@kiki1962 Die Leute, die zum Beispiel in Stalingrad oder bei anderen Wahnsinnsoperationen von den deutschen Führern verheizt wurden, haben um`s blanke Überleben kämpfen müssen und oft genug den Kampf verloren.
Natürlich waren auch sie Opfer.
Ich denke, ab einem bestimmten Zeitpunkt waren die Deutschen einfach nicht mehr in der Lage, Widerstand gegen die Nationalsozialisten zu leisten.
Auch, wenn das Off-Topic ist, möchte ich das mal hier kurz darstellen, was ich für eine Meinung habe:
Nach dem Versailler Vertrag waren die Lebensbedingungen in Deutschland für sehr viele Menschen miserabel. Wenig zu Essen, wenig Geld, wenig Arbeit - und es sollte hinlänglich bekannt sein, für was solche Umstände ein perfekter Nährboden sind. Für extreme, einfache Lösungen.
Dies war der Grund, warum DAP und später die NSDAP mit Adolf Hitler und Co. so erfolgreich wurde.
Deren Leute sagten:,,Wir geben euch Essen, Geld, Arbeit, Freiheit."
Und dann nahmen sie den Menschen auch noch alle Schuld ab, was hochgefährlich ist (wissenschaftlich bewiesen), sie sagten ihnen:,,Ihr seid nicht Schuld an eurer Misere. Sondern die Juden und die Leute aus anderen Ländern."
Ich denke, man wählte diese Partei und man folgte den Führern anfangs nicht einfach, weil man nur Juden hasste oder weil man sich für Herrenmenschen hielt, sondern einfach, weil diese den Deutschen alles versprachen, was sie wollten.
Deshalb sind ja auch viele freiwillig eingetreten, weil sie an oben genannte Inhalte glaubten.
In der Folge verstanden es die Führer, nicht nur Hitler, sondern auch Leute wie Goebbels, Himmler, Bohrmann usw., den Menschen schrittweise immer mehr Verantwortung abzunehmen, ihnen immer mehr einzuflüstern, dass ihre Taten richtig und notwendig für irgendwelche ,,guten Ziele" seien. Sie legten stückweise das Gewissen lahm.
Es gibt ein interessantes Experiment, welches beweist, wie weit man Menschen auf diese Weise treiben kann:
Glaube, es war in den USA, dort wurde ein Versuch inszeniert. Man setzte einen Schauspieler auf einen Stuhl in einem Raum und legte ihm scheinbar Fesseln an, durch die ein Proband von außen Stromschläge geben konnte. Scheinbar in ganz geringer Stärke bis zu einem klar tödlichen Grad.
Der Proband sollte dem Mann auf dem Stuhl (er wusste nicht, dass es sich um einen Schauspieler und eine Inszenierung handelte) Fragen stellen und bei Fehlern jeweils einen ,,Stromschlag" und die Dosis erhöhen. Daneben stand ein ,,Professor" in weißem Kittel, gerade aufgerichtet, mit autoritärer Ausstrahlung und überwachte das Experiment.
Es ging los, bei Fehlern bekam der Schauspieler einen Stromschlag und reagierte entsprechend mit zunehmender Stärke mit scheinbarem Streß und Schmerzen.
Der Proband fragte immer wieder mal nach, ob er denn wirklich weitermachen solle und der angebliche Professor sagte immer wieder:,,Ja, machen Sie weiter, das ist alles so richtig. Ich trage dafür die Verantwortung! Erhöhen Sie ruhig die Dosis, alles im Sinne einer guten Sache!".
Tja, der Proband machte immer weiter und erhöhte die Dosis so weit, dass sie absolut tödlich geworden wäre, unabhängig davon, ob der Schauspieler schrie oder bettelte, man solle aufhören.
Nur ganz wenige Probanden brachen das Experiment von sich aus ab und weigerten sich, weiter zu erhöhen.
Wenn man Menschen das Verantwortungs- und Schuldempfinden nimmt und ihnen suggeriert, sie würden etwas gutes tun, dann kann man sie unheimlich weit treiben.
Deshalb sollte man auch sehr vorsichtig mit Behauptungen sein, man hätte auf keinen Fall bei den Nationalsozialisten mitgemacht. Vielleicht nicht mit dem heutigen Wissen und unter den heutigen Umständen, aber vor der NS-Zeit gab es noch keinen Nationalsozialismus und keinen Holocaust.
Und gerade in den Jahren vor Kriegsende muss man meiner Ansicht nach davon ausgehen, dass schließlich die pure Angst vor dem Versagen und der Strafe viele Deutsche bei der Stange hielt, unterstützt vom Terror der zahlenmäßig relativ wenigen, wirklich überzeugten Nationalsozialisten. Viele dürften schon gewusst haben, dass da was nicht astrein läuft, dass immer mehr jüdische Nachbarn verschwinden, an bestimmten Orten permanent Rauch und Geruch von verbranntem Fleisch in der Luft hängen, immer mehr Misserfolge an den Fronten auftraten, die Führer immer verrückter wurden.
Aber sie wussten: ,,Wenn wirklich so viele Verbrechen geschehen und wir den Krieg verlieren, dann wird man uns fertig machen! Wir haben verdammt viel Mist gebaut, man wird uns schwer bestrafen!"
Was ja auch die Anführer immer wieder beschworen und was sie durch ihre Getreuen durchsetzen ließen, ,,Verräter und Volksfeinde" wurden ja noch während der letzten Tage des Krieges und danach von einzelnen Trupps umgebracht.
Was bedeutet das nun für die deutschen Soldaten und auch für Leute wie John Demjanjuk?
Spricht es sie von Schuld frei?
Keineswegs. Ich bin der festen Überzeugung, dass man für seine Taten prinzipiell selbst verantwortlich ist. Es kann sein, dass man manipuliert, reingelegt oder unter Druck gesetzt wird. Aber man führt die Taten selbst durch.
Wenn man manipuliert und unter großen Druck gesetzt wird, etwas zu tun, was man eigentlich nicht will, dann ist man gleichzeitig ein Täter und auch ein Opfer.
Ich denke, das trifft auf viele ehemalige, deutsche Soldaten und auch Wachleute zu.
Frage ist nun, wie es mit gerichtlicher Verurteilung aussieht?
Grundsätzlich halte ich es für korrekt, dass Mord nicht verjähren soll, schon gar nicht systematischer Massenmord. Wer daran Anteil hat, muss auch immer mit Strafe rechnen.
Man sollte sich aber auch überlegen, inwiefern eine Strafe noch Sinn macht, was sind die Umstände zum Zeitpunkt der Verurteilung? Demjanjuk ist mittlerweile uralt. Er ist für niemanden mehr eine Gefahr, er ist bereits krank und kaputt. Und niemand kann eine schlimmere Strafe verhängen, als die des Gewissens und der eigenen Erlebnisse im Krieg sowie letztendlich auch die Strafe von Gott.
Es wird wohl nur wenige geben, die ihre Erlebnisse im 2. Weltkrieg völlig kalt lassen und die völlig überzeugt jede Schuld von sich weisen.
Ich halte es für sinnlos, noch heute, fast ein Vierteljahrhundert später, jemanden auf die Anklagebank zu zerren, nur damit dem Gesetz Genüge getan wird.
Die dafür verwendeten Ressourcen sollten lieber verwendet werden, um eine Wiederholung der NS-Verbrechen in der Gegenwart und Zukunft zu verhindern!
Denn darauf haben wir Einfluss, das können wir noch im Anfang verhindern!
In Bezug auf die Vergangenheit können wir nur noch ein wenig aufräumen, aber nichts mehr ändern.