GrandOldParty schrieb:Im Ernst: Man kann die Welt nur begrenzt ändern. Ich mache Menschen keinen Vorwurf, die zuerst an sich selbst denken und mit Absicht solche Viertel meiden und nicht dahin ziehen. Sicher kann man mit Absicht in solche Viertel ziehenm versuchen, die Community dort zu stärken usw.
Aber ist man ein Sozialarbeiter oder zuerst sich selbst verpflichtet?
Es ist verständlich und okay, wenn eine Familie nicht in eine Gegend ziehen möchte, wo es ständig Ärger mit Jugendgangs gibt. Oder eine alleinstehende Frau nicht an einen Ort, wo sie ständig auf aufdringliche und aggressive Typen trifft.
Oder eben jemand, der viel für seinen Wohlstand gearbeitet hat, sich nicht der großen Gefahr aussetzen möchte, sein Auto zerkratzt oder seine Wohnung ausgeräumt zu finden.
ABER:
Indem man nur Abgrenzung vollzieht, erhält man lediglich einen status quo, bestenfalls.
Es ist nicht zwingend notwendig, dass nun überall höher begüterte Leute in Problemviertel ziehen. Teilweise ist es auch gar nicht gewünscht, dass nun dort sehr viel Geld investiert wird, da die Bewohner keine Verdrängung oder eine Veränderung des ,,besonderen Lebens" in ihrem Viertel möchten.
Nimmt man beispielsweise in Hamburg das Schanzenviertel oder St. Pauli, so ist es von den dortigen Anwohnern selbst gar nicht gewünscht, dass nun so genannte ,,Reiche" dorthin ziehen, es widerspricht deren Lebensgefühl.
Um die Sicherheit und Lebensqualität in so genannten Problemvierteln zu verbessern gibt es aber andere Wege, die weitaus wirksamer sind und auch besser angenommen werden.
Beispielsweise das Etablieren von Freizeitmöglichkeiten.
Wenn quasi die einzige Möglichkeit zum sozialen Miteinander im gemeinsamen Saufen an der Bahnstation ist - wie sollen die Leute überhaupt die Fähigkeiten entwickeln, mehr aus sich zu machen?
Jugendprojekte, Vereine, im Falle von Migranten Sprach- oder Lernkurse über Deutschland - all solche Mittel wären ausgezeichnet zur Änderung des Problemviertels geeignet.
Oder die Investition in Begegnungsstätten, auch dies ist lohnend. Oftmals trifft man sich nach Ethnie und Kulturkreis, weil die Möglichkeit fehlt, jemand anders kennen zu lernen.
Natürlich könnte man auch auf der Straße mal gemeinsam zur Afrikanergruppe auf der anderen Seite gehen, auch wenn die eigenen Leute aus dem Orient kommen.
Oder mal zu den Deutschen, die sich häufig in der Kneipe aufhalten.
Aber das macht kaum jemand, weil es irgendwie nach Anbiederung aussieht, nach Eindringen...
Ein Ort, an welchem diese Begegnung ganz offiziell und unproblematisch möglich ist, weil es eben Grundsatz dieser Einrichtung ist, würde da viel mehr wirken.
Es gibt viele Wege.
Tja und nun nochmal zu deiner Frage, ob Sozialarbeiter oder sich selbst verpflichtet sei.
Ich sage: Allein schon in meinem eigenen, ganz persönlichen Interesse würde ich mich auch als ,,Reicher" aufgefordert fühlen, etwas positives gegen so genannte Problemviertel zu tun.
Denn wenn dies immer so weiter geht, wird das irgendwann auch auf mich zurückfallen, was dort für Verhältnisse herrschen.
Dann kommen die Jungs, die nichts zu tun und nichts zu verlieren haben, irgendwann auch in meine ,,noble" Gegend und zerstören mein Auto oder werfen meine Scheiben ein.
Dann wird irgendwann vielleicht aufgrund ständig wachsender Armut und steigender Kosten für Polizei, Sozialarbeit usw. zwangsläufig mein Geld genommen, um da etwas dran zu ändern.
Es ist nicht sinnvoll, einfach zu sagen:,,Geht mich nichts an, was andere für Probleme haben..."
Wir leben in einer GEMEINSCHAFT. Und in einer GEMEINSCHAFT geht es sehr wohl alle Gruppen und auch Einzelpersonen etwas an, wie es anderen Gruppen und Menschen aus welchen Gründen in dieser Gemeinschaft geht. Wie deren Leben aussieht.
Ich muss mich nicht um jeden einzelnen kümmern.
Und ich alleine muss auch nicht die Welt verändern.
Jedoch sollte jeder seinen Teil zur Gemeinschaft beitragen. Und dazu gehört mehr, als nur Steuern zu zahlen und zu konsumieren.
,,Der Mensch lebt nicht von Brot allein".
Soll heißen: Es hilft nichts, einfach nur jedem mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Entscheidend ist, wie und wo dies eingesetzt wird, was daraus gemacht wird.