@hillBetrachten wir ein Glaubensbekenntnis folgenden Inhalts:
Der Gott derTheisten existiert.
Der Gott der Theisten liebt die Menschen.
Dieser Gott möchtejeden Menschen retten, und zwar dadurch, dass jeder Mensch ausreichenden Glauben hat,also ein Glaubensbekenntnis wie dieses glaubt.
Das Glaubensbekenntnis selbst bestehtaus mindestens dem hier aufgeführtem Teil plus Glaubensaussagen wie "Jesus starb fürunsere Sünden", "Jesus ist wieder auferstanden" etc., was immer auch in dem jeweiligenGlaubensbekenntnis notwendig ist, um errettet zu werden. Wer also diesesGlaubensbekenntnis glaubt, der wird errettet werden, wer das Glaubensbekenntnis nichtglaubt, wird nicht errettet werden. Zu dem Glaubensbekenntnis gehören natürlich auchGlaubensinhalte wie "Liebe Deinen Nächsten" oder "Tue Gutes" - was immer eben notwendigist. Nehmen wir der Einfachheit halber an, das Glaubensbekenntnis sei vollständig.Wichtig ist nur der oben erwähnte Teil, der Rest tut für dieses Argument nichts zurSache.
Und nun zu dem Argument - P bezeichnet die Prämissen (Voraussetzungen), Sdie Schlussfolgerungen:
(P1) Wenn Gott existiert, dann will er das Beste für alleMenschen.
(P2) Das Beste für jeden Menschen ist es, errettet zu werden.
(S1)Daher, wenn Gott existiert, möchte er, dass jeder Mensch das Glaubensbekenntnis glaubt,damit jeder errettet werde.
(P3) Wenn Gott möchte, dass jeder Mensch gerettet werdensollte, dann würde jeder Mensch das Glaubensbekenntnis glauben.
(P4) Nicht jederMensch glaubt an das Glaubensbekenntnis.
(S2) Deswegen möchte Gott nicht, dass jedererrettet wird, in dem er das Glaubensbekenntnis glaubt.
(S3) Deswegen existiert Gottnicht.
Die Prämisse (P1) wird wohl von den meisten Christen geteilt - wenn Gott gutist, wird er das Beste für alle Menschen wollen.
Die Prämisse (P2) wird wohlebenfalls von den meisten Christen geteilt, wenn nicht sogar von allen.
(P3) istebenfalls unproblematisch. Wenn Gott existiert, dann würde er genügend Evidenzenhervorbringen, so dass die Menschen das Glaubensbekenntnis glauben. Was wäre mit demfreien Willen? Der wäre davon nicht wirklich berührt. Denn Sie glauben beispielsweisedaran, dass es den Papst gibt. Gibt es irgendetwas, was ihren freien Willen eingeschränkthat, an den Papst zu glauben? Es gibt genügend Hinweise auf die Existenz des Papstes, undso glauben Sie und ich, dass er wirklich existiert. Sehen Sie eine Einschränkung ihresfreien Willens darin, an die Existenz des Papstes zu glauben? Nein. Und Gott könnteebenfalls genügend Hinweise in dieser Welt hervorgebracht haben, so dass Sie und vorallem ich daran glauben. Es gäbe genügend Ereignisse, durch die Gott das sicherstellenkönnte. Die Sterne könnten plötzlich den Schriftzug formen "Gott existiert" oder jedesBuch könnte plötzlich den Inhalt der Bibel enthalten usw. usf. Wie beim Papst gäbe eskeinen erkennbaren Grund für Gott, sich hier zurückzuhalten.
Zu dennicht-erkennbaren Gründen komme ich später.
(P4) ist unbestreitbar wahr. Es gibtgenügend Menschen, die bis zu ihrem Tode einen Glauben an das Glaubensbekenntnis (gleichwelchen Inhalts) abgelehnt haben oder es nicht kannten.
Und damit sind auch dieSchlussfolgerungen (S1) und (S2) gerechtfertigt. (S3) ist nur eine von zwei möglichenSchlussfolgerungen. Wenn Gott nämlich böse wäre oder eben desinteressiert an derErrettung von Menschen, dann wäre ein solcher Gott mit den Prämissen vereinbar. Aber eingütiger Gott nicht. Wenn wir also von einem gütigen Gott ausgehen (siehe den Anfang desGlaubensbekenntnisses), so müssen wir schlussfolgern, dass dieser nicht existiert.
Kommen wir nun zu einer kritischen Bewertung von (P3). Es ist nämlich so, dassGott - so argumentieren die Theisten - einen guten Grund dafür hat, dass nicht jederMensch das Glaubensbekenntnis glaubt. Allerdings ist dieser Grund gänzlich unbekannt.Wenn es einen unbekannten Grund gäbe, so würde das Argument fehlschlagen. Immerhin hatGott eine äußerst ineffiziente Methode gewählt, um das Glaubensbekenntnis zu verbreiten -Missionare. Das deutet nicht auf ein allmächtiges Wesen hin (Mittel zu einem Zweck nötigzu haben ist genau das, was Macht von Allmacht unterscheidet).
Es ist natürlichbequem, sich immer dann, wenn man nicht weiter weiß, auf unbekannte Gründezurückzuziehen, die die eigene Auffassung retten würden, wenn man sie nur wüsste. In derWissenschaft würde man ausgelacht, wenn man so argumentierte, auch vor Gericht - sogarmeistens im praktischen Leben.
Selbstverständlich lassen sich immer unbekannteGründe anführen, mit denen man jedes Argument "aushebeln" kann. Allerdings auch jedesArgument der Theisten. Diese Haltung ist nichts weiter als dreiste Rechthaberei. Wennalso die Theisten darauf beharren, dieses als Gegenargument zu benutzen, dann beweistdies allerdings auch eines sehr klar: Die Theisten haben in entscheidenden Punkten keineAhnung (sie nennen im Allgemeinen ihre Ahnungslosigkeit "Geheimnis"), was ihr Gott warumund aus welchen Gründen von uns verlangt. Das bedeutet ferner, dass Theisten sich nichtauf den Willen Gottes berufen können und berufen sollten, weil alles unter demIrrtumsvorbehalt unbekannter Gründe steht.
Denn der Grund dafür, warum nicht allean das Glaubensbekenntnis glauben, könnte auch der sein, dass dies eine ArtIntelligenztest für die Menschen ist. Wenn genügend Menschen nicht mehr an dasGlaubensbekenntnis glauben, dann ist die Menschheit reif genug, die Wahrheit zu erfahren.Da die Theisten zugeben, den Grund nicht zu kennen, kann es ein beliebiger Grund sein -entweder, man hat Argumente, um einen Grund zu nennen, oder man hat keine. Theistenkönnen jetzt also wählen - sie können das Argument ablehnen und damit ihr Unwisseneingestehen. Das bedeutet aber auch, dass sie keine rationalen Gründe für den Glaubenhaben, ein beliebiges Glaubensbekenntnis würde zur Errettung führen. Oder sie können esanerkennen, aber dann wären sie keine Christen mehr. Die Prämissen und Schlussfolgerungensind allerdings kompatibel mit dem Deismus und dem Taoismus.
Hinzu kommt, dassdas gesamte Verfahren höchst ungerecht und willkürlich ist. Warum sollte ein beliebigesGlaubensbekenntnis das Kriterium für eine Errettung sein? Wenn man weiterhin annimmt,dass Gott gerecht ist, dann lässt sich diese Behauptung nicht mehr stützen. Man könnteauch argumentieren, dass Glauben entweder irrelevant ist oder der christliche Gott nichtexistiert, aber nicht beides zusammen.
Auch bei der Theodizee spielt diesesArgument eine Rolle - denn wenn man behauptet, dass Gott für einen Ausgleich allerUngerechtigkeiten im nächsten Leben sorgt, so betrifft dies nur Menschen, die an dasGlaubensbekenntnis glauben. Folglich wird nur ein Teil der Ungerechtigkeitenausgeglichen. Folglich ist Gott ungerecht und nicht gütig.