Link: www.welt.de (extern) "Darauf steht die Todesstrafe"
Wer vom Islam zum Christentum übertritt, muß um seinLeben fürchten - Gespräche mit Konvertiten
Nassim Ben Iman fährt im Bus an der neuenMoschee in Neukölln vorbei. Mit ihren zwei Minaretten ist sie schon von weitem sichtbar.Es ist Freitag. Gebetszeit. Es parken viele Autos vor dem Gebetshaus. Der junge Mann hateine lange Fahrt hinter sich, erzählt nicht, von wo er an diesem Morgen die Fahrt nachBerlin angetreten hat. Nassim will so weit wie möglich anonym bleiben. "Nach derislamischen Religion steht auf das, was ich gemacht habe, die Todesstrafe", sagt er. SeinVerbrechen: Vor acht Jahren ist er Christ geworden. Zuerst wurde Nassim aus der Familieausgeschlossen, er wurde beschimpft und geschlagen. "Man hat zwei Wochen Zeit, um sichwieder zum Islam zurückzubekehren. Das habe ich nicht gemacht. Dann kam ein islamischerGelehrter zu uns nach Hause und hat das Todesurteil ausgesprochen." Und Nassim zitiertheute noch zittrig den Ausspruch Muhammads, den der Geistliche ihm wiederholt hat: "Werseine Religion wechselt, den tötet!"
Nassim ist kein Einzelfall. Das weiß auch PfarrerHans-Jürgen Kutzner. Der Geistliche kümmert sich im Auftrag der Evangelischen Kirche inDeutschland um Iraner, die zum christlichen Glauben konvertiert sind. Er hält dieGeschichte von Nassim für wahr. Zu ähnlich klingt sein Bericht den Worten derkonvertierten Iraner. Der Pfarrer kann seine Gemeindemitglieder allerdings nicht vorVerfolgung schützen: "Für uns als Kirche ist die Situation etwas Neues. Die letzteChristenverfolgung liegt in Deutschland einige Jahrzehnte zurück. Das war im DrittenReich, als die Bekennende Kirche verfolgt wurde. Heute stehen wir hilflos da, wennKonvertiten bedroht werden. Wir haben noch keine Strategie entwickeln können, wie wir alsKirche helfen und schützen können", sagt Kutzner. An seine Tür klopfen jährlich rundhundert Menschen, die den christlichen Glauben annehmen möchten, bundesweit sind es wohlmehrere hundert. "Es werden keine genauen Zahlen veröffentlicht, um die Christen zuschützen."
Eine Christenverfolgung mitten in Europa, mitten in Deutschland? Diemoslemischen Verbände in Deutschland betonen, der Islam sei eine tolerante und friedlicheReligion. Also müßte der Islam ja auch die Religionsfreiheit kennen. "Der Islam kennt nureine Religionsfreiheit - aus seiner Perspektive", so die Islamwissenschaftlerin ChristineSchirrmacher. "Alle Menschen sind frei, sich zum Islam zu bekehren. Einen umgekehrten Weggibt es nicht." Der Rahmen für die Toleranz gegenüber anderen Religionen wird ganz genauvom Koran und der islamischen Tradition vorgegeben. "Christen und Juden sind als BesitzerHeiliger Schriften zu respektieren, allerdings nicht auf gleicher Augenhöhe, sondernimmer nur als Menschen zweiter Klasse. Der Islam setzt sich hier absolut. Er begreiftsich als die einzige Religion, die am Ende der Zeiten herrschen wird. Alle anderenReligionen werden als verfälscht und als vorläufig erachtet. Es kann somit auch keinengleichberechtigten Dialog geben."
Menschen wie Nassim, die dem Islam den Rückenkehren, untergraben die Autorität dieser Religion: "Sehr viel dreht sich im Islam um denHeiligen Krieg. Da Europa christlich ist, ist es nach islamischer Lehre ein "Haus desKrieges". Nur wo der Islam herrscht, ist das "Haus des Friedens", sagt er. Für Nassimsind die friedlichen Töne von Islamvertretern nur Lippenbekenntnisse. "Nach dem 11.September 2001 hat der Zentralrat der Muslime in Deutschland eine Erklärung abgegeben,daß der Islam eine friedliche Religion sei und Gewalt verurteile. Ich habe mit einemFreund gemeinsam dort angerufen. Da wir arabisch sprachen, dachte man, wir seien auchMuslime. Wir sagten: ,Hey Leute, was ihr da schreibt, entspricht doch gar nicht demKoran."" Die Antwort sei gewesen: "Das ist ja nur für deutsche Ohren bestimmt. Wir sagenihnen, was sie hören wollen."
Auch Sabatina James ist zum Christentum konvertiert. Diegebürtige Pakistani kam als Kind nach Österreich. Um den Religionswechsel unmöglich zumachen, wurde sie in Pakistan mit ihrem Cousin zwangsverlobt und mußte ein halbes Jahr ineiner Koranschule zubringen, durfte dann wieder zu ihren Eltern nach Europazurückkehren.
"Ich bin damals zur Polizei gegangen. Dort hat man mir gesagt, ich solleeinfach sagen, ich sei wieder Moslem, um der Verfolgung zu entgehen. Wo ist denn da derstaatliche Schutz der Religionsfreiheit?"
Das Geschick von Konvertiten zeigt eineTendenz im Islam, die Menschenrechte einseitig zu Gunsten der Muslime auszulegen: "Esgibt innerhalb des Islam einzelne ideologische Gruppen, die offenbar Religionsfreiheitwie eine Art Ehrschutz für ihre Religion verstehen. Diese Gruppen reagieren sehrempfindlich, wenn Religionskritik am Islam geübt wird, was ja legitim ist in einerfreiheitlichen Gesellschaft", sagt Heiner Bielefeldt, der Direktor des DeutschenInstituts für Menschenrechte in Berlin. "Es gibt einzelne Gruppen, die sogenannteislamische Menschenrechte vertreten. Das sind Menschenrechtsvorstellungen, die ganzunmittelbar auf religiöse Quellen zurückgreifen. Und in diesen Konzepten kommt ganz oftdie Religionsfreiheit gar nicht oder jedenfalls nicht eindeutig vor."
Nassim blicktsich häufig um, bevor er in einem Berliner Bahnhof verschwindet, um den Heimweganzutreten. Er will sich nicht zum Zug begleiten lassen. Jedes Interview bedeutet für ihnweitere Gefahr.