Zweifel am Glauben anderer
25.08.2006 um 12:08
@ anonymus88
grundsätzlich ist jeder zweifel erlaubt
intelligente menschenbeginnen auch immer zuerst an sich zu zweifeln, bevor sie sich mit anderen im disputauseinandersetzen
auch wird nicht der glaube des anderen angezweifelt, er wird zumteil einfach nur abgelehnt, oft bekämpft, oder nur simpel beleidigt
davon zuunterscheiden ist , ich wiederhole mich, der intelligente disput
vielleichthilft dir folgender auszug aus einem interwie mit ken wilber weiter
ich setze maleinfach das werk und bedeutung dieser person voraus
aus:
www.roland-behringer.de
EZ: Sie sagen, daß jeder Ebene desBewußtseinsspektrums ein bestimmtes Weltbild innewohnt. Könnten Sie kurz erklären, wasSie damit meinen?
KW: Der Grundgedanke ist dieser: Wie würde die Welt aussehen,wenn Sie nur die kognitiven Strukturen einer Ebene hätten? Die Weltbilder der neun Ebenentragen die Bezeichnungen archaisch, magisch, mythisch, mythisch-rational, rational,existentiell, psychisch, subtil und kausal. Ich gehe sie kurz durch.
Wenn Sienur die Strukturen der ersten Ebene haben, sieht die Welt ziemlich undifferenziert aus,eine Welt der participation mystique, globale Verschmolzenheit, Adualismus. Archaischnenne ich diese Ebene einfach wegen ihrer primitiven Natur.
Wenn die zweiteEbene Konturen gewinnt und Bilder und frühe Symbole sich entwickeln, differenziert dasIch sich von der Welt, ist jedoch - in einem Quasi-Verschmelzungszustand - immer nochsehr eng an sie gebunden und meint daher, es könne sie durch bloßes Denken oder Wünschenauf magische Weise beeinflussen. Ein gutes Beispiel dafür ist Voodoo. Ich mache ein Bildvon Ihnen, steche einen Dorn hinein und denke, daß Sie dadurch verletzt werden. DerGegenstand und sein Abbild sind nicht klar differenziert. Das ist das magische Weltbild.
Auf der dritten Ebene sind Ich und Nicht-Ich voll differenziert, der magischeGlaube stirbt ab und an seine Stelle tritt mythischer Glaube. Ich selbst kann die Weltnicht mehr herumkommandieren, aber Gott kann es, wenn man weiß, wie man ihn rumkriegt.Wenn ich meine persönlichen Wünsche erfüllt haben möchte, muß ich bestimmte Gesuche undGebete an Gott richten, und dann wird Gott die Sache für mich erledigen und dieNaturgesetze durch Wunder außer Kraft setzen. Das ist das mythische Weltbild.
Ebene vier bringt die Fähigkeit zu konkreten Operationen und Ritualen mit sich. Wennich merke, daß meinen Gebeten nicht immer entsprochen wird, versuche ich, die Natur so zumanipulieren, daß die Götter zufrieden sind und sich dann für mich ins Mittel legen. Zuden Gebeten lasse ich kunstvoll aufgebaute Rituale ablaufen, die ganz und gar daraufabgestellt sind, Gott zur Intervention zu bewegen. Historisch gesehen ist das Hauptritualdieser Entwicklungsstufe das Menschenopfer. Wir finden es, wie auch Campbell aufzeigte,bei jeder größeren Zivilisation auf der ganzen Welt. So grausig dieses Ritual ist, dasDenken dahinter ist komplexer und komplizierter als das rein mythische Denken; daher dieBezeichnung mythisch-rational.
Wenn sich auf der fünften Ebene dasformal-operationale Denken herausbildet, kommt mir der Verdacht, daß der Glaube an einenpersönlichen Gott, der sich meiner Ego-Wünsche annimmt, wohl doch nicht so ganzgerechtfertigt ist; nichts spricht auf überzeugende Weise dafür, und jedenfalls kann mansich nicht darauf verlassen. Wenn ich etwas haben möchte, etwas zu essen beispielsweise,schenke ich mir Gebete, Rituale und Menschenopfer und sehe zu, wie ich mir die Sachedirekt verschaffen kann. Und dabei gehe ich hypothetisch-deduktiv vor, alsowissenschaftlich. Das ist ein großer Fortschritt, aber er hat auch seine Schattenseiten.Die Welt sieht immer mehr aus wie ein ödes Sammelsurium von Materialien, die keinerleihöheren Wert, keinen Sinn besitzen. Das ist das rationale Weltbild, häufig auchwissenschaftlicher Materialismus genannt.
Auf der sechsten Ebene, mit demEinsetzen der Schau-Logik, wird mir klar, daß zwischen Himmel und Erde mehr Dinge sind,als ich mir in meiner rationalistischen Philosophie hätte träumen lassen. DurchIntegration des Körpers wird die Welt «wiederverzaubert», wie Berman sagt. Das ist dashumanistisch-existentielle Weltbild.
Auf der siebten, der psychischen Ebene,sehe ich immer deutlicher, daß wirklich viel mehr Dinge zwischen Himmel und Erde sind,als ich mir hätte träumen lassen. Ich ahne erstmals die eine Göttlichkeit hinter denErscheinungsformen des Manifestierten, und ich kommuniziere mit diesem Göttlichen - aberdas ist jetzt nicht mehr mythischer Glaube, sondern innere Erfahrung. Das ist daspsychische Weltbild.
Auf der subtilen Ebene erkenne ich dieses Göttlicheunmittelbar und finde zur Vereinigung mit ihm. Hier bleibe ich jedoch noch dabei, daß dieSeele und Gott zwei verschiedene ontologische Entitäten sind. Das ist das subtileWeltbild - es gibt eine Seele und einen transpersonalen Gott, aber zwischen ihnen nocheinen feinen Unterschied.
Auf der kausalen Ebene löst sich dieser feineUnterschied auf, und damit ist die höchste Identität realisiert. Das ist das kausaleWeltbild, das Weltbild des tat tvam asi, «du bist Das». Reiner, nichtdualer Geist, nichtim Widerspruch zu irgend etwas und daher überhaupt nichts Besonderes.
EZ: Jetztverstehe ich, weshalb Sie in Ihren Büchern immer sagen, daß die in der Neuzeitaufgekommene Rationalität, obwohl sie stets wacker über die Religion hergezogen ist,eigentlich doch eine sehr spirituelle Entwicklung darstellt.
KW: Ja, in dieserHinsicht stehe ich unter den Religionssoziologen offenbar ziemlich allein da. DiesenWissenschaftlern, glaube ich, fehlt eine detaillierte Landkarte des gesamtenBewußtseinsspektrunis. Kein Zweifel, Rationalität und Naturwissenschaft - Ebene fünf -haben das archaische, das magische und das mythische Weltbild transzendiert unddemontiert und viele Wissenschaftler beklagen das, weil sie denken, damit seienSpiritualität und Religion überhaupt beseitigt worden. Sie haben offenbar kein rechtesVerständnis für mystische Religiosität, und deshalb sehnen sie sich zurück nach der gutenalten mythischen Zeit vor der Wissenschaft, nach der guten alten prärationalen Zeit, woes noch «echte» Religion gab. Aber Mystik ist transrational und liegt deshalb in unsererkollektiven Zukunft, nicht in unserer kollektiven Vergangenheit. Wissenschaft undRationalität schlagen uns meiner Meinung nach nur unsere unreifen prärationalenAnschauungen aus der Hand und schaffen damit Raum für die genuin transrationalenEinsichten der höheren Entwicklungsstufen, die transpersonalen Stufen echter mystischerund kontemplativer Entwicklung. Sie nehmen uns das Magische und Mythische weg, damit dasPsychische und Subtile sich entfalten kann. In diesem Sinne sind Wissenschaft undRationalität ein sehr gesunder, sehr evolutionärer, sehr notwendiger Schritt auf dem Wegzur spirituellen Reife. Rationalität ist das Hinstreben des Geistes zum Geist.
Undhierin liegt auch der Grund dafür, daß so viele große Wissenschaftler auch große Mystikerwaren. Das gehört ganz natürlich zusammen: Die Wissenschaft der äußeren Welt vereinigtmit der Wissenschaft der inneren Welt, die wahre Begegnung von Ost und West.