Religion
09.12.2004 um 22:11
Ich habe hier einen Text reingesetzt den solltet ihr euch alle mal durchlessen damit diese sinlose Diskusion einbischen Niveau bekommt. Den Text habe ich aus den Internet kopiert den hatte ich in ener Textdatei gespeichert ich kene die Seite nicht mehr wo ich ihn her hatte. Viel spaß beim lessen.
Ulrike Stölting
Alle Religionen sind wahr – sie sind wie Feuer und Wasser
Verlauf, Eigentümlichkeit und Gesetzmäßigkeiten von Inkultura-tionsprozessen in Indien, darge-stellt am Beispiel der Theologie des Francis D'Sa S.J.
1. Inkulturationsprozesse im Christentum
Seit Beginn seiner Geschichte finden sich innerhalb des Christentums Inkulturati-onsprozesse, schon z.B. in neutestamentli-cher Zeit im Übergang von einem palästini-schen zu einem diasporajüdischen und schließlich hellenistischen Christentum; und dies war nur der Anfang einer sich immer neu durchsetzenden Dynamik. Die hierbei zu beobachtenden Veränderungen der je früheren theologischen Konzeptio-nen, von Ethik, Praxis und Institutionen sind radikaler als in anderen Weltreligio
nen, die mehr an ihrer ursprünglichen kul-turellen Prägung festhalten. Die Inkultura-tionen im Christentum ermöglichten einer-seits seine tendenziell und z.T. faktische universale Ausbreitung, zum anderen aber werfen die radikalen Transformationen auch Fragen zur Identität von Glaube und Praxis auf.
Gegenwärtig verlaufen innerhalb des Chris-tentums neuartige Inkulturationsprozesse, die wohl noch tiefreichender sind als alle bisherigen. Auf Grund der Erfolge der weltweiten Mission – oft ein Begleitphäno-men der kolonialen Expansion Europas – leben heute rund zwei Drittel aller Christen und drei Viertel aller Katholiken in Asien, Afrika, Ozeanien und Lateinamerika. Sie bringen in das, wie manche dort kritisch anmerken, „importierte Christentum“ ihre ererbten kulturellen und religiösen Menta-litäten, Vorstellungen und Praktiken ein. Diese haben meist keinerlei gemeinsame Geschichte mit dem in westlicher Gestalt auftretenden Christentum und verändern, trotz der noch bestehenden ideologischen, institutionellen und ökonomischen Domi-nanz der westlichen Kirchen, die Art des neuen Christentums.
Diese Inkulturationsvorgänge sind dort besonders radikal, wo nicht nur – wie z.B. in Afrika, Ozeanien und in der Indiobevöl-kerung Lateinamerikas – gänzlich oder weitgehend schriftlose Traditionen mehr unmerklich ihre Einflüsse entfalten, son-dern wo alte Schriftkulturen und –reli-gionen – wie in China und Indien – auf christliche Theologie und Wertvorstellun-gen treffen. Dies lässt sich besonders deut-lich im indischen Kulturraum beobachten, wo sich das Christentum, anders als in China, relativ frei entfalten konnte.
In Indien sind zwei große und umfassend verschriftete Religionen miteinander kon-frontiert, die gegensätzlicher nicht sein könnten: Hinduismus und Christentum. Von daher ergeben sich große Schwierigkei-ten, wenn Theologen beide miteinander zu verbinden suchen.
2. Der kulturelle und religiöse Kontext
2.1 Der Hinduismus
Der Hinduismus im engeren Sinn orientiert sich an den Veden, die als kanonisch be-trachtet werden (sruti), hat aber auch ab Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtau-sends Motive der vorvedischen, agrarisch-vegetativ bestimmten Indus- bzw. Harrapa-Kultur sowie weitere Einflüsse aufgenom-men. Aus diesem Synkretismus entstand eine vielfältige Literatur – die Tradition (smriti) – und bis heute sehr plurale religi-öse Erscheinungsformen, die ohne norma-tives Dogma oder gemeinsame Institutio-nen blieben.
Der zentrale Kern der hinduistischen Tradition wird durch Strömungen repäsen-tiert, die sich an den Upanishaden bzw. der Vedanta (Ende der Veden) orientieren: Die Vedanta-Schulen. Im Sinne der Upa-nishaden ist Gott, Brahman, ein sachhaftes Prinzip hinter und in aller Wirklichkeit, das sich seiner nicht bewusst ist und auch nicht handeln kann. Die Einzelnen sehen sich in ihrem Selbst, dem Atman, diesem Brahman gegenübergestellt. Alles Unheil ist begründet in der Trennung vom eigenen Urgrund, in der Diastase der vom Brahman getrennten Existenz, somit in der leidvol-len Zweiheit. Erlösung, die jeder Einzelne selbst, ohne eine Hilfe von außen, anstre-ben muss, wird ansichtig nur als Aufhe-bung der Zweiheit in die Einheit des Allgot-tes. Zu diesem Ziel – ein überpersönlicher Glückszustand – führt nur ein Weg, auf dem man sich von allen Bindungen an die Welt, die Pluralität, andere Menschen und sich selbst löst, so dass kein Karman (so etwas wie eine noch vorhandene Restbin-dung) mehr gebildet wird und eine Wieder-geburt im Kreislauf der Existenzen (samsa-ra) entfällt.
Daneben aber finden sich henotheistische Konzepte im Vishnuismus und Shivaismus, vielfältige überregionale und regionale bzw. lokale Polytheismen sowie abergläubische Überzeugungen und Magie.
Viele sehen deswegen im Hinduismus mehr ein Nebeneinander verschiedener Religio-nen und bezweifeln, dass es den Hinduis-mus überhaupt gebe. Dennoch aber setzt sich in der Religionswissenschaft – und so sehen es auch gebildete Hindus – die Über-zeugung durch, dass es doch eine gemein-same Basis aller religiösen Ausformungen gibt, nämlich einen latenten oder auch deutlich formulierten Monismus, der alle Spielarten von Kulten lediglich als unter-schiedliche Varianten des Weges zu dem einen Göttlichen auffasst und somit zugleich relativiert und integriert. Auf der Basis dieses Monismus können sie alle recht konfliktfrei miteinander koexistieren: „Es gibt viele gats (Treppen), sie alle füh-ren hinab zu demselben Fluss Ganges.“
2.2 Das Christentum in Indien
Das Christentum besitzt in Indien eine alte Geschichte. Schon seit dem Ende des zwei-ten Jahrhunderts bildete sich in Südwest-Indien, im heutigen Bundesstaat Kerala, eine syrisch-christliche Kirche, die sog. Thomaschristen. Eine christliche Mission begann aber erst, als Portugal einige Kolo-nien an der indischen Küste gründete, bald folgten weitere europäische Handelskom-panien. Seit 1518 gibt es eine katholische Mission, 200 Jahre später begannen deut-sche Lutheraner, englische Baptisten, schließlich Anglikaner mit einer protestan-tischen Mission.
Die wechselvolle Kolonial- und Missionsge-schichte, in der im 17. Jahrhundert erste beachtliche Schritte zu einer Integration indischer Bräuche in die katholische Kir-che Indiens versucht wurden und am Ende des sog. Ritenstreits scheiterten, soll hier beiseite gelassen werden. Heute umfasst das Christentum in Indien, inklusive sog. Anhänger, nicht ganz 40 Millionen Men-schen (rund 4 % der Bevölkerung), davon zur Hälfte Katholiken.
2.3 Monismus und Monotheismus in Indien
In Indien begegnen sich zwei Religionen, die gänzlich gegensätzlich sind. Diese Ge-gensätzlichkeit gründet vor allem in den divergenten religiösen Entwürfen, die sie vertreten: Monotheismus und Monismus, mit allen dazu gehörenden Faktoren.
Der Monotheismus setzt in der Gottesidee das Personale, also Besondere und Einma-lige, absolut, unter welchen Bildern auch immer (Eschatologie, Gericht, Schöpfung, Relevanz der Ethik usf.) und hofft auf die Gültigkeit von Geschichte und Person. Im Christentum wird diese Struktur noch ra-dikalisiert durch die Christologie, der zu Folge ein geschichtlich einmaliger Mensch, der jüdische Wanderprediger Jesus, letzte Heilsrelevanz besitzt. Der Monismus dage-gen sieht in und hinter aller pluralen Wirk-lichkeit das eine sachhafte göttliche Prin-zip. Alle pluralen Konkretionen in Natur und Geschichte, auch die Indvidualität des Menschen, sind vorübergehende Manifesta-tionen des All-Gottes, in dessen Identität sie wieder zurückfallen; nicht das und der Einzelne fasziniert, sondern das All-Eine. Der Monismus sieht alles Leid beendet, wenn die gesonderte Existenz, die Person, im All-Einen wieder aufgehoben ist.[1]
Die Konfrontation beider Denkweisen gilt auch für Hinduismus und Islam, der sich seit dem frühen 9. Jahrhundert zuneh-mend in Indien ausbreitete und bis rund 1700 fast den ganzen Subkontinent be-herrschte. Diese beiden Religionen aber leben weithin von einander abgeschottet. Wirkliche und beachtenswerte Inkulturati-onsprozesse verliefen zunächst, auf Grund des kolonialen Anpassungsdrucks, inner-halb hinduistischer Reformbewegungen seit dem 19. Jahrhundert – und gegenwär-tig vor allem im indischen Christentum.
2.4 Christliche Inkulturation in Indien
Die meisten Christen in Indien werden wohl entsprechend den ihnen von Missio-naren vorgegebenen konfessionellen Mus-tern leben, zugleich aber dabei sehr stark von der hinduistischen Umwelt, ihren Mentalitäten und Bräuchen beeinflusst sein. Die Theologie aber ist gezwungen, eine Art von theoretischer Synthese zu versu-chen.
Noch in der Kolonialzeit bemühte sie sich, unter dem Einfluss der Dominanz der eu-ropäischen Kultur und Zivilisation, den Hinduismus mit seinen großartigen Tradi-tionen und Literaturen im Sinne einer Vorbereitung auf die Ankunft des Christen-tums zu verstehen (Schema: Verheißung und Erfüllung) und aufzuwerten. Schon Rudolf Otto aber hatte 1930 festgestellt, dass trotz aller Analogien die indische Reli-gion um eine andere Achse schwinge als die biblische und dass beide sich darum nicht verhalten wie >Vorbereitung< und >Erfül-lung<.“[2] In diesem Sinn kritisiert der indi-sche Theologe Ignatius Puthiadam diese Theologie als „Erfüllungstheologie.“[3] Im Stolz auf die eigene große Vergangenheit und in der Erfahrung der radikalen Min-derheitensituation der Christen wird ein gleichberechtigtes Neben- und Miteinander der Religionen gefordert; man möchte Christ und Hindu zugleich sein. In beiden Religionen, sagen diese Theologen, geschah Offenbarung Gottes, und die europäische christliche Theologie muss im Licht der indischen religiösen Tradition verstanden werden.
Versuche dieser Art werden von nicht we-nigen Theologen aller Konfessionen unter-nommen. Ihre Eigenart soll an Hand der Theologie von Francis D’Sa exemplarisch erläutert werden, weil er – mehr als andere – seine Konzepte, in englischer und deut-scher Sprache, auch außerhalb Indiens ver-tritt.
3. Die inkulturierte christliche Theologie bei Francis Xaver D’Sa S.J.
3.1 Zum wissenschaftlichen Werdegang
Francis Xavier D’Sa gehört zu den profilier-testen Vertretern einer jüngeren Generati-on von Theologen, die sich um eine ernst-hafte Vermittlung christlicher und hinduis-tischer Traditionen bemüht. Geboren 1936 in der Ortschaft Gokak Falls im Westen In-diens, wuchs er in einer seit etwa vierhun-dert Jahren ansässigen streng katholischen Familie auf und trat mit siebzehn Jahren in die Gesellschaft Jesu ein. Rückblickend spricht D’Sa von seinem damaligen „Kon-servatismus“, der sich bei ihm noch einmal verhärtet habe durch seine Ausbildung bei spanischen Jesuiten. Erst sein Studienauf-enthalt in Österreich (Innsbruck) während der Konzilsjahre habe ihm geholfen, die „Scheuklappen“ abzulegen und sich ande-ren Religionen zu öffnen. Gemeint ist hier vor allem der Hinduismus, dessen Ge-schichte und Literatur Francis D’Sa – ähn-lich wie Mahatma Gandhi die Bhagavadgita – erst im Ausland kennen und verstehen lernte.
Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2002 hatte Francis D’Sa eine Professur für indi-sche Religionen und Philosophie am „Inana Deepa Videapeeth“ in Poona inne und war zudem Direktor des katholisch-jesuitischen Instituts „For the Study of Religion“ in Snehasadan. Diese Einrichtung für schon examinierte Theologen wurde 1973 von Francis D’Sa gegründet und dient der Er-forschung hinduistischer Traditionen wie auch der Förderung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs. Seit dem SS 2003 lehrt D’Sa als Gastprofessor für Missions-wissenschaft und interkulturelle Theologie an der Universität Würzburg, im WS 2003/04 im Rahmen von „Theologie inter-kulturell“ an der Universität Frankfurt.
Seine Interessen gelten vor allem herme-neutischen und exegetischen Fragen zur hinduistischen religiösen Literatur sowie interkulturellen Themen. Dieser Beitrag bezieht sich primär auf solche Publikatio-nen, in denen seine Theologie als eine Verknüpfung christlicher und hinduisti-scher Tradition und Mentalität entfaltet wird.
3.2 Die Synthese von Hinduismus und Christentum
Francis D’Sa will, wie auch schon der 1959 verstorbene evangelische Theologe P. Chenchia, Hindu und Christ zugleich sein. Wenn D’Sa, der als Christ die eschatologi-sche Hoffnung des Menschen vertritt, zugleich sagt, dass die Welt des Samsara (Sanskrit: „die Wanderung durch die Wie-dergeburten“) auch ein wesentlicher Teil seiner Glaubenswelt geworden sei, wird die beinahe unlösbare Spannung zwischen bei-den religiösen Welten deutlich.
D’Sa ist sich der fundamentalen Andersar-tigkeit der beiden Religionen, die er ver-binden will, bewusst. „Die christliche Reli-gion betont den menschlichen (er meint: den geschichtlichen) Aspekt, der indische Dharma den kosmischen Aspekt. ... Der einzelne Mensch ist sekundär, ebenso auch die menschliche Gemeinschaft. Die Ganz-heit ist das Primäre.“ [4]
Ein Denken, für das die Geschichte und ihre handelnden Personen, das Singuläre, von größter Bedeutung ist, steht einem kosmischen Ganzheitsdenken gegenüber. D’Sa schließt sich, wenigstens grundsätz-lich, Letzterem an. Den westlichen Person-begriff hält er für „so sehr psychologisiert, dass ... das ontologische Reden von Person und Natur“[5] verborgen bleibe; er setzt auf die „Transpersonalität“ des Ganzen. Person meine nicht das seit der Aufklärung über-triebene Selbstverständnis des Menschen als Individuum, als verschlossenes Wesen, sondern Personsein bedeute ein Inter-Person-Sein. Diese Wirklichkeit nennt er, mit Raymond Panikkar, kosmotheand-risch[6]. Je mehr die kosmotheandrischen Beziehungen verwirklicht würden, desto tiefer werde das Personsein in richtiger Weise aufgefasst. Denn, so meint D’Sa: Person ist immer Inter-Person, Teil des kosmotheandrischen Ganzen.
Diese ganzheitliche Sicht wird für D’Sa die Folie, auf der alle christlichen Aussagen zu verstehen sind. Die Eigenart jedes Wesens fügt sich in die Eigenart der anderen Wesen ein. Es gibt nicht mehr Gott, Welt und Mensch, sondern nur eine Wirklichkeit, die aus den drei göttlichen, kosmischen und menschlichen Dimensionen besteht. Somit bedürfe unser herkömmliches Verständnis von Gott, Welt und Mensch einer Re-Vision. Der Transpersonalismus des Hinduismus begegne dem Personalismus des Christen-tums. Die Begegnung beider Strömungen führe – so zeige es schon der Entwurf des Hindu-Christen Panikkar – „in den Ozean der Realität.“[7]
Einzelmotive der religiösen Traditionen verlieren von daher ihre Bedeutung. Die nur scheinbare Relevanz konkreter Details der Glaubenslehren karikiert er in einem anschaulichen Beispiel:
„Jedes Mal wenn sich der Guru mit seinen Anhängern im Ashram beim Beten befand, da störte eine Katze die ganze Atmosphäre. So ordnete der Guru an, dass man vor dem Gebet die Katze anbinde. Nachdem der ver-ehrte Guru aus dem Leben geschieden war, pflegte man diese Gewohnheit fortzusetzen. Aber als auch die Katze starb, besorgte man eine neue Katze, um sie, getreu dem Wunsch des Gurus, vor dem Beten anzu-binden. Jahrhunderte später schrieben die Theologen hochwissenschaftliche Bücher darüber, wie es vom Wesen des Gebets her gesehen notwendig sei, eine Katze vor dem Beten anzubinden.“[8]
So kann D’Sa, der in vielen seiner Publika-tionen betont, dass er sich in beiden Religi-onen heimisch fühle, einander widerspre-chende Motive miteinander verbinden, z.B. die Relevanz des geschichtlichen Jesus und des Vishnu-Krishna-Mythos der Bhagavad-gita: „Für mich ist Jesus Christus die Wahrheit, der Weg und das Leben.“ Gleich-zeitig ist „der Glaube an Krishna für mich wichtig ..., um aus dem Kreislauf der Wie-dergeburt auszubrechen.“[9]
Für die Vereinbarkeit der beiden Religio-nen bezieht er sich oft auf den katholischen Theologen Panikkar. Dessen Bestreben sei gewesen, die Universalität jeder Wahrheit zu entdecken. Dazu unterziehe er das Wirk-lichkeitsverständnis einer Re-Vision, d.h. einer Sichtweise, die mögliche fremde Sichtweisen zulässt, um die eigene zu be-reichern. Dem Christentum werfe Panikkar zu Recht seine Engführung auf den Logos als vermeintlich einzigem Modus des Be-wusstseins vor. Der Ratio liege vielmehr der Bereich des Mythos zugrunde, der sich auf die Ebene der Bedeutsamkeit des Aus-gedrückten beziehe. So verschieden der My-thos bei verschiedenen Personen, Kultu-ren, Zeiten und Orten auch sein mag, es liege ihm doch eine verbindliche Einheits-erfahrung zugrunde, die wiedergewonnen werden könne. Die für den Menschen wahrnehmbaren Dimensionen dieser Grunderfahrung seien die kosmische und die menschliche. Sie zusammen manifestie-ren eine Tiefendimension, die einigend und göttlich ist. Die Einheit in der Vielheit ni-velliert nicht die Vielheit– so folgert D’Sa mit Bezug auf Panikkar – , sondern bringt sie erst zur Geltung.
Die Versuche D’Sas zu einer christlich-hinduistischen Synthese sollen an einigen zentralen Beispielen aufgezeigt werden.
3.3 Der inkulturierte Gott
Die christliche Gottesvorstellung ist – ein-mal abgesehen von der begrifflichen Un-schärfe, die die Trinitätslehre mit sich bringt, und den Vorbehalten der negativen Theologie – monotheistisch und personal. D’Sa führt in einem Kapitel über Gott aus: "Wesentlich älter als die personale Gottes-vorstellung ist die kosmische Ganzheits-vorstellung in den hinduistischen Traditio-nen ...". Schon die alten (scheinbar perso-nalen) vedischen Gottheiten interpretiert er – unpersonal – als "kosmisch-himmlische (göttliche) Funktionen"[10] . Erst recht gelte dies für die Upanishaden, in denen ›Gott‹ einfach ›das Ganze‹ (sarvam) sei: "Durch-weg ist die Bezeichnung (für Gott) ein Neutrum, ohne Ausnahme: das Ganze". Auch in der Bhagavadgita sei Gott Vishnu, der sich in Krischna offenbart, grundle-gend eine kosmische Größe[11] , wenn auch hier gewisse persönliche Züge hinzuträten. Auch die Avataralehren im Vishnuismus und dann auch im Shivaismus gehen auf eine kosmische Gottesvorstellung zurück[12] .
Unter dieser kosmischen Gottesvorstellung versteht D’Sa: "Gott ist allumfassend", er ist die Seele des Kosmos – er nennt sie "Welt-seele" –, und dieser sein "Leib"; insofern ist Gott die Wirklichkeit der Welt und doch nicht mit ihr identisch. Gott wie auch der Kosmos sind aber ›transpersonal‹[13] , über-persönlich.
Diese Gottesvorstellung hält D’Sa für tiefer und sachgerechter als die christliche, die ihm von seiner Tradition her als anthro-pomorph erscheinen muss; das Christen-tum müsse die tiefere Wahrheit erst entde-cken, dass Gott „ein All-Ganzer ist.“[14]
3.4 Der trinitarische Gott
Keine Auffassung wurde im indischen Christentum so intensiv und begeistert aufgegriffen wie die der Trinität. Francis D’Sa stellt an den Anfang seines Beitrags „Gott – Person oder Prinzip? Gottesbegriff im Werden der indischen Theologie“ die These auf, dass „der Anfang der Begegnung des Hinduismus mit dem Christentum im letzten Jahrhundert ... seinen Höhepunkt in einer trinitarischen Faszination“ zeigt[15]. Schon im 19. Jahrhundert erblickte der Reformhindu Keshab Chandra Sen (+1884) in den christlich trinitarischen Aussagen Übereinstimmungen mit der ei-genen Tradition; nach ihm argumentierten die hindu-christlichen Theologen Brahma-bandhav Upadhyay (1861-1907) und Rai-mon Panikkar (geb. 1918) ähnlich.
Neben Reihungen triadischer Gottesbilder, wie sie z.B. in der hinduistischen Lehre von einer Trimurti [Sanskrit = dreigestal-tig] vorkommen, der zufolge Gott eine Ein-heit von Brahman, Vishnu und Shiva ist [diese anscheinend personalen Gottheiten sind aber nur Manifestationen des einen göttlichen Seins, sie stehen für Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung], gibt es sogar noch ältere Vorstellungen, in denen der All-Gott, besser: das eine göttlich-sachhafte Prinzip, triadisch gedacht wird. Die Formel Saccidanandam (aus: sat = Sein, cit = Be-wusstsein oder besser: Gewusstheit, und ananda = Wonne) umschreibt Gott als tri-adische Einheit von Sein, Gewusstheit und Wonne, wobei die Begriffe sat, cit, ananda zwar transpersonal seien, aber personale Bedeutungsschattierungen aufweisen. „Keiner der drei (Begriffe) ist ein Prinzip; denn jeder bezieht sich ganzheitlich auf die höchste, das All umfassende Wirklichkeit und spricht ein anderes Gesicht dieser Wirklichkeit an.“[16]
Gegen den Einwand traditioneller christli-cher Theologen, die Trinitätslehre spreche dagegen von „Vater“, „Sohn“ und „Geist“ als von Personen und nicht von personali-sierten Formen des einen sachhaften Got-tes, führt D’Sa – wie in den meisten seiner Beiträge – hermeneutische Argumente ins Feld. Unvereinbar seien die hinduistische und christliche Tradition nur dann, wenn Begriffe von einer Kultur in die andere „extrapoliert“ würden; dabei laufe man Ge-fahr, die ursprüngliche Bedeutung des Beg-riffs zu verdecken. Für das Geheimnis, das die christliche Tradition Gott nenne, seien Begriffe notwendig, die „ganzheitlich sind, d.h. die ganze Wirklichkeit umfassen und noch darüber hinausgehen und darüber erhaben sind“[17] .
Ist der Transpersonalismus des Hinduis-mus letztlich aber mit dem Personalismus des Christentums vereinbar, sind der Drei-eine Gott und der All-Ganze gleichermaßen denkbar?
D’Sa hält dies für möglich. Die indisch-christliche Theologie habe, was die Trinität betrifft, eine Geschichte durchlaufen, in deren Verlauf sich Ansätze einer gelunge-nen Begegnung, wie z.B. bei Raimon Panik-kar, erkennen ließen.
3.5 Zur Christologie
Im monistischen Kontext der indischen Religion ist die in der Christologie ausge-sagte Einmaligkeit der Bedeutung des jüdi-schen Wanderpredigers Jesus schwer zu vermitteln. Zwar wurde und wird Jesus bewundert, vor allem wegen seiner sozialen Impulse, die in der hinduistischen Traditi-on zu kurz kommen. Jesu Liebesgebot und die Bergpredigt finden großen Widerhall (so z.B. bei Mahatma Ghandi). Jeder gläu-bige Hindu könne deswegen in seiner Nachfolge Christ sein, vor allem aber, weil hierbei Jesu Verkündigung – nicht seine historische Gestalt – im Vordergrund stehe.
Dennoch rezipiert D’Sa die Christologie. Für ihn geht es dabei aber nicht so sehr um Jesus, sondern um den Christus in ihm, der zugleich als Christus in uns und im Kosmos zu finden ist. Dieser „Christus in uns“ oder „kosmische Christus“ aber war nicht nur in Jesus verwirklicht, sondern auch in anderen religiösen Gestalten.
Jesus ist für D’Sa eine der vielen avataras des Göttlichen, sicher eine besonders her-vorragende und nachahmenswerte „Inkar-nation“, aber eben nicht eine singuläre o-der gar exklusive. Deswegen bevorzugen indische Theologen die Prädikate der christlichen Tradition, die ihrem Denken verwandt sind. Hierbei spielt vor allem die hellenistische Präexistenzchristologie eine Rolle (so schon bei Keshab Chandra Sen); Jesus ist – wie andere auch, allenfalls ein wenig mehr – göttlich.
D’Sa entfaltet seine christologischen Über-legungen vor dem Hintergrund der großen hinduistischen Literaturtraditionen. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass in Indien aus vorchristlicher wie aus christlicher Zeit Christus-Texte vorliegen, wenn diese auch nicht ausdrücklich christlich sind. Ob in den Veden, den Upanishaden, der Bhaga-vadgita, den Konzeptionen der Hinduis-musreformer oder den hindu-christlichen Ansätzen, in allen sei indirekt oder direkt von Christus die Rede. Ausdrücklich betont D`Sa: „Man lese diese Texte mit dem Be-wusstsein, dass sie von Christus Zeugnis ablegen!“[18] Zwar berücksichtigen diese Tex-te nicht die geschichtliche Dimension der Offenbarung – also den Mann aus Nazareth –, doch lehren die hinduistischen Traditio-nen umso deutlicher die Einheit von göttli-cher, menschlicher und kosmischer Di-mension.
D’Sa unterscheidet ausdrücklich zwischen dem zeitlosen Christus und dem zeitbeding-ten Menschen Jesus. Zwar sei der Mensch Jesus (der) Christus, doch Christus ist mehr als der Mensch Jesus. „Der ewige Christus darf nicht auf den zeitbedingten geschichtlichen Menschen Jesus reduziert werden, sonst würden wir die Göttlichkeit Jesu Christi verleugnen. Seit ewigen Zeiten ist der Christus ewiger Sohn Gottes, d.h. bevor der Mensch Jesus geboren wurde. Der Christus war immer Sohn Gottes, aber der Mensch Jesus wurde in die Sohnschaft aufgenommen.“[19] D’Sa geht davon aus, dass der „ewige“ Christus sich vollständig im Menschen Jesus offenbart hat. Jedoch be-zweifelt er, dass eine Kultur in ihrer ge-schichtlichen Bedingtheit in der Lage sei, sich diese vollständige Offenbarung voll-ständig bewusst zu machen bzw. sie voll-ständig auszudrücken. So habe sich Chris-tus auch in anderen Kulturen manifestiert. Das Christentum betone in der Christologie die geschichtliche Dimension der Offenba-rung, der Hinduismus dagegen die transge-schichtliche.
So gebe es eine Offenbarung in Jesus wie auch in Purusha, dem kosmischen Urmen-schen des Rigveda, aus dem alle Wirklich-keit – Götter, Welt und Menschen – ent-standen ist, und in Krishna, der Avatara Vishnus, und beide seien vollständig. Ihre Rezeption im geschichtlichen Glaubensho-rizont des Christentums betone aber nur den geschichtlichen Aspekt und vernach-lässige den transgeschichtlichen. Ebenso sei die Offenbarung in Purusha oder Krish-na vollständig, jedoch betone ihre Rezepti-on lediglich den transgeschichtlichen As-pekt und vernachlässige den geschichtli-chen. Beide können aber dadurch gewin-nen, dass sie sich gegenseitig ergänzen und korrigieren. Seitens der christlichen Tradi-tion würde dadurch das immerwährende Anwesen des Christus im Kosmos ernster genommen als bisher, seitens der hinduis-tischen Tradition könne die Begegnung mit der Offenbarung in Jesus bewusst machen, dass das Kastenwesen und die Behandlung der Kastenlosen der erhabenen Offenba-rung in Krishna widersprechen.
3.6 Biblische und hinduistische Schriften
Nach D’Sa sind nicht nur die biblischen, sondern auch Schriften der Hindu-Tradition – sruti und smriti – inspiriert. Hierbei unterscheidet er zwischen dem Ge-schriebenen und dem aus den Schriften Vorgetragenen, dem Gehörten. Der Inhalt des Geschriebenen ist eingegeben, in-spiriert, der des Gehörten ist ausgespro-chen, ex-piriert. Das Geschriebene ist aber nicht selbst Offenbarung, sondern deutet lediglich Gottes Offenbarung z.B. in Leben und Lehre Jesu. Die Sruti (das Hören) ist wichtig, insoweit sie vom Guru ausgespro-chen wird. Der Text als solcher ist unwich-tig. Wichtig aber sei, dass die Sruti richtig gehört und auswendig gelernt wird.
Im Mittelpunkt der christlichen Schriften stehe der geschichtliche Jesus, die hinduis-tische Tradition aber habe in diesem Sinn kein benennbares Zentrum der Offenba-rung, sondern ihre Symbolik sei vielfältig und drücke Ganzheit aus. Das geschichtli-che Moment sei in der Srutitradition nicht vorhanden. Der Hinduismus kenne deswe-gen auch keine unveränderlichen Glau-benssätze, ihr Angelpunkt liege im Ganzen, das sich in allen pluralen Varianten aus-drücke. Beide Arten von Schriften müssen sich ergänzen.
3.7 Christliches Gebet und hinduistische Meditation
Ganz im Sinn der christlichen Tradition ist für D’Sa das christliche Gebet trinitarisch strukturiert, insofern es „seine Mitte in Christus, seinen Ursprung in Gott und sei-nen Vollzug im Geist (hat).“[20] Aber er ver-steht darunter etwas anderes: Im Gebet ereignet sich die Präsenz des Ganzen. Oder besser: so sollte es sein. Denn nach ihm unterscheiden sich christliches Gebet und indische Meditation: Indische Meditation sei Einübung ins Heilswissen. Sie sei ge-prägt durch ein ausgesprochen enstati-sches, zentripetales Moment, konzentriere sich auf das Innere des Menschen und ris-kiere, das Äußere zu vernachlässigen. Das christliche Gebet dagegen zeichne sich durch ein ekstatisches, zentrifugales Mo-ment aus, es konzentriere sich auf das au-ßerhalb des Menschen Liegende und laufe Gefahr, die Innenwelt zu vernachlässigen – noch ganz abgesehen von der anthropo-morphen Struktur seiner Ausrichtung auf einen personal gedachten Partner, Gott.
Man solle sich in Gebet und Meditation vor allem bewusst werden, dass etwas mit ei-nem selbst, im eigenen Inneren, geschieht. Er fordert, dass sich beide Traditionen er-gänzen: das Gebet sei nur richtig, wenn es die Meditation einschließt und umgekehrt. Meditation ohne Gebet sei wie Liebe ohne Worte und Gebet ohne Meditation wie eine Symphonie von der Schallplatte. Die innere Befreiung durch die Meditation könne und solle auch zum Engagement nach außen führen – hier greift er die christliche Moti-vation auf. Alles äußere Engagement aber sei nur sinnvoll, wenn es zu einer inneren Befreiung führe oder diese zur Vorausset-zung habe.
4. Ein verändertes Christentum?
Diese wenigen Beispiele mögen genügen, um die Eigenart der inkulturierten Theolo-gie am Beispiel D’Sa zu kennzeichnen. Er steht damit nicht allein. Auch andere evan-gelische und katholische Theologen, die heute so etwas wie eine Wortführerschaft in den indischen Kirchen erworben haben, äußern vergleichbare Gedanken. Diese fin-den sich aber schon in Teilen der hinduis-tischen Reformbewegungen des 19. Jahr-hunderts und auch in der sog. Erfüllungs-theologie. Man darf also vermuten, dass sie in Zukunft die christliche indische Theolo-gie bestimmen werden – und auch Rezepti-onsmustern bei vielen indischen Christen entsprechen.
Das aus Europa überkommene Christentum und seine zentralen Motive werden in In-dien zunehmend in ihrer Kontingenz wahrgenommen und in das indische religi-öse Verstehen eingepasst. Dies führt zu einer tiefreichenden Veränderung des Christentums, die grundsätzlich die ihm inhärente Betonung der Gültigkeit von Ge-schichte, Person, des Besonderen in Frage stellt. Vor dem Hintergrund des kosmi-schen bzw. kosmotheandrischen Einheits-denkens erscheinen christliche Aussagen zu Gott, zur Christologie oder zur mensch-lichen Person, aber auch – oder erst recht: zu Eschatologie und zur Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit menschlichen Lebens – wie anthropomorphe Vorstellungen, die längst nicht die Tiefe der indischen Offen-barungstradition besitzen.
Inkulturation bringt notwendig ein neues Verstehen und neue Interpretationen her-vor, die in Indien radikaler sind als in der bisherigen christlichen Geschichte. Man muss erwarten, dass in Zukunft, vielleicht in einer neuen Form ökumenischer Dis-kussionen und Konzilien, darum gerungen werden muss, wenigstens rudimentäre Es-sentials der christlichen Identität nicht aufzugeben.
D’Sa entwickelt von seinem Ansatz her, wie schon einige Vorgänger, eine christliche Theologie des Hinduismus und aller Religi-onen, die faktisch eine Einbettung des Christentums in den indischen Monismus bedeutet.
Verständlicherweise lehnt er jeden Exklu-sivitätsanspruch des Christentums ab. Er polemisiert zu Recht gegen die Erklärung der päpstlichen Glaubenskongregation vom 6.8.2000 Dominus Iesus, in der für das Christentum – genauer: für die katholische Kirche – eine Exklusivität von Offenbarung und Heilsvermittlung behauptet wird; er ist überzeugt, dass diese Erklärung in weiten Teilen gegen ihn gerichtet gewesen sei.
Demgegenüber vertritt er selbst eine Positi-on, die – entsprechend neueren, aus Ame-rika kommenden Vorschlägen – als Religi-onspluralismus bezeichnet werden könnte: Gott, das Ganze, ist so umfassend, dass einzelne Religionen nur bestimmte Aspekte des Göttlichen wahrnehmen können, je nach der Brille, durch die sie sehen. Alle Religionen sind wahr, und erst in Summe kommen sie der Wahrheit des Göttlichen näher.
Diese Position entspricht bei D’Sa aller-dings der ererbten monistischen religiösen Tradition, die schon der Grund dafür ist, alle bunten Ausformungen des Hinduismus als verschiedene Epiphanien des All-Gottes und als spezifische Wege zu sehen, die alle zum selben Ziel führen. Auch das Christen-tum ist dann einer dieser Wege, der sogar etwas Spezifisches und Wichtiges, den Blick auf den Nächsten und das soziale Engage-ment, mit sich bringt. Diese Einordnung des Christentums als einen der Wege zu Gott, Jesus als Avatara ebenso wie Krish-na, gerät aber in die Nähe einer monisti-schen Relativierung des Besonderen und Geschichtlichen, das (bisher?) zur funda-mentalen Eigentümlichkeit des Christen-tums gehört.
Die Theologie von F.X. D’Sa ist ein wichti-ges Beispiel eines innerhalb des Christen-tums verlaufenden interreligiösen Dialogs bzw. Synkretismus, der zu einem neuen Nachdenken über die eigenen Grundlagen und ihre möglichen Begrenztheiten – aus dem Blickwinkel einer anderen Tradition – anstößt. Ein wirklicher Dialog steht erst an seinem Anfang.