WikiLeaks: 90.000 geheime Afghanistan-Dokumente ab heute online
01.12.2010 um 03:19Der meistgesuchte Mann des Planeten
Eine sichere Zuflucht kann Julian Assange im Moment gut gebrauchen. Da klingt das Angebot aus Ecuador verlockend: die Regierung bietet dem Kopf der Enthüllungsplattform Wikileaks Asyl an.
„Wir sind bereit, ihm ein Aufenthaltsrecht in Ecuador anzubieten, ohne Probleme und ohne Bedingungen“, sagte der stellvertretende Außenminister, Kintto Lucas. Ein Angebot, das – selbst wenn es ernst gemeint ist – Tücken hat: Ein Flugzeug wird Assange im Moment schlecht besteigen können.
Die schwedische Justiz hat internationalen Haftbefehl gegen Assange erwirkt, um ihn zu Vorwürfen wegen Vergewaltigung und sexueller Belästigung anzuhören, die gegen ihn von zwei Frauen in Schweden erhoben werden. Assange hatte sich nach Darstellung seines Anwaltes während seines Aufenthaltes in Schweden zu den Vorwürfen äußern wollen. Er habe aber keinen Termin bei der Staatsanwaltschaft bekommen und sei dann ausgereist.
USA und Australien bereit zur Jagd
Nach der Veröffentlichung der ersten von insgesamt mehr als 250.000 US-Botschaftsdepeschen dürfte der 39 Jahre alte Assange zu den meistgesuchten Menschen auf dem Planeten zählen. Die USA sprachen von einem „schweren Verbrechen“ und prüfen ein Strafverfahren gegen ihn wegen Geheimnisverrats. Australien, Assanges Geburtsland, habe der US-Regierung volle Unterstützung bei einer Strafverfolgung des Enthüllungsportals und seines Mitbegründers zugesichert, sagte Australiens Justizminister Robert McClelland in Canberra. Auch ein Untersuchungsausschuss der Regierung werde sich mit den Dokumenten beschäftigen.
Mit den sich verschärfenden Bemühungen der Behörden dürfte sich der Bewegungsspielraum Assanges deutlich eingeschränkt haben. Wo er sich derzeit aufhält, ist nicht bekannt. Die Übergabe der Wikileaks zugespielten Depeschen an Medienpartner erfolgte schon im Sommer in London.
Auch Kollegen wenden sich ab
Assange ist offenbar auch bei Wikileaks zunehmend isoliert. Wie schon der frühere deutsche Sprecher Daniel Domscheit-Berg hätten auch fast alle Gründungsmitglieder das Netzwerk verlassen. Domscheit-Berg kündigte an, Mitte Dezember werde ein alternatives Enthüllungsportal ins Netz gehen, bei dem Verantwortung und Macht „möglichst weit aufgeteilt“ würden, wie er der taz sagte. An Wikileaks kritisierte er, es sei nicht nachvollziehbar, wann welches Dokument warum veröffentlicht werde. Einen Namen hat das neue Projekt noch nicht.
Die Übersendung neuer Geheimdokumente ist derzeit laut Homepage wikileaks.org nicht möglich – ehemaligen Mitstreitern zufolge schon seit September, weil die sichere Verschlüsselung nicht mehr möglich sei. Da Assange die Website über gemietete Server des Anbieters Amazon betreibe, könnten Geheimdienste einsehen, wer die Seite aufruft.
Wikileaks soll den Medien, die die US-Dokumente vorab bekamen, Bedingungen gestellt haben. Dazu soll nach einem Bericht der Washington Post auch die Zahlung von rund 100000 Dollar für den Fall einer Verletzung der vereinbarten Sperrfrist gehört haben. Hauptpartner von Wikileaks sind Spiegel, Guardian, El País, Le Monde und New York Times. Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo betonte, für das Material sei kein Geld geflossen. Per Twitter kündigte Wikileaks „Informationen an, wie andere Mediengruppen einen Sperrfrist-Zugang zu Cablegate-Informationen beantragen können“.