AL-Qaida - Gibt es diese Organisation?
06.01.2010 um 01:16
Die wissenschaftliche Bewusstseinskontrolle hat allerdings Wurzeln, die weit in die
Geschichte zurückreichen. In seinem Aufsatz über „Gehirnwäsche im Altertum“
beschreibt englische Schriftsteller und Mythenkenner Robert Graves (1895-1985) die
Rituale, mit denen griechische Jünglinge in die Mysterienkulte des alten
Griechenland eingeführt wurden. Die Methoden der Erzeugung von extremem
Stress, des weitgehenden Reizentzugs bzw. der gezielten Auswahl von Reizen und
der Stimmungsmanipulation durch Drogen, die Graves schildert, sind auch heute
noch wesentliche Bestandteile der Bewusstseinskontrolle.8
Marco Polo berichtete, wie Hasan ibn al-Sabbah - genannt der „Alte vom Berge“,
Führer der im Mittelalter gefürchteten, mörderischen Sekte der Assassinen9 -
Jünglinge in todesmutige und todesbereite Attentäter verwandelte. Hasan habe in
einem Tal einen der schönsten und größten Gärten der Welt anlegen lassen. Dieser
Garten war ein irdisches Paradies, dessen Paläste mit goldenen Vogel- und
Raubtiermotiven ausgemalt waren. In den Brunnen flossen Wasser, Honig und Wein.
Die schönsten Jungfrauen und Edelknaben sangen, musizierten und tanzten in den
Palästen und auf den Plätzen des Parks. Der Zugang zum Garten wurde durch ein
uneinnehmbares Schloss versperrt.
Hasan ließ sorgfältig ausgewählte, zwölf- bis zwanzigjährige Knaben bzw. Jünglinge,
die gute Killer zu werden versprachen, zunächst durch Opium in einen dreitägigen
Schlaf versetzen, dann in den Garten bringen und aufwecken. Die Jünglingen
glaubten, im himmlischen Paradies zu sein. Sie genossen alle Freuden, die ihnen der
prachtvolle Garten zu bieten hatte. Doch zu gegebener Zeit wurden sie wieder
eingeschläfert und in den Palast des Alten vom Berge gebracht. Sie stellten zu ihrem
größten Bedauern fest, dass sie nicht mehr im Paradies waren.
Der Alte suggerierte ihnen, dass sie in das Paradies zurückkehren könnten. Doch sie
müssten zuvor einen Mordauftrag ausführen. Nachdem sie willig den Mord begangen
hatten, berichtete Marco Polo, fanden sie sich wieder bei ihrem Herrn ein. Wurden
sie aber gefasst, so wollten sie sterben, weil sie nach ihrem Tode ins von
Mohammed verheißene Paradies zu kommen glaubten. Wer jedoch versagte, dem
blieb das Paradies für immer verschlossen.
Der Alte vom Berge bediente sich hier einer Methode, die auch heute noch zur
Bewusstseinskontrolle eingesetzt wird. Die Opfer werden zunächst in einen durch
Drogen erzwungenen Dauerschlaf versetzt, dann werden sie einer prägenden
Erfahrung ausgesetzt und schließlich wird diese Erfahrung durch erneute Betäubung
unterbrochen. Das prägende Erlebnis wird so dem alltäglichen Bewusstseinsstrom
entzogen und tief ins Unbewusste eingepflanzt. Es bleibt als Mischung aus Traum
und Offenbarung dem kritischen Verstand entzogen. Und so kann die reale
Erfahrung unlöslich mit einer falschen Interpretation verknüpft werden: Die
Getäuschten stellen nicht mehr in Frage, ob sie tatsächlich im Paradies oder nur an
einem sehr angenehmen Ort waren.
Der Alte vom Berge operierte allerdings nicht nur mit positiven Erfahrungen der
Freude, Lust und Harmonie. Er war auch ein Meister des Schreckens. So befand sich
in seinem Audienzsaal ein schmaler Schacht, in den genau ein aufrecht stehender
Mann hineinpasste. Nur der Kopf ragte aus der Öffnung heraus. Die Öffnung wurde
mit einem Metallteller verschlossen, der aus zwei zusammenpassenden Teilen
bestand. Ein Loch in der Mitte des Metalltellers entsprach dem Halsumfang. Von
außen betrachtet, hatte man den Eindruck, dass sich ein abgetrennter Kopf auf
einem Teller befand.
Und diesen Eindruck bezweckte der Alte vom Berge auch. Um die Illusion zu
vervollkommnen, bespritzte er den Kopf mit Blut. Dann wurden einige Rekruten zur
Audienz gebeten. Der Mann im Schacht war ein Mitglied des Kults, dem der Alte
zuvor die Freuden des „Paradieses“ gezeigt hatte. Er berichtete nun den staunenden
und erschaudernden Rekruten von seinen Erlebnissen im Garten des Alten. „Ihr habt
einen Mann gesehen“, sagte der Alte zu den Rekruten, „der starb und den ich
wiederbelebt habe, damit er mit seiner eigenen Zunge sprechen kann. Ihr habt
gehört, was er im Paradies gesehen hat!“ Später wurde der angeblich
wiedererweckte Mann tatsächlich enthauptet - natürlich in Abwesenheit der Rekruten.
Der Kopf wurde dann für eine Zeit gut sichtbar aufgespießt.11 Auch hier wird wieder
eine reale Erfahrung (der sprechende Kopf) mit einer falschen Interpretation
(Wiedererweckung von den Toten) verbunden.
Diese Methoden der Bewusstseinskontrolle waren offenbar überaus wirkungsvoll. Es
wird berichtet, dass sich die Opfer dieser Methoden u. a. auf Kommando
umbrachten. Sie sprangen z. B. von einem Turm in den sicheren Tod, ohne auch nur
eine Sekunde zu zögern 12. Dieser beinahe unvorstellbare Gehorsam lässt Zweifel
daran aufkeimen, ob die Ausbildung tatsächlich erst im Alter von zwölf bis zwanzig
Jahren begann, wie Marco Polo berichtet. Aus heutiger psychologischer Sicht ist es,
von Ausnahmefällen abgesehen, kaum erfolgsversprechend, mit einer so
weitgehenden mentalen Versklavung erst in diesem vorgerückten Alter zu beginnen.
Und so klingt eine andere Darstellung wesentlich plausibler. Diese besagt, dass
Hasan unerwünschte Kinder von ihren Eltern gekauft habe, um ihnen unbedingten
Gehorsam und den einzigen Wunsch einzupflanzen, in seinen Diensten zu sterben.
In ihrem Buch über kultischen und rituellen Missbrauch weisen James Randall Noblitt
und Pamela Perskin nach, dass Methoden der Bewusstseinskontrolle seit
Jahrhunderten von zahllosen Kulten überall in der Welt praktiziert wurden.
Die Begründer moderner Strategien der Bewusstseinskontrolle konnten also auf einen
reichhaltigen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Sie konnten zugleich aber das
Instrumentarium der modernen, naturwissenschaftlich geprägten Psycho-
Wissenschaften einsetzen, um die alten Methoden zu überprüfen und
weiterzuentwickeln.
aus: hans ulrich gresch - unsichbare ketten
wobei hier eine verwechslung besteht, es war nicht Hasan ibn al-Sabbah sondern Raschid ad-Din Sinan