch, dass im Christentum Reichtum und Wohlstand nicht grundsätzlich verboten ist, wenn dabei das Teilen nicht vernachlässigt wird und andere daran teilhaben zu lassen. Dass Christentum eben nicht nur Askese bedeutet.
Ein auf ethisch-moralischen Grundwerten aufgebautes Leben findet sich (zumindest von der Theologie her) in allen drei bekannten Weltreligionen, wenn sie ernst genommen werden. Was dem aber entgegen steht ist die oftmals all diese ethisch-moralischen Grundsätze nicht berücksichtigende rein auf den Gott Mammon ausgerichtete materielle Welt, die eben auch nur in der Verwirklichung materieller Bedürfnisse besteht. Das haben aber auch schon sehr viele Menschen inzwischen erkannt.