@equilibriaVom reinen Prinzip her, gebe ich dir einerseits Recht. Ich sehe auch, dass bei uns bereits schon längst viel zu viel staatlicherseits "verordnet" ist und die sogenannte Selbstbestimmung weitestgehend nur noch auf den Papier steht. Wenn ich im Park ein gewisses Bedürfnis verspüre und ich kann nicht anders, dann werde ich das Risiko eingehen und eine Ordnungswidrigkeit begehen (müssen) und die Strafe dafür eben zahlen. Ansonsten werde ich mich bemühen die nächstmögliche öffentliche Bedürfnisanstalt aufzusuchen
:DAber ich kann wiederum andererseits nicht das Urinieren an jeder öffentlichen Stelle grundsätzlich erlauben, weil halt jeder dieses Grundbedürfnis besitzt. Ich möchte nicht wissen, wie dann so manch ein Stadtpark, eine Unterführung (die stinken ohnehin schon pervers), oder so manche Straßenzüge aussehen würden.
Man könnte die Liste auch noch erheblich erweitern. Nehmen wir das immer mehr um sich greifende Rauchverbot. Was mich daran ärgert ist, dass die Bevölkerung selbst nicht danach gefragt wird, sondern dass es einfach "verordnet" wird. Nicht der Wirt selbst darf entscheiden, ob in seiner Gaststube geraucht werden darf, sondern der Staat entscheidet das, was der Wirt darf und was nicht.
Ansonsten kann es jeder selbst entscheiden, wo er hin gehen will. Wenn draussen kenntlich gemacht wird: Hier darf geraucht werden bzw. hier nicht, dann ist es Sache des Bürger, wo er hinein geht oder nicht. Aber das darüber selbst entscheiden wird dem Bürger wieder einmal abgenommen vom Staat bzw. Staatsapparat und der Regierung und vordiktiert, wie er sich zu verhalten hat.
Weiteres Beispiel ist die Frage nach gewissen im Islam bekannten Bekleidungsstücken. Auch hierrüber wird heftigst diskutiert, ob man es dem Bürger vorschreiben soll/darf, wie er sich in der Öffentlichkeit bewegen darf oder wie nicht. Warum das nicht jeder für sich selbst entscheiden darf ist mir Schleierhaft.
:DDann fällt mir noch die Gurtpflicht ein. Da wird auch nicht mehr der Autofahrer selbst gefragt, ob er das möchte, sondern es wird "verordnet". Das mag sogar in diesem Falle Sinnvoll sein, weil eben so mancher zu seinem Glück gezwungen werden muss ! Aber geht mich das etwas an? Wenn jemand unbedingt sein Unglück herausfordern will, ist das nicht letztlich dessen höchst eigene Angelegenheit?
Oder nehmen wir aus aktuellem Anlass Stuttgart 21. Zumindest zeigt das Volk (das bei diesem Projekt zumindest unmittelbar Betroffene) seinen Unmut und Widerstand gegen diese politische Entscheidung. Und so wie bei jedem staatlich beschlossenem Projekt, wo auf dem Bauschild dann meist steht: "Hier entsteht zum Wohle des Volkes im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland..." wird das Volk selbst dazu aber nicht gefragt, ob es etwa ein neues Atomkraftwerk will, einen Ausbau eines Flughafens, eine neue Autobahn oder einen neuen Bahnhof... Das halte ich auch für eine Politik, an den Interessen des Volkes vorbei !
Muss denn der Staat in allen Bereichen von oben herab immerzu mit Verboten und Verordnungen daherkommen und dem einzelnen Bürger sein Verhalten bis hinein ins Privatleben sozusagen vorschreiben? Wo bleibt die Selbstbestimmung? Insofern ja, gebe ich dir Recht.
Als Jurastudent (das war ich auch mal eine Zeitlang) brauche ich dir ja nicht zu erklären, dass wir keine direkte Demokratie haben, sondern eine parlamentarische Demokratie. Das dürftest du sicher auch im Fach Staatsrecht zur Übergenüge durchgekaut haben
:DAlles hat zwei Seiten. Ich war lange Zeit auch der Ansicht, das Volk sollte mehr Mitsprachrecht und Einfluss auf verschiedene Bereiche in der Politik bekommen. Es sollten Volksabstimmungen so wie in der Schweiz auch bei uns zur Politik gehören.
Inzwischen habe ich dazu eine gänzlich andere Ansicht. Denn das was an Abstimmungesergebnissen möglicherweise dann heraus kommt ist nur ein Mehrheitsentschluss ! Der kann aber auch völlig falsch sein. Er sagt nie etwas über die Richtigkeit dieser Entscheidung voraus, sondern nur dass die Mehrheit eines Volkes zu dem Zeitpunkt der Abstimmung dafür oder dagegen war. Und auch wenn das jetzt etwas provokativ klingt, aber: Die Mehrheit ist Dumm.
Und wie leicht ein Volk, eine größere Masse manipuliert werden kann, das brauche ich dir sicher auch nicht zu sagen. Bedenke, dass gerade wir als Deutsche von einem einzigen Mann in einem nicht mehr mit dem gesunden Menschenverstande nachvollziehbaren Maße in einen Bann gezogen, manipuliert und beeinflusst wurden, dass diese Mann in der Lage war, ein ganzes Volk in einen Weltkrieg zu ziehen und am Ende nichts als einen Trümmerhaufen in Deutschland hinterlassen hat.
Wie leicht eine größere Masse auch heute durch die Medien manipuliert und beeinflusst werden kann, muss ich dir auch nicht sagen. Würde man Beispielsweise jetzt eine Volksabstimmung über die Einführung der Todesstrafe durchführen und würde gerade jetzt wieder ein Fall von Kindsmissbrauch durch die Medien gehen, kannst du dir sicher denken, wie dieser Mehrheitsentschluss des Volkes dann ausfallen würde.
Ich bin nicht dafür, dass einfach nur eine Mehrheit wichtige Entscheidungen treffen darf, denn es kommt hierbei nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität einer Entscheidung an ! Nicht wie viele einer bestimmten Meinung sind, sondern WER und WARUM.
Allerdings lässt die Qualität der politischen Entscheidungen derzeit bei unserer Bundesregierung meiner persönlichen Meinung nach auch in so einigen Bereichen schwer zu Wünschen übrig. Derzeit sehe ich wie eine Politik der Lobbyisten mehr und mehr Gestalt annimmt. Diese Entwicklung gefällt mir auch nicht und daher bedarf es auch in unserer Politik immer auch einer starken Opposition ! Das schlimmste ist in meinen Augen eine große Koalition, wo keine starke Opposition mehr vorhanden ist und zwei große Kräfte an einem Strang ziehen. Was ich leider auch bemängel ist, dass sich das Profil der großen Parteien mit den Jahren zumindest nach meinem Eindruck inzwischen recht erheblich verschlissen hat bis hin zur Unkenntlichkeit. Würde es einen Partei-TÜV geben, bekämen die großen Drei wahrscheinlich keine neue Plakette mehr
:DDie kleineren haben noch Potential und das Volk entscheidet bei der nächsten Wahl mal wieder, ob es ihnen eine Chance geben wird oder wie groß der Einfluss der kleineren Parteien sein wird. Wenn du schon von vorne herein da deine Stimme sozusagen verschenkst, dann weiß ich nicht, wie sich überhaupt etwas politisch verändern soll? Durch Revolution? - Gott bewahre ! Das wäre das letzte, was ich mir wünschen würde. Ich bin kein Freund von Blutvergießen. Und in den meisten Fällen ist eine Revolution immer auch wieder neues Unrecht, welches in die Welt gesetzt wird und mit Gewalt und Not, Leid und Elend verbunden.
Wenn die Mehrheit des Volkes durch ihre Stimme eben immer wieder sozusagen den Gleichen Parteien ihr Vertrauen ausspricht, und sich hinterher über ihre Politik beschwert, dann empfinde ich es schon als ein wenig Schizophren. Wir haben es doch selbst in der Hand, von wem wir regiert werden ! Mehrheitlich sprechen wir uns doch trotzdem immer wieder für die Parteien aus, deren Politik wir anschließend dann kritisieren
:D