Pakistan und andere islamische Länder brennen vor Wut - auf ganz Amerika und auf den gesamten Westen. Weil ein einzelner Filmemacher ein unsäglich hirnloses Machwerk in die Netz-Welt gesetzt hat. Und im Westen? Versuchen einige noch Öl ins Feuer zu gießen - nicht dass das noch nötig wäre - und mit Karikaturen die gesamte islamische Religion pauschal weiter als intolerant zu verteufeln. Es ist die Stunde der großen Vereinfacher - auf beiden Seiten. Die Welt aber ist nicht einfach.
Die großen Vereinfacher in Pakistan zum Beispiel fachen die ohnehin vorhandene Wut auf Amerika noch weiter an. Weil das ihrer Deutung der Geschichte hilft. Würden die bösen USA nicht in der Region herumpfuschen, gäbe es keinen Terror und keine Taliban. Pakistan wäre ein Land, in dem neben ein paar Flüssen Milch und Honig flössen. Die USA dienen seit langem als willkommener Blitzableiter dafür, was das Land in den letzten Jahren und Jahrzehnten alles verzapft und vor allem verpasst hat: den Anschluss an die Weltgeschichte, den Zug in Richtung Zukunft, den der Nachbar Indien zum Beispiel genommen hat. Den Islamisten und Militärs kommen die weit verbreiteten Verschwörungs-Theorien sehr gelegen, weil sie vom eigenen Versagen ablenken.
Karikaturen als Brandbeschleuniger
Nicht besser allerdings die großen Vereinfacher im Westen, oder sollten wir sagen: Eiferer? Die exakte Entsprechung der Mullahs ist ein Fundamental-Christ wie der US-Prediger Terry Jones. Nun allerdings sind Satiriker und Karikaturisten dabei, sich freiwillig zu einem solchen Scharfmacher in den selben Topf zu stürzen. Natürlich wissen sie genau, was sie da auslösen. Doch ihren Brand-Beschleuniger nennen sie Meinungsfreiheit.
Dabei geht es ihnen im Grunde doch nur um eins: um Verkaufszahlen und um Werbung in eigener Sache. Leider geht das auf Kosten derer, die in Pakistan, in Afghanistan oder in anderen islamischen Ländern ihren Dienst als Diplomaten, Entwicklungshelfer oder Soldaten tun. Jahrzehntelange Versuche, Vertrauen aufzubauen, machen die Vereinfacher mit ein paar Bleistiftstrichen, mit ein paar Filmminuten zunichte. Ist ja auch alles ganz einfach, denn ausbaden müssen die Folgen ja nicht sie selbst. Würden die Karikaturisten auch dann noch zündeln, wenn sie in Islamabad oder Kabul säßen? Vermutlich nicht.
Vereinfachung als Selbstzweck
Wem das alles nützt? Leider nur denen, die schon seit langem vom großen Kultur-Kampf des Westens gegen den Orient schwadronieren oder umgekehrt. Der natürlich nicht stattfindet - schon deshalb nicht, weil es die "muslimische Welt" als festgefügten Block nicht gibt. Doch die Vereinfacher - und dazu gehören leider nicht nur die Taliban - arbeiten emsig daran, diesen Eindruck zu erwecken.
Dass diese Taktik bei den Menschen in Pakistan und Afghanistan leichter verfängt, ist kein Wunder. In diesen nicht-säkularen Ländern wird den Menschen der Glaube, sozusagen staatlich verordnet, schon mit der Baby-Milch verabreicht. In Europa jedoch sollten wir es besser wissen. Doch auch hier gibt es offenbar Menschen, die meinen, ihre Werte gegen eine angebliche, in diesem Fall islamische, Gefahr verteidigen zu müssen. Auf beiden Seiten nützen die großen Vereinfacher dabei letztlich nur sich selbst.
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