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Hat Wählen noch Sinn, wenn Wesentliches in Brüssel entschieden

127 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Eu Politik ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Hat Wählen noch Sinn, wenn Wesentliches in Brüssel entschieden

02.01.2013 um 13:23
@Cowboy23
Zitat von Cowboy23Cowboy23 schrieb:ist das dann inflation, und nicht vorübergehende Preissteigerung wegen erhöhter Nachfrage
Das kannst du im Ergebnis schlicht nicht auseinanderhalten, da an der Preissteigerung kein Etikett klebt. In der VWL gibt es etliche Mechanismen, über die es zur Inflation kommen kann, jeder mit eigenem Wirkungskanal, die sich unglücklicherweise auch noch überschneiden. Wenn es euch interessiert, kann ich da kurz einen Abriss geben. Nur, eins vorneweg: so einfach wie Geld drucken -> Inflation ist es bei weitem nicht (immer).


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02.01.2013 um 13:25
@Rho-ny-theta

das interessiert mich brennend.

Vielen Dank im Voraus.


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02.01.2013 um 14:03
@Cowboy23

Okay, ich versuche es mal, aber es handelt sich um ein sehr umfangreiches Themengebiet; bitte habe daher Verständnis dafür, dass ich die diversen Gebiete nur kurz anreißen werde und für weitere Informationen auf Wikipedia verweisen werde.

Also: was ist überhaupt Inflation? Inflation kann man entweder als Preissteigerung betrachten, oder als Geldentwertung, beides führt zur gleichen Folge: die Kaufkraft einer Person mit gegebenem Einkommen sinkt. Daher wird eine übermäßige Inflation nicht gerne gesehen, die Politik versucht sie in der Regel zu vermeiden. Man beachte, dass eine Inflation von 0% auch nicht gut ist, da sie die Investitionen abwürgt: Menschen horten ihr Geld, statt es anzulegen, es steht weniger Geld für Investitionen zr Verfügung. In der Regel wird je nach Land eine Infaltionsrate von 1-3% als ideal und langfristig stabil angesehen, die EZB hat die meiste Zeit ein Inflationsziel von 2% +/- 0,5 % angestrebt.

Stellen wir uns jetzt die Frage, wer die Inflation beeinflusst: dies können im Prinzip 4 Faktoren sein: Geldmenge und Geldangebot (diese bestimmen über verfügbare Geldmenge und den Zins, den wir im Folgenden nicht weiter betrachten werden. Es genügt zu sagen, dass der Zins der Preis für Geld ist) sowie Wareangebot und Warennachfrage, die über die Güterpreise bestimmen. Wir fangen mit dem Geldangebot an, da es am schnellsten abgehandelt werden kann.

Das Geldangebot wird zunächst durch die Zentralbank bestimmt, die die Menge an Zentralbankgeld und den Leitzins bestimmt, sowie einige weitere Parameter, wie z.b. die Mindestrücklage usw.

Wikipedia: Zentralbank für weitere Infos

Jetzt kommt aber das Zentralbankgeld nicht direkt bei den Anlegern an, sondern wird von den Geschäftsbanken verteilt. Da wir einen Prozess haben, bei dem die GBanken nur einen Teil der Einlagen als Reserve zurückhalten müssen ( Wikipedia: Mindestreserve ) kann die Bank ein vielfaches der Einlagen an Geld ausgeben (dies kann als eine zweite Stufe der Bargeldschöpfung bezeichnet werden). Die Bank wird hierbei darauf achten, dass sie das Risiko eines Kreditausfalls minimiert, d.h. abhängig von ihrer Einschätzung der wirtschatlichen Lage wird sie eher wenig oder eher viel Kredite/Geld ausgeben, dieser als Bankenmultiplikator oder Bankenhebel bekannte Effekt kann typischerweise zwischen 10-100 liegen, d.h. die GBanken geben bis zum Hundertfachen der Menge an Zentralbankgeld in den Umlauf. Hier wäre der erste Wirkungskanal, der von der Menge an Zentralbankgeld und der EInschätzung der Banken abhängt.

2008 wurde übrigend genau dieser Kanal kritisch; die GBanken wollten kaum noch Kredite ausgeben, weil durch den Zusammenbruh der amerikanischen Immobilienpapiere die Marktsituation so unklar war, dass niemand sich in der Lage sah, das Risiko korrekt abzuschätzen. Man wollte auf Nummer sicher gehen, und hat erst neue Kredite ausgegeben, als die Regierung Zugeständnisse machte, für eventuelle Ausfälle teilweise einzutreten.

Weiter geht es; aus didaktischen Gründen machen wir jetzt erst mit den Gütermärkten weiter, da die Geldnachfrage sich am Schluss auch über die Gütermärkte bestimmen lässt.

Also, Gütermärkte. Es ist anzumerken, dass wir uns in einer offenen Volkswirtschaft befinden, d.h. es finden Im- und Exporte statt. Das ist wichtig, da es den Begriff der "importierten Inflation" zu klären gilt. Stellen wir erst einmal fest, dass in einer geschlossenen Volkswirtschaft, bei der alle Paramter des Gütermarktes, z.b. Produktivität usw. gleich bleiben, so gut wie nichts mit den Preisen passiert. Bei einer offenen Volkswirtschaft kann dies anders sein: wenn die Preise eines Importgutes schlagartig ansteigen, kann es zu einem Kaufkraftverlsut im Inland kommen, der importierten Inflation, wenn es keine Möglichkeit gibt, dieses Gut zu ersetzen. Musterbeispiel hierfür ist das Erdöl, da es als Wirtschaftsgut sehr wichtig ist und starken Preisschwankungen unterliegt. ( Wikipedia: Ölpreisschock ). Hier wäre also ein weiterer Wirkungskanal, Preissteigerungen auf Weltmärkten bzw. im Ausland. Hierbei spielt auch noch die Frage eine Rolle, ob feste (€/CHF) oder flexible Wechselkurse (€/$) vorliegen, aber das würde jetzt wieder zu weit führen.

Insebesondere feste Wechselkurse sind problematisch, da es hier zu einem Erwartungsparadoxon kommt: es reicht bereits, dass man eine Kursänderung in der Zukunft erwartet, damit man sich exakt so verhält, als hätte diese bereits stattgefunden. Als Resultat muss dann die Kursänderung eintreten. Hat sich George Soros mal zu Nutze gemacht, um England zur Abwertung des Pfundes zu zwingen und dabei eine Milliarde Dollar zu verdienen: Wikipedia: George Soros#Spekulationsgesch.C3.A4fte als Vorhersagen

Auf dem Gütermarkt im Inland greift z.b. das AS-AD-Modell Wikipedia: AS-AD-Modell ; ich werde es nicht im Einzelnen erklären, nur soviel: Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben EInfluss auf die Preisentwicklung und somit auch auf die Inflation; es besteht ein Zusammenhang zwischen Macht der Gwerkschaften, Macht der Arbeitgeber, Arbeitslosigkeit und Inflation, den man in der Phillipskurve findet: Wikipedia: Phillips-Kurve
Interessant ist hierbei, dass es langfristig eine stabile Arbeitlosenrate gibt, von der man nur auf Kosten einer erhöhten Inflation abweichen kann ( Wikipedia: NAIRU ). Daraus ergibt sich, dass viele politische Maßnahmen der Arbeitslosigkeitsbekämpfung zu Inflation führen, ein weiterer Wirkungskanal. Wichtig hierbei ist, das auch hier die Erwartungen wichtiger sind als das, was tatsächlich passiert. Aus all diesen Parametern ergibt sich schlussendlich das Preisniveau und die Geldnachfrage(diese wird zusätzlich noch von Parametern wie der Präferenz zur Bargeldhaltung i.d. Bevölkerung beeinflusst; da diese aber über die Zeit ziemlich konstant bleibt, ist das nicht so wichtig), die ebenfalls auf die Inflation einwirkt.

So, das waren jetzt die wichtigsten Kanäle, ist eine ganze Menge Stoff, für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


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02.01.2013 um 14:20
@Rho-ny-theta

Vielen Dank erstmal. Es scheint wieder einmal nicht so einfach zu sein.
Ich werde mich da mal durchkämpfen. Fragen werden sich aber sicher nicht vermeiden lassen, da die Logik hier sicher schwer zu erkennen ist. Lass mir aber bitte etwas Zeit, diese Komplexität hab ich nicht in 10 Minuten erfasst.


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02.01.2013 um 14:21
@Cowboy23

Kein Problem. Im Studium teilt man diese Mechanismen in der Regel auf zwei Semester auf, daher ist es schon nicht einfach, da durchzusteigen. Ein gutes Lehrbuch kann helfen, aber damit muss man sich auch länger beschäftigen. Lass dir Zeit.


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02.01.2013 um 14:47
@Cowboy23
@25h.nox
Zitat von Cowboy23Cowboy23 schrieb:was ist mit den Glühlampen? Ich werde in Zukunft von Ökolicht beflimmert, wo sind da meine Rechte?
Ich kenne niemanden, der Energiesparlampen mag. Gerade auch für private Haushalte haben viele Menschen sich noch die alten light bulbs gebunkert (ich übrigens auch).

Wenn das Verbot klassischer Glühlampen des $Volkes Wille ist, wo ist dann besagtes $Volk? Besteht besagtes $Volk vielleicht nur aus Brüsseler Politikern?

Wie war das doch gleich mit "Was ist Brüssel"?


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02.01.2013 um 15:14
@Rho-ny-theta

Schön dass Menschen mit Sachverstand und dem entsprechenden Hintergrundwissen auch mal da sind.

Zu der Aufgabe der Zentralbank hätte ich mal eine Frage:

Die EZB regelt ja nur indirekt die Geldmenge und somit die Inflation, indem sie erstens die Geldmenge (M1 inflationär) beeinflusst und somit die Menge vermehren kann oder durch die Anwendung der Einlagengeschäfte Geld aus dem Kreislauf entzieht (M1 deflationär). Weiterhin nehmen die Bundesbanken Einfluss durch die entsprechende Attraktivität oder Unattraktivität von z.B. Bundesschatzbriefen (wer bestimmt da eigentlich die Höhe; Bundesbanken oder Vorgaben der EZB?).

In wie weit, deiner Meinung nach, hat die EZB noch Einfluss auf die Geldmenge wenn die Einlagefazilitäten nicht mehr für GB attraktiv genug sind und über die Kreditvergabe die Wertschöpfung für GB einfach zu verlockend ist

Kann es dann nicht zu einer Ausartung einer Inflation kommen und/oder welche Instrumentarien stehen dann zur Verfügung?
Zitat von Rho-ny-thetaRho-ny-theta schrieb:Daher wird eine übermäßige Inflation nicht gerne gesehen, die Politik versucht sie in der Regel zu vermeiden.
Das halte ich aber für ein Gerücht, denn die Inflation ist für den staat einfach zu verlockend um sich auf kosten der Bürger als Staat zu entschulden. und genau deswegen gab es in der BRD das strikte Trennsystem der Politik und der Bundesbank


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02.01.2013 um 15:25
@GehirnAkrobat

Es gibt da noch eine ganze Reihe von Instrumenten, die man im Allgemeinen unter dem Begriff der unkonventionellen Geldpolitik zusammenfasst; fast alle Länder der westlichen Welt mussten sich nach 2008 aus diesem Instrumentarium bedienen, hier ein Überblick:

http://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qt0906t_de.htm

http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/download/ziffer/z133_z150j09.pdf

Solche Instrumente können wirken, müssen aber nicht, außerdem sind sie weitgehend unerprobt;
pauschal kann man da leider keine Aussage machen.

Zu deiner Frage bzgl. Bundesschatzbriefen; das hat sich erledigt, weil es die ab 2013 nicht mehr gibt, die bestehenden laufen aus, neue werden nicht ausgegeben.

Solltest du deutsche Staatsanleihen meinen, so wird deren Höhe durch ein Versteigerungsverfahren bestimmt; es gibt sowohl Verfahren, bei dem das ausgebende Institut den Zins vorgibt und die Interessenten mit Volumen bieten, als auch Verfahren, bei dem das Institut das gewünschte Volumen vorgibt und die Interessenten einen Zins bieten. Wie genau das im Moment geregelt wird kann ich dir jetzt nicht diret sagen, da wird oft gewechselt.

EDIT: Für den Endkunden halten die Banken vermutlich einfach diverse Auflagen vor, aus Gründen der Bequemlichkeit.

Wegen der Inflation: die Nullinflation wird von der Zentralbank gemieden, da man dann in Steuerungsprobleme kommen kann, Stichwort Liquiditätsfalle. Aber du hast recht, die Trennung zwischen Zentralbank und Regierung besteht eben aus dem Grund, die Politik davon abzuhalten, Arbeitsmarktpolitik mittels der Zentralbank zu machen. Dieser Konflikt kommt bei den USA zum Tragen, da hier die FED auch das Mandat hat, Arbeitmarktpolitk zu betreiben.


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