Wer regiert eigentlich Deutschland?
03.04.2008 um 21:26300 Lobbyisten beim Bund"
Die Zahl der in Bundesministerien beschäftigten Lobbyisten ist weit höher als bisher bekannt. Rund 300 Vertreter von Unternehmen und Verbänden haben allein in den Jahren 2004 bis 2006 in Bundesministerien gearbeitet. Das geht aus einem Prüfbericht des Bundesrechnungshofes hervor, der der ARD vorliegt. Bisher war von maximal 100 "Externen" die Rede gewesen. Die Rechnungshofprüfer und zahlreiche Abgeordnete übten scharfe Kritik an dem Vorgehen und forderten die Bundesregierung auf, diese Praxis zu beenden.
Interessenskonflikte vorprogrammiert
Externe Mitarbeiter arbeiten immer wieder als Experten und Sachverständige in Ministerien und Untergeordneten Behörden mit. Problematisch ist allerdings, dass sie teilweise an der Ausarbeitung von Gesetzesentwürfen, Verordnungen und Vergabeverfahren beteiligt sind, die die Interessen ihrer Firmen oder Verbände unmittelbar betreffen. Da die externen Mitarbeiter zum Großteil auch weiterhin auf den Gehaltslisten der entsendenden Unternehmen und Vereinigungen stehen und nicht des Staates, sehen hier viele einen nicht zu kontrollierenden Lobbyismus. Im vertraulichen Bericht des Bundesrechnungshofes heißt es dazu: "Das Risiko von Interessenkonflikten" bestehe insbesondere beim Einsatz von Mitarbeitern "von Privatunternehmen und Verbänden, die naturgemäß eigene, häufig gewinnorientierte Interessen verfolgen".
Laut Prüfbericht vertraten mehr als 60 Prozent der "externen Mitarbeiter" die Bundesregierung nach außen, weit über die Hälfte dieser Mitarbeiter erstellten Leitungsvorlagen. In zwei Fällen bekleideten die "externen Mitarbeiter" sogar den Posten eines Referatsleiters. Problematisch sei, dass gut ein Viertel der "Leihbeamten" an Vergabeverfahren beteiligt waren. Gut 20 Prozent der Leihbeamten aus Unternehmen und Verbände hätten laut Bericht direkt an Gesetzen mitgeschrieben, berichtet die ARD.
"Sofort Schluss damit"
Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger (FDP) forderte in der ARD, die externen Mitarbeiter müssten "sofort in ihre Unternehmen zurückkehren". Sie sehe die Neutralität staatlichen Handelns bedroht, so Schnarrenberger, Gesetze müssen von öffentlichen Bediensteten entworfen werden und nicht von "verdeckten Mitarbeitern aus der Privatwirtschaft." Das ganze erinnere sie an einen "schlechten Krimi".
Auch der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck kritisierte die Informationspolitik der Bundesregierung. Man habe "das Parlament richtiggehend belogen", als man vor zwei Jahren lediglich von Einzelfällen sprach. Nun müsse der Vorgang "rückhaltlos" aufgeklärt werden.
Der SPD-Politiker Hermann Scheer sagte, die Zahl von 300 externen Mitarbeitern sei " absolut alarmierend". Scheer fordert: "Die Tätigkeit dieser Einflussagenten aus einzelnen Unternehmen in den Ministerien ist sofort zu beenden. Und zwar ausnahmslos." Auch seien alle Bundestagsabgeordneten im Nachhinein zu informieren, an welchen Vorlagen externe Mitarbeiter mitformuliert haben.
Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag, forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel unmittelbar zum Handeln auf: "Sie muss einen Schlussstrich ziehen und sagen: das kommt überhaupt nicht mehr in Frage." Die externen Mitarbeiter müssten unverzüglich aus den Ministerien entfernt werden. "Die politischen Sitten" seien "völlig verkommen", sagte Gysi der ARD.
Eine sehr Lesenswerter Artikel
Die fünfte Gewalt:
http://www.zeit.de/online/2006/10/lobbyismus
Scharfe Kritik des Bundesrechnungshofs an Lobbyisten in Bundesministerien:
http://www.presseportal.de/pm/6694/1164722/ard_das_erste
Haben die Regierenden noch ein Gewissen? Sind diese 300 Vertreter von Unternehmen und Verbänden nur die Spitze des Eisbergs? Ich find’s einfach zum Kotzen! Was kommt als nächstes?