Deutschland verkauft Saudi-Arabien ,,Leopard"-Panzer
14.07.2011 um 22:04Berlin/Riad - Es geht um eine Menge Geld. Etwa zwei Milliarden Euro - so viel sollen den Saudis 200 deutsche Panzer vom Typ "Leopard" wert sein. Die Bundesregierung hat den Deal bis heute nicht direkt bestätigt, die Opposition tobt: Mit einem so autoritären Regime wie Saudi-Arabien dürfe man angesichts der Lage in der Region keine Militärgeschäfte mehr machen, lautet ihr Vorwurf.
Nun hat sie eine neue Angriffsfläche gefunden. Denn Deutschland ist dem Golfstaat in Kooperation mit dem Rüstungskonzern EADS auch bei der Ausbildung von Sicherheitskräften behilflich - einem Bericht des "Stern" zufolge ein viel heiklerer Einsatz als bisher bekannt.
Und auch hier geht es um viel Geld: Zwei Milliarden Euro ist Saudi-Arabien nach Informationen des Magazins ein hochmodernes System zur Bewachung seiner 9000 Kilometer langen Grenze wert, für das nach langem Ringen 2008 der deutsch-französisch-spanische Rüstungskonzern EADS den Zuschlag bekam; genauer: die Sicherheitssparte "Cassidian" mit Sitz in München. Kräftig dabei mitgeholfen haben sollen dem Bericht zufolge der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), sein Staatssekretär August Hanning und SPD-Mann Frank-Walter Steinmeier, seinerzeit Außenminister, die auch die saudische Bedingung einlösten: Beamte der Bundespolizei sollten in Zusammenarbeit mit EADS-Leuten die Schulungen der Grenzschützer an dem neuen System übernehmen. Und genau das ist seit 2009 der Fall: 77 deutsche Polizisten werden in Saudi-Arabien eingesetzt, das musste die Bundesregierung auf eine aktuelle Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion einräumen.
Damals wie heute stand die Sicherheitskooperation mit den Saudis neben dem Großprojekt für EADS im Vordergrund. Von einer engen Partnerschaft erhoffen sich die Deutschen Hinweise von den Saudis in Sachen Terror. Dies hat sich aus Sicht der Verfechter des Deals zum Beispiel bei den schnellen Infos an die deutschen Behörden als nützlich erwiesen, als eine Warnung vor den im Jemen abgeschickten Paketbomben in den Frachtjets kam. Zudem hätten die Saudis im Fall der im Juni 2009 entführten deutschen Familie im Jemen geholfen.
Es bleiben Fragezeichen
Doch dem Bericht zufolge gibt es einige Fragezeichen in Bezug auf den Charakter des Bundespolizei-Einsatzes, die Bezahlung - und vor allem die Frage, wem die Beamten weisungsbefugt sind:
Offenbar unterrichten sie nicht nur "Standardmaßnahmen im Rahmen der Grenzüberwachung sowie die Methodik von Führungs- und Entscheidungsprozessen", wie die Koalition erläuterte, sondern werden auch als "Berater bei der Dienstausführung im Grenzeinsatz" genutzt. Sie sollen auch "weapons training", also Waffenübungen, mit den Saudis durchgeführt haben. Nach Darstellung des Innenministeriums allerdings geht es hierbei innerhalb des Trainings lediglich um eine Unterrichtseinheit, in deren Rahmen deutsche Polizisten ihre Schüler im sicheren Umgang mit Langwaffen trainierten. Schießübungen oder gar Training an Zielscheiben oder ähnlichem seien in dem Programm definitiv nicht enthalten.
Auf die Linken-Anfrage räumte die Bundesregierung bereits ein, dass die Auslandszulagen für den EADS-Job der Polizisten mit einem Umweg über ein örtliches Büro der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) bezahlt werden - ihres Zeichens die größte deutsche Entwicklungshilfeorganisation. Inzwischen belaufen sich dem "Stern" zufolge die Projektkosten auf 7,6 Millionen Euro. Demnach lagen die Gehälter der 2010 in Saudi-Arabien eingesetzten Beamten, vom Steuerzahler zu begleichen, bei 914.419 Euro.+Besonders heikel ist die Frage nach der Befehlskette. Die Beamten klagen offenbar zunehmend über "ständig neue Aufgaben für EADS", wie das Magazin aus einem internen Bundespolizei-Papier zitiert. Von den Saudis wiederum würden die Bundespolizisten "quasi als Subunternehmer von EADS angesehen", heißt es darin.
Die Opposition ist empört. Denn die Bundestagsfraktionen von SPD, Linke und Grünen fühlen sich auch in ihren parlamentarischen Rechten verletzt: Das Abkommen vom 17. Mai 2009 zwischen der Bundesrepublik und Saudi-Arabien, das überhaupt die Grundlage für den EADS-Deal bietet, wurde den Abgeordneten bisher nicht vorgelegt - damit ist es nicht ratifiziert. Er soll nun "demnächst in den Bundestag eingebracht werden", heißt es aus dem Innenministerium.
Besonders sauer sind die Grünen. Sie haben vergangene Woche einen Antrag im Bundestag eingebracht, in dem ein Ende der "Ausbildungstätigkeit der Bundespolizei in Saudi-Arabien" gefordert wird. Der Einsatz der deutschen Staatsdiener sei "in mehrerlei Hinsicht fragwürdig", heißt es in der Antragsbegründung, "in der Summe machen diese Bedenken eine Beendigung des Einsatzes von Beamten der Bundespolizei zwingend notwendig". Analog zum Panzer-Deal verweist der parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck abermals auf die Situation in Saudi-Arabien und der Region. "Es ist unsere Aufgabe, die Demokratiebewegung im arabischen Raum zu unterstützen", sagte er SPIEGEL ONLINE. "Deswegen dürfen wir es nicht zulassen, dass sich die deutsche Bundespolizei mittelbar an der Bekämpfung dieser Bewegung beteiligt."
Die Linkspartei ist ohnehin auf der Zinne, sie brachte mit ihrer parlamentarischen Anfrage überhaupt erst Bewegung in die Sache und bemängelte bereits vor Wochen, dass der Dienst der Bundespolizisten "faktisch allein dem EADS-Konzern zugute kommt".
Aber auch aus der SPD regt sich inzwischen Widerstand, trotz der Rolle ihres aktuellen Fraktionschefs Steinmeier bei der Anbahnung des Deals. "Es kann nicht sein, dass unsere Bundespolizisten von EADS wie Handlanger wahrgenommen werden", sagte der SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann SPIEGEL ONLINE. Er fordert die "schnellstmögliche und vollständige Aufklärung des Bundestags-Innenausschusses und ein parlamentarisches Verfahren". Ansonsten, sagt Hartmann, wäre das nicht weniger als "ein Verfassungsbruch".
Im Bundesinnenministerium zeigt man sich nach dem Bericht des "Stern" überrascht über die politische Aufregung. Demnach habe man über das Sicherheitsabkommen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien schon einen Tag nach der Unterzeichnung in Riad mit einer Pressemitteilung berichtet, sagte ein Sprecher. Von einer geheimen Aktion der Regierung oder des Ministeriums könne deswegen keine Rede sein. Auch die Polizeiausbildung von saudischen Kräften durch die deutsche Polizei sei in der Mitteilung bereits erwähnt worden.
Warum das Abkommen bisher noch nicht durch das deutsche Parlament ratifiziert oder zumindest den Abgeordneten des Innenausschusses vorgelegt worden war, blieb hingegen offen. Intern verlautete, es sei misslich, dass dies noch nicht geschehen sei. Gleichwohl aber hält man den Beginn der Ausbildung durch das deutsche Polizeigesetz für legitimiert, das Training durch deutsche Polizisten im Ausland ausdrücklich erlaube.
Quelle: Spiegel.de
Nun hat sie eine neue Angriffsfläche gefunden. Denn Deutschland ist dem Golfstaat in Kooperation mit dem Rüstungskonzern EADS auch bei der Ausbildung von Sicherheitskräften behilflich - einem Bericht des "Stern" zufolge ein viel heiklerer Einsatz als bisher bekannt.
Und auch hier geht es um viel Geld: Zwei Milliarden Euro ist Saudi-Arabien nach Informationen des Magazins ein hochmodernes System zur Bewachung seiner 9000 Kilometer langen Grenze wert, für das nach langem Ringen 2008 der deutsch-französisch-spanische Rüstungskonzern EADS den Zuschlag bekam; genauer: die Sicherheitssparte "Cassidian" mit Sitz in München. Kräftig dabei mitgeholfen haben sollen dem Bericht zufolge der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), sein Staatssekretär August Hanning und SPD-Mann Frank-Walter Steinmeier, seinerzeit Außenminister, die auch die saudische Bedingung einlösten: Beamte der Bundespolizei sollten in Zusammenarbeit mit EADS-Leuten die Schulungen der Grenzschützer an dem neuen System übernehmen. Und genau das ist seit 2009 der Fall: 77 deutsche Polizisten werden in Saudi-Arabien eingesetzt, das musste die Bundesregierung auf eine aktuelle Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion einräumen.
Damals wie heute stand die Sicherheitskooperation mit den Saudis neben dem Großprojekt für EADS im Vordergrund. Von einer engen Partnerschaft erhoffen sich die Deutschen Hinweise von den Saudis in Sachen Terror. Dies hat sich aus Sicht der Verfechter des Deals zum Beispiel bei den schnellen Infos an die deutschen Behörden als nützlich erwiesen, als eine Warnung vor den im Jemen abgeschickten Paketbomben in den Frachtjets kam. Zudem hätten die Saudis im Fall der im Juni 2009 entführten deutschen Familie im Jemen geholfen.
Es bleiben Fragezeichen
Doch dem Bericht zufolge gibt es einige Fragezeichen in Bezug auf den Charakter des Bundespolizei-Einsatzes, die Bezahlung - und vor allem die Frage, wem die Beamten weisungsbefugt sind:
Offenbar unterrichten sie nicht nur "Standardmaßnahmen im Rahmen der Grenzüberwachung sowie die Methodik von Führungs- und Entscheidungsprozessen", wie die Koalition erläuterte, sondern werden auch als "Berater bei der Dienstausführung im Grenzeinsatz" genutzt. Sie sollen auch "weapons training", also Waffenübungen, mit den Saudis durchgeführt haben. Nach Darstellung des Innenministeriums allerdings geht es hierbei innerhalb des Trainings lediglich um eine Unterrichtseinheit, in deren Rahmen deutsche Polizisten ihre Schüler im sicheren Umgang mit Langwaffen trainierten. Schießübungen oder gar Training an Zielscheiben oder ähnlichem seien in dem Programm definitiv nicht enthalten.
Auf die Linken-Anfrage räumte die Bundesregierung bereits ein, dass die Auslandszulagen für den EADS-Job der Polizisten mit einem Umweg über ein örtliches Büro der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) bezahlt werden - ihres Zeichens die größte deutsche Entwicklungshilfeorganisation. Inzwischen belaufen sich dem "Stern" zufolge die Projektkosten auf 7,6 Millionen Euro. Demnach lagen die Gehälter der 2010 in Saudi-Arabien eingesetzten Beamten, vom Steuerzahler zu begleichen, bei 914.419 Euro.+Besonders heikel ist die Frage nach der Befehlskette. Die Beamten klagen offenbar zunehmend über "ständig neue Aufgaben für EADS", wie das Magazin aus einem internen Bundespolizei-Papier zitiert. Von den Saudis wiederum würden die Bundespolizisten "quasi als Subunternehmer von EADS angesehen", heißt es darin.
Die Opposition ist empört. Denn die Bundestagsfraktionen von SPD, Linke und Grünen fühlen sich auch in ihren parlamentarischen Rechten verletzt: Das Abkommen vom 17. Mai 2009 zwischen der Bundesrepublik und Saudi-Arabien, das überhaupt die Grundlage für den EADS-Deal bietet, wurde den Abgeordneten bisher nicht vorgelegt - damit ist es nicht ratifiziert. Er soll nun "demnächst in den Bundestag eingebracht werden", heißt es aus dem Innenministerium.
Besonders sauer sind die Grünen. Sie haben vergangene Woche einen Antrag im Bundestag eingebracht, in dem ein Ende der "Ausbildungstätigkeit der Bundespolizei in Saudi-Arabien" gefordert wird. Der Einsatz der deutschen Staatsdiener sei "in mehrerlei Hinsicht fragwürdig", heißt es in der Antragsbegründung, "in der Summe machen diese Bedenken eine Beendigung des Einsatzes von Beamten der Bundespolizei zwingend notwendig". Analog zum Panzer-Deal verweist der parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck abermals auf die Situation in Saudi-Arabien und der Region. "Es ist unsere Aufgabe, die Demokratiebewegung im arabischen Raum zu unterstützen", sagte er SPIEGEL ONLINE. "Deswegen dürfen wir es nicht zulassen, dass sich die deutsche Bundespolizei mittelbar an der Bekämpfung dieser Bewegung beteiligt."
Die Linkspartei ist ohnehin auf der Zinne, sie brachte mit ihrer parlamentarischen Anfrage überhaupt erst Bewegung in die Sache und bemängelte bereits vor Wochen, dass der Dienst der Bundespolizisten "faktisch allein dem EADS-Konzern zugute kommt".
Aber auch aus der SPD regt sich inzwischen Widerstand, trotz der Rolle ihres aktuellen Fraktionschefs Steinmeier bei der Anbahnung des Deals. "Es kann nicht sein, dass unsere Bundespolizisten von EADS wie Handlanger wahrgenommen werden", sagte der SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann SPIEGEL ONLINE. Er fordert die "schnellstmögliche und vollständige Aufklärung des Bundestags-Innenausschusses und ein parlamentarisches Verfahren". Ansonsten, sagt Hartmann, wäre das nicht weniger als "ein Verfassungsbruch".
Im Bundesinnenministerium zeigt man sich nach dem Bericht des "Stern" überrascht über die politische Aufregung. Demnach habe man über das Sicherheitsabkommen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien schon einen Tag nach der Unterzeichnung in Riad mit einer Pressemitteilung berichtet, sagte ein Sprecher. Von einer geheimen Aktion der Regierung oder des Ministeriums könne deswegen keine Rede sein. Auch die Polizeiausbildung von saudischen Kräften durch die deutsche Polizei sei in der Mitteilung bereits erwähnt worden.
Warum das Abkommen bisher noch nicht durch das deutsche Parlament ratifiziert oder zumindest den Abgeordneten des Innenausschusses vorgelegt worden war, blieb hingegen offen. Intern verlautete, es sei misslich, dass dies noch nicht geschehen sei. Gleichwohl aber hält man den Beginn der Ausbildung durch das deutsche Polizeigesetz für legitimiert, das Training durch deutsche Polizisten im Ausland ausdrücklich erlaube.
Quelle: Spiegel.de