Und weiter gehts mit Teil II der Bürgerverarschung. Fraglich, wie lange wir uns sowas noch gefallen lassen müssen.
Die Mogelpackung der deutschen Banken
Die Banken beteiligen sich an der Rettung der Griechen. Behaupten sie zumindest. In Wirklichkeit lassen sie sich vom Staat teilweise auszahlen - und bekommen dafür auch noch großes Lob.
03. Juli 2011 2011-07-03 10:11:19
Stellen Sie sich vor, wir retten die Griechen - und keiner macht mit. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann stellt sich vor die Kameras und verkündet, dass die Banken es sich nicht leisten können, den Griechen noch mehr Kredit zu geben. Und die Chefs der großen Versicherungen, die eigentlich viel Geld zu vergeben hätten, schütteln den Kopf: Sie seien schließlich nicht wahnsinnig und außerdem ihren Versicherten verantwortlich.
Undenkbar? Einerseits ja: Solch ehrliche Worte fallen in der Öffentlichkeit nicht. Andererseits nein: Denn nichts anderes passiert gerade in Deutschland, als dass die Steuerzahler allein weiter retten. Nur behaupten Politik und Banken das Gegenteil, damit es die Leute nicht merken.
Erst gibt es laute Appelle des Finanzministers, darauf folgen kleine und große Treffen. Schließlich verkünden der Finanzminister und der oberste Banker der Republik am vergangenen Donnerstag, dass es geschafft ist: Die Banken beteiligen sich - freiwillig (siehe Banken sollen Athen mit 3,2 Milliarden Euro helfen). Die Finanzwirtschaft habe an einer Lösung mitgearbeitet, weil sie sich in der Verantwortung sehe, lobt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann, sich selbst. Das klingt gut - viel zu gut.
Denn es ist äußerst fraglich, ob das Modell, auf das sich die Finanzwirtschaft mit der Politik verständigt hat, tatsächlich den Rettern hilft - oder vielleicht doch wieder nur den Banken. „Ich sehe die große Gefahr, dass das eine Mogelpackung wird, die den Steuerzahler am Ende nicht entlastet, sondern belastet“, sagt Clemens Fuest, Finanzwissenschaftler in Oxford. Durch die komplizierte Konstruktion der Bankenbeteiligung werde das womöglich nur noch verschleiert.
Irreführendes Modell
Im Detail ist noch nicht bekannt, wie die Lösung aussieht - daran wird noch gearbeitet. Doch eins hat Josef Ackermann klargestellt: Sie wird sich am französischen Modell orientieren. Das ist reichlich kompliziert (siehe Grafik) und erreicht damit vor allem eins: Die Beteiligung der Banken sieht größer aus, als sie ist. Im Fall der deutschen Banken geht das französische Modell so: 3,2 Milliarden Euro werden sie geben, so wurde es verkündet.
Davon stammen allerdings 1,2 Milliarden von Banken, die sowieso schon in Staatshand sind, wie die Abwicklungsanstalt der Pleitebank HRE. Die verbleibenden 2 Milliarden sind erst einmal nur die Summe der Griechenland-Papiere der Banken, die bis 2014 auslaufen. Diese 2 Milliarden erhalten die Banken also zunächst von Griechenland zurück. Dann aber sollen sie das Geld in neue griechische Staatsanleihen investieren, die - so das Modell der Franzosen - eine Laufzeit von 30 Jahren haben. Allerdings nicht komplett, sondern nur zu 70 Prozent. 30 Prozent behalten die Banken in bar.
Es ist also irreführend, wenn der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, Michael Kemmer, sagt: „Mit ihrem Beitrag von 3,2 Milliarden Euro beteiligt sich die deutsche Finanzwirtschaft zu 100 Prozent ihrer bis 2014 fälligen Investments an der Lösung der Griechenland-Krise - und mehr als 100 Prozent geht nicht.“ Es sind nur 70 Prozent - und mehr als 70 Prozent ginge sehr wohl.
Investoren werden belohnt
70 Prozent, das sind nur noch 1,4 Milliarden Euro für die Griechen. Und auch dabei bleibt es nicht. Denn die Griechen müssen davon wiederum 30 Prozent gleich weiterreichen an eine Finanzierungsgesellschaft. Die kauft von dem Geld - rund 420 Millionen Euro - sehr sichere Anleihen, etwa vom Europäischen Rettungsfonds oder von der europäischen Investitionsbank. Diese Anlagen sollen als Sicherheit dafür dienen, dass die Griechen tatsächlich die über 30 Jahre laufenden Staatsanleihen an die Banken zurückzahlen.
So ist es nur noch knapp eine Milliarde Euro, die die Griechen tatsächlich von den deutschen Banken erhalten. Das ist etwa die Hälfte dessen, was ihre bis 2014 auslaufenden bisherigen Griechen-Anleihen ursprünglich wert waren. Ein Opfer ist das für die Banken nicht. Denn erstens ist die eine Milliarde nicht verloren, solange die Griechen nicht pleitegehen. Und sie bringt auch noch deutlich höhere Zinsen als die auslaufenden Griechenland-Bonds. Zweitens sind die auslaufenden Anleihen am Markt sowieso nicht mehr viel wert.
Das wissen die Banker selbst am besten. Während Josef Ackermann auf großer Bühne von dem „substantiellen Beitrag“ spricht, den seine Branche leistet, haben Analysten seiner Bank längst berechnet: Das französische Modell lohnt sich für die Investoren. Ihre Griechenland-Bonds sind seit der drohenden Pleite des Landes auf dem Markt deutlich im Wert gesunken. Würden die Banken sie jetzt verkaufen, würden sie nur etwa 74,7 Prozent des Ursprungswerts erhalten, rechnen die Analysten vor. Der Transfer des Geldes in das französische Modell macht das besser. Denn für die Investoren hat es einen Gegenwartswert von 74,6 bis 85 Prozent - je nachdem, wie gut sich die griechische Wirtschaft entwickelt und wie hoch die daran gekoppelten Zinsen sind. „Dies ist ein Anreiz dafür, dass viele Investoren an dem Modell teilnehmen werden“, schreiben die Analysten.
Steuerzahler bewahrt die Banken vor Verlusten
Man kann es aber auch viel simpler betrachten: Ohne die Hilfe der EU-Steuerzahler wäre Griechenland längst pleite und müsste umschulden. Und ob die Banken in so einem Falle 50 Prozent ihres verliehenen Geldes sicher zurückbekommen würden mit Aussicht auf bis zu 80 Prozent, ist fraglich. Der Steuerzahler bewahrt also durch die Griechen-Rettung die Banken vor Verlusten. Dafür bekommt er wenig zurück.
Das einzige Zugeständnis, das die Banken sich nun leisten, ist, dass sie Verluste, die jetzt schon da sind, auch in ihre Bücher schreiben. Vielfach haben sie ihre Griechenland-Bonds nämlich noch zum Ursprungswert in ihren Bilanzen angesetzt - und müssen das korrigieren, wenn sie sich dem französischen Modell anschließen. Der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick, sagt: „Ergebniswirksam werden für die Banken nur einige hundert Millionen. Das ist die Zahl, die eigentlich kommuniziert werden müsste.“
Doch Finanzminister Wolfgang Schäuble möchte den Wählern etwas anderes verkaufen. „Der Finanzminister möchte die Steuerzahler beruhigen und bläst darum die Sache enorm auf“, sagt Schick. „Das ist wie bei der HRE. Damals hat man rausposaunt, wie toll sich die Banken an deren Rettung beteiligen. Dabei haben die Banken am Ende sogar Geld damit verdient.“ Der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands sagt: „Natürlich ist eine Bank berechtigt, Zugeständnisse zu machen, wenn dadurch eine gefährliche Situation wie die in Griechenland stabilisiert wird. Das kann sie auch ihren Aktionären verkaufen.“ Schade nur, dass das nicht passiert.
Quelle:
http://www.faz.net/artikel/S30638/europas-schuldenkrise-die-mogelpackung-der-deutschen-banken-30453773.html#8D8113CFF2E440CA9EEDEDA21C4A0BD5 (Archiv-Version vom 04.07.2011)